Jahresempfang in Altenkirchen
Ein paar hoffnungsvolle Töne im Klagelied der Kommunen
Kulinarische Spezialitäten aus der Region überreichte Landrat Peter Enders (rechts) an Achim Brötel. Der Präsident des Deutschen Landkreistages sprach beim Empfang für die Bürgermeister und Ortsbürgermeister aus dem AK-Land über die angespannte Finanzlage auf kommunaler Ebene - ohne dabei seinen Humor zu verlieren.
Markus Kratzer

Immer weniger Geld, immer mehr Pflichtaufgaben: Kommunen ächzen unter dem Druck der finanziellen Daumenschrauben. Der Präsident des Deutschen Landkreistages weiß um die Sorgen – und nennt sie in Altenkirchen auf humorvolle Art und Weise beim Namen.

Steigende Umlagen und Steuerhebesätze auf der einen Seite, immer weniger finanzieller Spielraum auf der anderen. Viele Gemeinden – auch im AK-Land – stöhnen unter dieser Entwicklung. Achim Brötel, Präsident des Deutschen Landkreistages, kennt die Problematik nur zu gut. Und so konnte er beim Jahresempfang des Landkreises Altenkirchen für die Bürgermeister und Ortsbürgermeister im Kreis mit seinem Vortrag „Herausforderungen und Chancen für die ländlichen Räume der Zukunft“ sehr viele Gemeindevertreter im Kreishaus „abholen“.

Ausgesprochen unterhaltsam, wie man es bei einem solch schwierigen Thema vordergründig gar nicht vermuten würde, legte der Landrat des Neckar-Odenwaldkreises (Baden-Württemberg) den Finger in die Wunden, ohne dass er dadurch die Deutlichkeit seiner Botschaften verwässerte. „Bei uns Kommunen kommen permanent die Rechnungen an“, bringt der CDU-Mann es auf einen kurzen Nenner. Deshalb macht er sich für eine grundlegend andere Verteilung der Steuermittel stark. „Im Moment beträgt der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer 2 Prozent. Was wir benötigen, ist zumindest eine Verdreifachung“, so Brötels Kalkulation. Aber diese Ausschüttung dürfe nicht den „Umweg“ über die Bundesländer nehmen. „Wir kennen die klebrigen Finger der Finanzminister dort“, begründet er die Forderung. Heißt für ihn: „Man muss der kommunalen Seite mehr Vertrauen schenken.“

„Bei uns Kommunen kommen permanent die Rechnungen an.“
Achim Brötel, Präsident des Deutschen Landkreistages

Dass man dieses Vertrauen verdient, schwingt in Brötels zweitem Grundgedanken mit. „Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, was wir uns künftig noch leisten können“, macht er sich für mehr Mut zur Priorisierung stark. Dies sei ein schwieriger Spagat, räumt er ein, aber neue Schulden allein könnten auch nicht die Antwort sein – auch mit Blick auf die nachfolgenden Generationen.

Apropos Schulden: Mit Spannung blickt der Deutsche Landkreistag natürlich auch auf die Regierungsbildung in Berlin, auf das von Schwarz-Rot geplante 500-Milliarden-Sondervermögen zur Stärkung der Infrastruktur. Grundsätzlich begrüßt der ausgebildete Jurist die Pläne, auch wenn er das Wort Sondervermögen mit Sonderschulden in einem Atemzug nennt. Doch auch hier warnt der Präsident davor, dass das, was für die Kommunen vorgesehen sei, nicht durch die Streichung anderer Förderungen wieder einkassiert werde.

Nachhaltige finanzielle Grundausstattung gefordert

Wie wichtig eine nachhaltige und sichere finanzielle Grundausstattung der kommunalen Ebene ist, macht Brötel mit Zahlen deutlich. 2022 haben demnach die Kommunalfinanzen in Deutschland mit einem Plus von 2,5 Milliarden Euro abgeschlossen, ein Jahr später ist ein Minus von 6,2 Milliarden Euro zu bilanzieren gewesen. Für 2024 sei ein Minus von 13,2 Milliarden Euro prognostiziert worden, am Ende des dritten Quartals habe der Fehlbetrag schon 24,9 Milliarden ausgemacht.

Dabei verschließt der Referent auch nicht die Augen davor, dass sich der ländliche Raum deutlich mehr anstrengen müsse, um in puncto Infrastruktur mit städtischen Angeboten mithalten zu können. „Das ist die Lebenswirklichkeit“, so Brötel. Doch in sein Klagelied mischen sich auch ein paar hoffnungsvolle Töne. Hierzu zählt er, dass die kommunale Familie für zuverlässiges Handeln stehe und dass die Lust aufs Land in der Bevölkerung weiter zunehme, was er nicht nur auf die Speckgürtel rund um die Großstädte beschränkt wissen will. Gepaart mit der Hoffnung, dass eine neue Bundesregierung deutlich stärker die Interessen der Gemeinden und Kreise vertritt („Der 20. Bundestag hat in dreieinhalb Jahren 41 Gesetze beschlossen, die die Kommunen belastet haben“) zeigt sich der Landrat aus Süddeutschland davon überzeugt, dass der ländliche Raum die „Quadratur des Kreises“ (so die Hauptüberschrift seines Vortrags) tatsächlich schaffen kann.

Vier Säulen der künftigen Migrationspolitik

Ein Optimismus, den auch sein Landratskollege Peter Enders teilen will. „Hoffen wir, dass die neue Bundesregierung ihren Teil dazu beiträgt, dass sich die Lage der Kommunen insgesamt verbessert. Die angekündigten Investitionen in den Bereich Bauwirtschaft und Verkehrsinfrastruktur weisen da hoffentlich ein Stück weit den Weg“, so der Gastgeber in seiner Begrüßung.

Wobei sein Landratskollege Brötel auch nicht verhehlt, dass für ihn zu einer Verbesserung der nationalen wie kommunalen Situation auch Veränderungen in der Migrationspolitik zählen. In zehn Jahren seien in Deutschland 2,8 Millionen Erstanträge auf Asyl gestellt worden. Zudem hätten nach dem russischen Angriff 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine bei uns Schutz gesucht. „Auch wenn die Zahlen zurückgehen, addieren sie sich auf, und der Berg wächst weiter an“, betont er. „Wir laufen Gefahr, uns zu überfordern“, warnt Brötel und zitiert den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck mit den Worten „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich.“ Für den Präsidenten des Landkreistages sind Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität die vier Säulen, auf die die künftige Migrationspolitik fußen muss.

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