Altenkirchen – Eigentlich war es ein Samstag wie jeder andere – aber der 12. Februar 2011 wurde zum schlimmsten Tag im Leben des Westerwälders. Der 43-Jährige wollte kurz nach Altenkirchen fahren, seine Frau (33) saß auf dem Beifahrersitz, sein dreijähriger Sohn hinten im Kindersitz. Er wollte seine Frau zur Arbeit bringen. Doch soweit kam er nicht. Sein Peugeot wurde um 12.45 Uhr auf der Bundesstraße 414 bei Altenkirchen in einen furchtbaren Unfall verwickelt.
Ein Mensch starb, fünf Menschen wurden schwer verletzt.Der Unfall an jenem Februartag 2011, bei dem ein BMW-Fahrer ein tödliches Überholmanöver durchführte, ist zum zweiten Mal Gegenstand eines Prozesses. Jetzt forderte Staatsanwältin Caroline Niemöller im Berufungsprozess am Landgericht Koblenz zwei Jahre und acht Monate Haft für den Unfallverursacher, einem Mann (35) aus dem Westerwaldkreis. Tatvorwurf: vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und Unfallflucht. Die Anwälte des Mannes halten eine Bewährungsstrafe für angemessen.So kam es laut der Staatsanwältin zum Unfall: Der BMW-Fahrer fuhr mit seinem 192-PS-Auto über die B 414 Richtung Altenkirchen. Kurz vor der Abfahrt nach Sörth überholte er drei Autos. Ein Twingo kam ihm entgegen und fuhr, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern, auf den Seitenstreifen, rammte einen Leitpfosten, kam ins Schleudern, kollidierte mit dem Peugeot des Westerwälders. Für ihn und seine Familie herrscht seit dem Unfall der Ausnahmezustand. Der 43-Jährige, ein Mann mit kantigem Gesicht und kräftigen Händen, arbeitete bis dahin als Busfahrer, fuhr Fahrrad oder ging tauchen. Seit dem Unfall ist sein rechtes Knie zertrümmert, er humpelt, kann keinen Sport mehr treiben, nicht mehr arbeiten. Er leidet an Schlafstörungen, sieht immer wieder das Blut vom Unfallort, hört Schreie, riecht Verbranntes. Seine Frau leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, ist seit dem Unfall krank geschrieben. Der Sohn des Paares hat seither ein schiefes Bein, das Innen schneller wächst als Außen. Er muss, bis er volljährig ist, wohl rund siebenmal operiert werden.Der Beifahrer in dem Twingo, ein 18-Jähriger aus Bad Marienberg, erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er starb drei Tage später. Die Twingo-Fahrerin hatte mehrere Rippenbrüche, Lungen- und Nierenverletzungen. Eine weitere Autoinsassin (19) lag acht Wochen auf der Intensivstation, trug eine Beckenfraktur davon, kann keine Kinder mehr bekommen. Sie musste ihre Schulkarriere abbrechen.Die Staatsanwältin geht davon aus, dass der BMW-Fahrer den Unfall leichtsinnig in Kauf nahm und dann vom Unfallort geflüchtet ist. Doch seine Anwälte betonen: Er habe den entgegenkommenden Twingo erst sehr spät gesehen, habe nur ein Auto überholt und sei nicht vom Unfallort geflüchtet.Der BMW-Fahrer hat sich mehrfach für den Unfall entschuldigt. Vor dem Landgericht sagte er unter Tränen: „Es tut mir alles sehr, sehr leid. Ich würde gern alles rückgängig machen." Am Montag gibt das Gericht sein Urteil bekannt. Hartmut Wagner