Am 1. Januar 1993 trat der gebürtige Allgäuer, aufgewachsen in Bad Wörishofen, seinen Dienst bei dem privaten Forstunternehmen an, dessen Verwaltungssitz sich im Schloss Schönstein befindet. Geprägt durch die 1972er-Veröffentlichung des Club of Rome („Die Grenzen des Wachstums“) und sein forstwissenschaftliches Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (Promotion zum Dr. rer. silvestrium) galt Straubingers Hauptaugenmerk von Beginn an der nachhaltigen Entwicklung und dem Schutz des Ökosystems Wald.
Bei allem, was seither folgte, stand für den Forstdirektor das Wir im Vordergrund. Zur vertrauensvollen Einbettung in den Familienbetrieb sei nach und nach das gute Miteinander mit den Menschen in der Region hinzugekommen. Ganz zu schweigen vom Mitarbeiterstab, der an allen drei Standorten (Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Thüringen) aktuell rund 30 Leute umfasst, davon fünf Auszubildende. Nicht ganz ohne Stolz blickt Straubinger zurück: „In den 30 Jahren habe ich rund 100 junge Leute ausgebildet. Allein von den derzeit sieben Waldarbeitern sind vier Eigengewächse.“
Raus aus der Dominanz der reinen Fichtenmonokulturen
Drei Schwerpunkte kennzeichneten seine Arbeit, konkretisiert der Forstdirektor. Zuoberst stehe das Bestreben, den Wald zukunftsfähig zu machen. Den Weg dahin beschreibt Straubinger als „Dreiklang aus Mischung (vier bis sechs Baumarten), altersgemäßer Stufung und Jagd“. Im Nachgang der gewaltigen Winterstürme „Vivian“ und „Wiebke“ (Februar/März 1990) hieß das damals in erster Linie: raus aus der Dominanz der reinen Fichtenmonokulturen. So hat das Haus Hatzfeldt schon vor rund 30 Jahren einen Waldumbau gestartet, der heute angesichts des Klimawandels allerorten gefordert wird. „Allerdings gab es das Wort ,klimaresilient' damals noch gar nicht“, blickt Straubinger zurück.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Erschließung und (Fort-)Entwicklung von Geschäftsfeldern, die unabhängig sind vom Holzmarkt. Schon Straubingers Vorgänger hatte in Mittelhof den Mobilheimpark und den Campingplatz aufgebaut, hinzu kamen weitere Betriebsbereiche wie der Friedwald im Wildenburger Land und die Wildkammer. Nicht zu vergessen die frühzeitige Teilnahme am Ökokonto (Bundesnaturschutzgesetz) und somit die Bereitstellung von Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Heute spielen auch die regenerativen Energien eine Rolle. Und, so Straubinger: „Im Moment wird viel über CO2-Zertifikate diskutiert; die ersten Weichen sind gestellt.“
Bejagung des Rehwildes ist unerlässlich für das forstwirtschaftliche Gedeihen
Mit seinem Ideal des Waldumbaus hat Straubinger auch eine neue Form der Jagd implementiert. Vor allem die intensive Bejagung des Rehwildes sieht er als unerlässlich für das forstwirtschaftliche Gedeihen an. Dieser „Paradigmenwechsel“ sei anfangs nicht ganz geräuschlos über die Bühne gegangen, denn traditionell habe sich die Jagd stark an Trophäen orientiert. Straubinger sagt: „Da musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das war teilweise sehr emotional.“ Der Forstfachmann ist überzeugt: „Der Wald gibt vor, was gejagt wird. In diesem Sinne muss die Jagd ein Dienstleister des Waldbaus sein.“
Auf den rund 7700 Hektar hiesigem Hatzfeldtschen Grundbesitz (hinzu kommt noch einmal die gleiche Fläche in Brandenburg und Thüringen) habe sich die intensive Bejagung mittels Einzel- und Drückjagden, an denen viele Jäger aus der Region beteiligt seien, erfolgreich etabliert, bilanziert Straubinger zufrieden: „Wir brauchen für unsere Jungpflanzen keine Zäune und keine Wuchshüllen.“ Zudem gebe es kaum noch getötete Rehe im Straßenverkehr – laut Straubinger liegt der Anteil an der Gesamtstrecke bei 0,5 Prozent, während es ansonsten im AK-Land eher 20 bis 25 Prozent seien.
Schädlinge und Klimawandel machen dem Wald zu schaffen
Gegenwärtig steht der Wald allgemein vor ganz anderen Herausforderungen. In Zeiten des Klimawandels fühlen sich Schädlinge wohl, wo es ihnen früher zu kalt und zu nass war – ein Beispiel ist der sich stark vermehrende Eichenprachtkäfer. Doch diese Entwicklungen seien nicht unbedingt neu, weiß der 69-Jährige: „Pilzkrankheiten zum Beispiel waren für das Eschen- und Ulmensterben verantwortlich.“
Andererseits treffe diese „dramatische Verschiebung“ seit 2018 auf einen Wald, der nach mehreren Trockenjahren ohnehin stark belastet sei. Straubinger sagt: „Mehr als 80 Prozent der Eichen und Buchen sind geschädigt, bei älteren Bäume sind es gar 100 Prozent. Markante Einzelbäume wie auf Hof Hagdorn oder bei Paffrath sterben ab.“ Das Fazit des Forstexperten fällt sorgenvoll aus: „Ich befürchte, wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere einheimischen Bäume aufgrund der Klimaverschiebung in Bedrängnis geraten.“
Wald ist zugleich Retter und Opfer
Deshalb muss der scheidende Geschäftsführer auch nicht lange nach einer Antwort suchen, wenn er nach einem Wunsch für die Zukunft gefragt wird: „eine vernünftige Lufthygiene“. Als Teil eines gesellschaftlichen Konsens' müsse dies zum Schutz der belebten Natur beitragen. An diesem Punkt sei der Wald zugleich Retter und Opfer, denn er könne Kohlenstoff binden und damit zur Dekarbonisierung beitragen, müsse dafür aber unbedingt vital sein.
Seine persönliche Zukunft sieht Straubinger indes entspannter. Er gehe auch in seiner Freizeit und im Urlaub gerne in den Wald, könne aber auch Städtereisen oder die argentinische Steppe genießen.