DRK plant neue "Sanierungsmaßnahmen": Nur Kinder und Jugendpsychiatrie und MVZ sicher - Neurologie in Kirchen schließt
DRK kündigt neue Einschnitte an: Krankenhaus Altenkirchen blutet weiter aus – Neurologie in Kirchen schließt
Das medizinische Angebot im Krankenhaus Altenkirchen wird bereits zum Monatsende weiter reduziert. Die DRK-Trägergesellschaft Süd-West führt wirtschaftliche Zwänge als Begründung an. Fotos: Markus Kratzer
Markus Kratzer

Diese Nachricht wird rund um Altenkirchen alles andere als Begeisterungsstürme auslösen: Die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, gerade in der Endphase eines Insolvenzverfahrens in Eigenverantwortung, wird ihr medizinisches Leistungsangebot in der Kreisstadt weiter drastisch reduzieren – und das bereits zum Monatsende. In einer ersten Reaktion hat Landrat Peter Enders seinen Gaststatussitz im Aufsichtsrat des Trägers niedergelegt.

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Entsprechende Pläne wurden den verbliebenen Beschäftigten am Mittwochmorgen in einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt. Auch das Krankenhaus in Kirchen bleibt nicht verschont: Hier steht die Neurologie vor der Schließung.

„Kurzfristige Sanierungsmaßnahmen“ nennt die DRK-Trägergesellschaft Süd-West als Dachorganisation das, was Aufsichtsratsvorsitzender Manuel Gonzalez im Interview mit unserer Zeitung bereits am Samstag angedeutet hatte – weitere Einschnitte in das Versorgungsangebot des Hauses am Leuzbacher Weg.

„Nach intensiver Prüfung und Abstimmung im Zuge der Planbestätigung und der Beendigung des Verfahrens hat sich gezeigt, dass weitere Sanierungsmaßnahmen in unserem DRK-Krankenhaus Altenkirchen erforderlich sind. Zu unserem Bedauern ist zu beobachten, dass die Strukturen in Altenkirchen binnen des letzten Jahres sowohl vor als auch nach der Transformation trotz des unermüdlichen Einsatzes aller Beteiligten, insbesondere unserer Mitarbeitenden, nicht hinreichend nachgefragt werden“, so ein Sprecher des Trägers auf Anfrage.

“Nicht kostendeckend„

Das habe zur Folge, dass die Kosten, die mit den vorgehaltenen Strukturen einhergehen, nicht gedeckt würden, führt das DRK wirtschaftliche Gründe für die angekündigten Einschnitte an. „Ohne unser entschiedenes und eiliges Handeln bringen diese Kosten nicht nur unser Haus in Altenkirchen, sondern auch unsere DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz und somit auch die Einrichtungen in Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied in wirtschaftliche Bedrängnis“, heißt es weiter.

Doch was heißt das nun im Detail? Die konkreten Maßnahmen werden laut Träger derzeit noch geprüft und sollen zeitnah bekanntgegeben werden. „Fest steht, dass unsere Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie unsere MVZ-Struktur in Altenkirchen hiervon nicht betroffen sein werden“ so der Sprecher.

Was heißt das für die Beschäftigten? Alle von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sollen bis zum Ende dieser Woche Klarheit über ihre Zukunft haben, betont der Träger. „Wir befinden uns bereits in Gesprächen mit dem Gesamtbetriebsrat und wollen weiterhin allen Fachkräften eine Zukunft in unserem Verbund anbieten“, heißt es aus Mainz.

In enger Abstimmung

Die Trägergesellschaft führt weiter aus, dass man „in enger Abstimmung“ mit den politischen Verantwortlichen, den Rettungsdiensten und den umliegenden Einrichtungen sei, um eine lückenlose Aufrechterhaltung der Versorgung sicherzustellen. „Unser Ziel bleibt es, auch unter diesen schwierigen Bedingungen eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in der Region zu gewährleisten“, so das Statement hierzu.

Die parallel angekündigte Schließung der Neurologie am Krankenhaus in Kirchen, auf deren personelle Engpässe jüngst bereits der Obmann der Kreisärzteschaft, Erik Becker, in einem Rundbrief an die Ärzte im Kreis hingewiesen hatte, kommentiert der Träger so: „Kurzfristig werden wir die die junge, erst im Jahr 2020 etablierte Fachabteilung schließen müssen. Wir bedauern diesen Schritt, doch die wirtschaftlichen Bedingungen zwingen uns zu dieser Maßnahme.“

Der durch die DRK-Trägergesellschaft ausgelöste „Donnerschlag“, den Standort Altenkirchen des Verbundkrankenhauses Altenkirchen-Hachenburg in ein MVZ umzuwandeln, hat zu einem nicht minder lautstarken Echo in der Kreisverwaltung geführt. So hat Landrat Peter Enders mit sofortiger Wirkung seinen Gaststatussitz im Aufsichtsrat der Trägergesellschaft niedergelegt. Zugleich ruft Gesundheitsminister Clemens Hoch aufgerufen, die Versorgungssituation im Kreis Altenkirchen neu zu bewerten.

Enders war laut einer Pressemitteilung aus dem Kreishaus in seinem gerade angetretenen Urlaub über die jüngste Entwicklung informiert worden. „Für mich ist damit eine Grenze überschritten worden, zumal auch aus dem Umfeld des Krankenhauses in Kirchen sehr beunruhigende Nachrichten zu uns durchdringen“, so der Landrat. Er sei einst vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Reiner Kaul gebeten worden, als Gastmitglied ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilzunehmen. Dem sei er gefolgt, und zwar ausschließlich in der Hoffnung, neben einem schnelleren Informationsweg auch durch eigene Vorschläge auf eine bessere Versorgung in der Region hinwirken zu können, so der Landrat.

„Das ist mit den jüngsten Entscheidungen obsolet geworden“, betont Enders und sieht hier „eine gewisse Tradition“. Noch als Abgeordneter in der Opposition habe er regelmäßig Vorschläge zur Strukturverbesserung im Westerwald unterbreitet: „Ausnahmslos alles wurde sowohl vom Land als auch vom Träger ignoriert.“ Noch als beratendes Mitglied im Aufsichtsrat habe er Schwerpunktbildungen für die Standorte Altenkirchen und Hachenburg angeregt – ohne Erfolg.

Enders sieht jetzt Hoch in der Pflicht

Enders erinnert daran, dass Minister Hoch erst vor wenigen Monaten die stationäre Versorgung in der Region als gesichert eingestuft habe. Da sei die Ausgangslage aber noch eine ganz andere gewesen. Der Landrat bittet nunmehr darum, dass die Situation von Mainz aus neu bewertet wird. „Ich lade den Minister gerne zu einem Runden Tisch nach Altenkirchen ein, um mit allen Beteiligten und vor allem auch mit Vertretern der Kreisärzteschaft das weitere Vorgehen zu beraten. Wir brauchen jetzt zeitnah eine klare Perspektive“, fordert der Chef des Kreishauses.

Bis zum Bau des geplanten Westerwaldklinikums dürfe der Kreis Altenkirchen nicht zu einem weißen Fleck in der Krankenhauslandschaft werden, betont er. Es brauche vernünftige Übergangslösungen. „Das DRK muss jetzt Farbe bekennen und die Frage beantworten, ob man sich noch dazu in der Lage sieht, die stationäre Versorgung der Menschen sicherzustellen.“

“Auch Übernahme kein Tabu mehr"

Diese Forderung erhebt der Landrat auch vor dem Hintergrund, dass selbst das Krankenhaus in Kirchen plötzlich in wichtigen Abteilungen nur noch auf Sparflamme läuft. „Vielleicht muss man hier endlich einmal beide Hände über die Landesgrenze reichen und ernsthaft nach Kooperationspartnern suchen. Und wenn es keine andere Alternative gibt, darf auch eine Übernahme kein Tabu mehr sein. Der Erhalt des Standorts muss oberste Priorität haben“, so Enders.

Angesichts der zweifellos dramatischen Entwicklungen hinterfragt Enders auch die Rolle der Beratungsfirmen in dem Sanierungsprozess während des Insolvenzverfahrens. „Hier wurde für exorbitante Summen ein Konzept entwickelt, das die Versorgung im Westerwald – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – nachhaltig sichern sollte. Nunmehr muss man konstatieren, dass sich dieses Konzept in Schall und Rauch aufgelöst hat – zum Nachteil der Beschäftigten und der Bevölkerung. Powerpoint-Präsentationen, Excel-Tabellen und rein theoretisch prognostizierte Patientenströme hatten und haben im Fall der Berater leider nur wenig mit der Realität zu tun“, so ein enttäuschter Enders.

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