Amtsgericht Koblenz spricht Urteil über fünf Männer, die Lösegeld erpressen wollten
Entführung in Betzdorf: Lange Haftstrafen für die zwei Haupttäter
Mitten in der Nacht fand am 26. September 2023 eine Entführung am Betzdorfer Bahnhof statt. Foto: Thomas Leurs
Thomas Leurs

Nach gut drei Monaten ist nun das Urteil über den erpresserischen Menschenraub am Koblenzer Landgericht gefällt worden. Die beiden Haupttäter erhalten lange Haftstrafen. Drei weitere müssen wegen Beihilfe ebenfalls ins Gefängnis. Das Gericht sieht es als erwiesen, dass drei von ihnen eine Person aus Betzdorf nach Kassel entführt hatten, um Lösegeld zu erpressen.

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Am letzten Verhandlungstag kommen noch mal alle Verteidiger der fünf Angeklagten im Amtsgericht Koblenz zu Wort. Vier Afghanen und einem Syrer wird zur Last gelegt, einen jungen Mann aus Betzdorf nach Kassel entführt zu haben, um Lösegeld zu erpressen. Die Verteidiger sehen durch die Bank weg eher kürzere Haftstrafen von maximal zwei Jahren, die auf Bewährung ausgesetzt werden können, als angemessen. Der Richter folgt dem aber nicht. Alle müssen mehrere Jahre hinter Gitter. Der mutmaßliche Haupttäter sogar für neun Jahre.

Es war tief in der Nacht Ende September 2023, als drei Männer mit dem Auto von Kassel nach Betzdorf fuhren, um dort ein Tauschgeschäft durchzuführen. Einer der drei Männer, Malik K. (Namen aller Täter geändert) hatte sein Erspartes – 3000 Euro – dafür gegeben, um, wie sich später herausstellte, Falschgeld in einem Koffer zu bekommen. Doch der Handel ging schief. Einer der beiden Brüder, die am Betzdorfer Bahnhof mit dem Koffer warteten, nahm sich die 3000 Euro und lief davon. Die Drei schnappten sich darauf den anderen Bruder, steckten ihn ins Auto und fuhren mit ihm nach Kassel zurück.

Keine Klarheit, wie hoch die Lösegeldforderung überhaupt war

Schon auf dem Weg dorthin führte ein weiterer der drei Täter, Tarek S., Telefongespräche mit der Familie des Opfers. Zu Beginn soll es nur um die 3000 Euro gegangen sein, später in Kassel seien die Summen dann immer weiter in den fünfstelligen Bereich gegangen, 10.000 Euro, dann 25.000 Euro sollen es gewesen sein, die die Entführer erpressen wollten. Ansonsten drohten sie, ihrem Opfer Körperteile abzuschneiden. In Kassel kamen sie nach Mitternacht an und gingen zur Wohnung von Junis H. Dieser feierte dort mit Bekannten. Das Entführungsopfer wollte er nicht in seiner Wohnung haben, ging aber mit, als das Opfer weiter in den Keller einer Gartenlaube im Kasseler Umland gebracht wurde. Dort wurde das Opfer mit Klebeband und Kabelbindern an einen Stuhl gefesselt und immer wieder von wechselnden Personen bewacht. Wohl auch von mehr Beteiligten, als im Gerichtssaal ihrer Verurteilung entgegensehen, wie der Richter sagt.

Am Nachmittag des Folgetages nehmen die Täter ihr Opfer wieder ins Auto mit, in dem Glauben, nun das Lösegeld zu erhalten. Doch die Familie des Opfers hat längst Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Diese verfolgen das Auto und warten auf eine günstige Stelle, um alle Festzunehmen. So geht eine zweitägige Geiselnahme zu Ende.

Verteidiger plädieren alle auf geringe Strafen auf Bewährung

Doch wie hart sind die Täter zu verurteilen? Nur drei der fünf Angeklagten waren bei der Entführung mit dabei. Einer davon ist Tarek S.. Axel Dohmann, einer seiner beiden Verteidiger, argumentiert, dass man die Entführung in Relation mit anderen betrachten müsse. So gebe es welche, die über Wochen dauerten und in denen sieben- oder achtstellige Summen erpresst werden. „Das ist der Normalfall, den haben wir hier nicht“, sagt Dohmann. Ebenso sei die Annahme falsch, dass die Drei mit dem Ziel der Entführung nach Betzdorf gereist seien. „Ich will keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben, aber wäre alles normal verlaufen, hätte es keine Entführung gegeben.“

Auch Verteidiger Guido Wacker sieht für seinen Mandanten Malik K. eine Strafe, die bewährungsfähig ist, als angemessen. Zwar gebe es die Fakten des Falschgeschäftes, das schiefgegangen ist, die Fahrt nach Kassel, das Fesseln in der Gartenlaube und die oberflächlichen Verletzungen des Opfers. Doch alle anderen Aussagen könne man glauben, muss man aber nicht.

Richter verhängt Haftstrafen – keine auf Bewährung

Für den Dritten im Bunde, Kaya G., der bei der Entführung in Betzdorf mit dabei war, bittet sein Verteidiger um eine faire Entscheidung. Maike Naumiuk, die Nael M. verteidigt, sieht maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung für ihren Mandanten. Nael M. war erst bei der Entführung in Kassel in der Gartenlaube dazugekommen und hatte einige Stunden auf das Opfer aufgepasst. Junis H., der seine Wohnung nicht als Unterschlupf zur Verfügung stellen wollte, solle nur eine Freiheitsstrafe auf Bewährung „am unteren Ende“ erhalten, wie Michael Hürth, einer seiner Verteidiger ausführt.

Doch Gnade lässt der Richter bei keinem der fünf Angeklagten walten. Nach einer gut zweistündigen Pause fällt er das Urteil. Malik K. und Tarek S. werden beide wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt, ersterer zu neun Jahren, letzterer zu sechs Jahre. Die anderen drei Täter erhalten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung jeweils zwischen drei Jahren und neun Monaten und vier Jahren und sechs Monaten. Auch wenn sich nicht alle Details zweifelsfrei aufklären ließen, so stehe doch fest, dass drei Personen einen jungen Mann wissentlich entführt haben. Minderschwere Fälle könne der Richter dabei nicht feststellen.

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