Reise in die Vergangenheit
Dorfgeschichten halten Kindheitserinnerungen lebendig
Mit „Zurück in die Kindheit“ stellte Ulrich (Uli) Schneider am Samstagnachmittag sein neues Buch vor. Wertvolle Beiträge dazu lieferten auch Christel Deger (links) und Monika Alhäuser. Nicht anwesend sein konnte Ursula Neumann.
Rolf-Dieter Rötzel

Bücher, die Kindheitserinnerungen in die Gegenwart holen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Da bildet auch das Werk von Ulrich Schneider keine Ausnahme, das sich mit den 1960er-Jahren in Obermörsbach auseinandersetzt.

„Das Alte bewahren und für das Neue aufgeschlossen sein“, unter diesem Leitgedanken befasst sich der weit in der Region bekannte Buchautor und Heimatdichter Ulrich Schneider aus Brunken in seinem neuesten Werk mit Kindheitserinnerungen. In „Zurück in die Kindheit – Obermörsbacher Dorfgeschichten“ wird die Zeit um über sechs Jahrzehnte zurückgedreht. Daraus ergeben sich spannende, reizvolle und unterhaltsame Zeitdokumente, die das damalige Leben in all seinen Facetten im Ort der Kroppacher Schweiz dokumentieren. Die niedergeschriebenen Geschichten und Begebenheiten können ohne Weiteres auf alle Dörfer in der Region übertragen werden, denn dort war es nicht anders. Ein tolles historisches Nachschlagewerk mit Besteller-Eigenschaften. Ja, so war es früher – wenn das auch heute kaum für möglich gehalten wird.

Bei der Vorstellung des 142-seitigen mit zahlreichen Bildern illustrierten Buch im 1960er-Jahre-Ambiente im Kinderhaus „Nisternest“ in Burbach hieß es für die erwartungsvollen Zuhörer, unter ihnen auch Ortsbürgermeister Christian Winter, sich einfach zurücklehnen und den 35-minütigen Ausführungen mit dem besonderen Etwas und humorvollen Anmerkungen von Ulrich Schneider zu lauschen. Hin und wieder huschte den Anwesenden ein Schmunzeln oder Lächeln übers Gesicht; man erinnerte sich an die frühere Zeit. Für die Unterstützung mit der Bereitstellung von Geschichten, Gedichten und Rezepten sprach Schneider einen herzlichen Dank an Monika Alhäuser, Ursula Neumann und Christel Deger aus.

Auch Rezepte werden kredenzt

Das neue Schneider-Highlight ist in sechs Kapitel unterteilt: Dorfgeschichten, Streiche, Dorfgedichte, alte Maschinen und Werkzeuge, fast vergessene Rezepte und Obermörsbacher Platt. „Ich finde es wichtig“, so der Buchautor, „das unsere Dorfgeschichte, unsere Bräuche, Traditionen und das Obermörsbacher Platt bewahrt werden. Denn unsere Muttersprache ist ein Teil unserer Kultur und ein Erbe unserer Ahnen.“

Kaum ein Jahrzehnt habe Deutschland so sehr geprägt wie die 1960er-Jahre. Musikalisch nahmen die Beatles Fahrt auf, Flower-Power, die Friedensbewegung, Schlaghosen, kräftige Modefarben sowie Miniröcke standen in einem besonderen Fokus, Oswald Kolle wurde zum Aufklärer der Nation und, und und … Es waren aufregende, ja wilde Jahre.

„Uns gehörte die Welt“

Und wie war das auf dem Lande, in Obermörsbach? Anfang des besagten Jahrzehnts gab es hier noch keine geteerten Straßen, aus dem Backes duftete es samstags nach frischem Brot und Kuchen, bis zu drei Generationen lebten unter einem Dach. Die Menschen waren von einer schweren körperlichen Arbeit in der Landwirtschaft gekennzeichnet, Hektik und Stress gab es nur selten. „Das manchmal als romantisch bezeichnete ländliche Leben war mit Sicherheit nicht leicht, aber es machte die Menschen zufrieden, und diese Zufriedenheit ist heute vielen Menschen leider abhandengekommen“, so Schneider.

Und wie verbrachten Dorfkinder damals den Alltag? „Wir hatten keine Kommunikationsmöglichkeiten wie heute. Es wurde sich verabredet, und wenn wir aus der Haustüre raus waren, gehörte uns die Welt. Toll war, dass keiner auf uns aufpasste und kontrollierte, unsere Spielplätze waren das Dorf, die Wiesen, Scheunen und die Wälder. Bei Einbruch der Dunkelheit mussten wir zu Hause sein. All diese Freiheiten hatten natürlich ihren Preis. Zu Hause und in der Landwirtschaft mussten auch wir Kinder kräftig mit anpacken.“

Detaillierte Geschichten aus dem Dorf

Die Erinnerungen an die Kinderzeit rundet der Autor mit detaillierten Geschichten aus dem Dorf, den dortigen Veränderungen, der Ausübung von Streichen, Dorfgedichten, der Beschreibung von alten Maschinen und Werkzeugen, alten Rezepten und dem Obermörsbacher Platt mit Übersetzung ins Hochdeutsche ab.

„Zurück in die Kindheit“ ist eine umfassende historische Dokumentation. Es beschreibt Obermörsbach als Heimat, wo man von vertrauten Menschen umgeben ist, sich wohlfühlt und einen gewissen Zauber verspürt. Das Buch kann bei Ulrich Schneider zum Preis von 15 Euro erworben werden. Mail: uli.schneider26@web.de; Telefon: 0152/06405393.

Die Ohren glühten

Ständig hatte der Buchautor Stress mit dem Vater, wenn es darum ging, den nächsten Friseurtermin festzulegen. Der junge Uli versuchte stets mit allen erdenklichen Mitteln und Ausreden, diesen immer wieder hinauszuschieben. Man muss nämlich wissen, der Friseur im Ort war von Beruf Zimmermann. Nun fragt man sich, wie bringt man einen solchen robusten Handwerker mit Haareschneiden in Verbindung. Ganz einfach: Reinhold Schäfer besaß einen mechanischen Haarschneider und betätigte sich nebenberuflich als örtlicher Barbier. Bei schönem Wetter erfolgte der Haarschnitt sonntagmorgens beim „Pitterwällms“ auf der Terrasse; der Kopf wurde dabei fast kahl geschoren – es waren Einheitsfrisuren. Das Schneiden erfolgte von unten nach oben, dabei rupfte und zupfte der Haarschneider unentwegt. Somit kein Vergnügen für die jugendlichen Kunden. Zum Schluss des immer als eine Tortur angesehenen Friseurbesuchs wurde der Kopf mit Meyers Wacholder eingerieben, bis die Ohren glühten. lez

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