Selten erlebt man Uwe Wallbrecher in Anzug und Schlips, doch dieser Abend war Anlass genug, von der Alltagskleidung eines gestandenen IG-Metallers eine Ausnahme zu machen. Bereits im Juli endete seine fast zehnjährige Amtszeit als Erster Bevollmächtigter der IG-Metall-Geschäftsstelle Betzdorf, die rund 5200 Mitglieder im Kreis Altenkirchen und Teilen des Westerwaldkreises betreut.
Lob aus Politik und Verwaltung
Nun fand die Verabschiedung des 64-Jährigen zusammen mit dem Ausstand des ehemaligen Zweiten Bevollmächtigten Bruno Köhler im großen Saal der Betzdorfer Stadthalle statt. Die Sitzreihen waren gefüllt, als Wallbrechers Nachfolger Oliver Scheld, der Leiter des Bezirks Mitte Jörg Köhlinger, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain Bernd Brato und Landtagsabgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler (beide SPD) den beiden ihren Respekt zollten. Auch die ehemalige Jugendsekretärin und spätere politische Sekretärin der IG Metall Betzdorf Nicole Platzdasch kam als ehemalige Mitstreiterin der beiden zu Wort.
„Wenn man selbst in der Arbeit ist, nimmt man den Erfolg gar nicht wahr.“
Uwe Wallbrecher
Angesichts der nachhaltigen Leistungen der Verabschiedeten zeigten sich alle Redner beeindruckt. Wallbrecher spricht nach dem offiziellen Teil gegenüber unserer Zeitung davon, dass es ihn stolz mache, wenn die Menschen seine und Köhlers Anstrengungen und Erfolge würdigten. „Wenn man selbst in der Arbeit ist, nimmt man den Erfolg gar nicht wahr.“
„In der Arbeit sein“ – was das für Wallbrecher und Köhler bedeutet, machte der Leiter des Bezirks Mitte Jörg Köhlinger anhand der Aufzählung der (groben) Gewerkschaftsstationen der beiden deutlich. So verabschiede sich mit Bruno Köhler ein „langjähriger Aktivposten“ der Geschäftsstelle Betzdorf in den Ruhestand. Seit 2012 hatte er die Funktion des Zweiten Bevollmächtigten inne und war hier auch Garant für Stabilität. In der Vor-Wallbrecher-Ära gab es nämlich regelmäßige Wechsel an der hauptamtlichen Spitze. Köhlinger sprach gar von einer „bewegten Geschichte“. Das war bei Weitem nicht die einzige Aufgabe, die Bruno Köhler in seiner Gewerkschaft wahrnahm. Unter anderem hat er als Betriebsratsvorsitzender von Federal Mogul den ein oder anderen Sturm durchgestanden mit der und für die Belegschaft.
Viele alte Weggefährten waren dabei
So spiegelte sich der Respekt, den sich Köhler und Wallbrecher über die Jahre erworben haben, auch in den vollen Reihen der Stadthalle wider. Aus ganz Deutschland reisten vor allem alte Weggefährten des ehemaligen Ersten Bevollmächtigten an. In seinen Stationen durch Deutschland hat er die Gewerkschaftsarbeit von der Pike auf gelernt, wie Bezirksleiter Köhlinger skizzierte. Angefangen als ehrenamtlicher Jugendbetriebsratsvorsitzender, gestählt in folgenden Ämtern, wechselte Wallbrecher 1991 in die Hauptamtlichkeit. Er setzte sich daraufhin für die Interessen der Arbeitnehmer in Pforzheim, Freudenstadt und Mittelhessen ein. Im Juni 2014 wurde er schließlich Erster Bevollmächtigter in Betzdorf.
„Immer schneller, immer mehr – das wird nicht aufhören“
Uwe Wallbrecher
Köhlinger verdeutlichte anhand des Beispiels des zwischenzeitlich strauchelnden Standorts von Faurecia in Scheuerfeld, „was sich mit einer gut aufgestellten Arbeitnehmervertretung, getragen von der breiten Zustimmung durch eine Organisierung in der IG Metall, erreichen lässt“. Und hier hat Wallbrecher seinen Worten zufolge eine entscheidende Rolle eingenommen. Köhlinger rief dessen Erfolge als Macher in Erinnerung, etwa dass Wallbrecher zahlreiche Betriebe in die Tarifbindung geführt habe. Der Geehrte selbst wurde in seiner Rede politisch und beschäftigte sich auch mit für die Arbeitswelt entscheidenden Fragen, etwa: Wie kann die Transformation in der Wirtschaft bewältigt werden? „Immer schneller, immer mehr – das wird nicht aufhören“, analysiert Wallbrecher im Gespräch mit unserer Zeitung im Nachgang der Veranstaltung. „Wir müssen Konzepte dagegen entwickeln – und miteinander sprechen und nachfragen.“