Newsletter in Weitefeld sorgt für Aufruhr in Teilen der Elternschaft
Elternbrief über „Doktorspiele”: Kita Weitefeld fühlt sich missverstanden
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Ein Beitrag im Newsletter der Kita Weitefeld hat für Aufruhr unter der Elternschaft gesorgt.
Daniel-D. Pirker. ddp

Mit dieser Reaktion hatten die Autoren des Kita-eigenen Newsletters nicht gerechnet: Nachträglich wurde in roter Farbe ein, wie es heißt, „wichtiger Nachtrag“ angefügt. In der dritten Ausgabe 2024 finden sich neben Neuigkeiten aus dem Alltag der Weitefelder Kita Sonnenwiese auch Aufsätze über pädagogische Konzepte. Ein Beitrag hat offenbar große Wellen geschlagen, teils für Aufruhr in der Elternschaft gesorgt.

Eine Anfrage der FWG-Fraktion hat die Problematik in der jüngsten Ortsgemeinderatssitzung zum Thema gemacht. Die Überschrift des Aufsatzes: „Körpererkundungsspiele – oder auch Doktorspiele, wie der Volksmund sagt“.

„Beim Schreiben dieses Newsletters haben wir uns nichts gedacht. Das sind Texte, die so auch in Fachzeitschriften und Fachbüchern vorkommen. Wir haben nichts anderes geschrieben, als in Bildungs- und Erziehungsempfehlungen zu lesen ist“, sagt Waldemar Janzen auf Anfrage unserer Zeitung. Der Leiter der kommunalen Kita mit 100 Kindern räumt allerdings auch ein, dass man den Text aus Elternsicht falsch hätte verstehen können. Der Aufsatz sei aus Sicht eines Pädagogen geschrieben worden. „Für uns sind die Grenzen natürlich klar“, so Janzen. Beim Eintreten eines solchen Falls gehe es darum, die Kinder entsprechend aufzuklären.

Aufsatz soll pädagogischen Ansatz erklären

Um den pädagogischen Ansatz den Eltern zu erklären, habe man schließlich den Beitrag veröffentlicht. Ein solches Verhalten gehöre auch zur frühkindlichen Entwicklung dazu. Janzen unterstreicht, dass das Kita-Team entsprechend geschult sei. „Doktorspiele, wo sich ein Junge und ein Mädchen bewusst treffen und sich nackig ausziehen und aneinander rumspielen, die gibt es nicht“, stellt Janzen klar. Allerdings müsse man mit solchen Fällen immer rechnen.

Der Aufsatz sei von zahlreichen Kolleginnen und ihm gegengelesen worden. Bei der Veröffentlichung habe „sich niemand etwas dabei gedacht, weil wir natürlich die Grenzen kennen“. Rückblickend sagt Janzen, dass man auf die Elternbefindlichkeiten stärker hätte achten müssen. „Es liest sich leider schlimmer als es ist“, so Janzen. Bei Formulierungen wie „Doktorspiele“ handele es sich um Reizwörter für einige Personen. Auch in der nachträglich eingefügten Stellungnahme an die Eltern vermuten die Autoren der Kita, dass einige Stellen des Artikels falsch verstanden wurden.

Es wird daher betont: Natürlich gebe es bei dem Thema klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürften, und die Kolleginnen würden entsprechend eingreifen. Die Kinder würden auch nicht unbeaufsichtigt in Nebenräumen gelassen mit dem Wissen, was dort eventuell vor sich gehe. Auch im Gespräch mit unserer Zeitung unterstreicht Janzen, dass sich die Kinder in der Weitefelder Kita eben nicht „nackig ausziehen“. Auch „Doktorspielen“ werde Einhalt geboten. Die Aufsicht sei immer gewährleistet. Die Türen stünden stets auf.

Kita Sonnenwiese bittet um Vertrauen

Distanzieren will sich die Kita nicht von dem Artikel. Das Thema sei auch Bestandteil in den „Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz“, nach der sich die Kita-Arbeit in Weitefeld ausrichte. „Ihr müsst uns auch hierbei, genau wie in allen anderen Bereichen, vertrauen, dass wir immer im Sinne des Kindes handeln, denn dafür sind wir Fachkräfte“, heißt es in der Stellungnahme an die Eltern.

Doch aus Sicht der Kita sei das eigentliche Problem, „dass sich wieder über etwas aufgeregt wird, ohne mit uns darüber zu reden“. Lediglich eine Mutter habe die Kita direkt angesprochen. „Es ist sogar so weit gegangen, dass wir von einer Kita in Betzdorf erfahren haben, dass die Elternschaft dort davon redet, es gäbe einen „Selbstbefriedigungsraum“ in unserer Kita. Was total entsetzlich ist und auch jeder Wahrheit widerspricht. Das ist das Ergebnis von unnötigem Gerede, ohne uns vorher zu kontaktieren.“ Janzen hat inzwischen mit den Betzdorfer Kollegen Kontakt aufgenommen. Demnach sei „das Thema dort durch. Letztlich habe es sich bei der Angelegenheit um ein großes Missverständnis gehandelt.

Der Aufsatz, der zu der Kontroverse führte
Stein des Anstoßes für Aufruhr in Teilen der Elternschaft war ein Beitrag „Körpererkundungsspiele – oder auch Doktorspiele, wie der Volksmund sagt“, der im Newsletter der Kita Sonnenwiese in Weitefeld erschien. Der Einstieg beginnt dann mit „Sätzen wie ‚Darf ich mal deinen Popo sehen?‘ oder ‚Komm, wir ziehen uns mal die Hose runter!‘ können im Alltag/Kita-Alltag der Kinder normal sein und gehören zur kindlichen Entwicklung dazu“.

Weiter heißt es, dass Kinder etwa ab dem dritten Lebensjahr beginnen, ihren Körper und den der anderen Kinder spielerisch zu erforschen. Sie erkundeten die Geschlechtsunterschiede und Gemeinsamkeiten von sich und anderen Kindern. Für Mädchen und Jungen seien Doktorspiele eines von vielen Rollenspielen, Erwachsene werteten dies schnell als Sexualität. „Doch Kinder sammeln Erfahrungen mit ihrer Umwelt.“ Wenn sich alle wohlfühlten, ungefähr gleich alt seien und freiwillig mitmachten, „können wir uns als Erwachsene raushalten. Man sollte nicht vorschnell eingreifen, denn diese Spiele sind für eine selbstbestimmte Sexualität wichtig“.

Problematisch werde es erst, wenn größere Altersunterschiede auftauchten und ein Kind unter Druck und Zwang gerate. „Dann sollte man einschreiten.“ In der Regel seien diese „körperlichen Wahrnehmungsspiele“ allerdings harmlos und sollten nicht unterbunden werden. Regeln seien hingegen nötig, damit „sich alle wohlfühlen“. So dürfe niemanden wehgetan, nichts in Körperöffnungen gesteckt (noch kein Fall in Kita aufgetreten) und jederzeit Hilfe geholt werden („das ist kein Petzen!“).

Klargestellt wird: „Nein heißt nein.“ Dabei solle auch die Körperhaltung beachtet werden, wenn sich Kinder noch nicht sprachlich ausdrücken können. Abschließend heißt es: „Kinder sollten ihre sexuellen Ausdrucksweisen nicht an der Garderobe der Kita abgeben müssen, sondern im angemessenen Rahmen positiv wahrnehmen und leben dürfen.“

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