Flucht, Asyl, Migration – für die Deutschen bestimmt die Migrationspolitik klar den Bundestagswahlkampf. Fragen werden laut, wie Deutschland künftig mit Asylbewerbern umgehen soll. Viele Menschen sind verunsichert, auch durch den Vorstoß von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz Ende Januar, der sich nach den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg für eine verschärfte Migrationspolitik ausspricht. Der damalige Unions-Antrag kam am 5. Februar durch Stimmen der AfD zur Mehrheit – und sorgte für viel Kritik und Demonstrationen in ganz Deutschland. Die CDU sah sich mit Gegnern, Austritten und Kritik von Altkanzlerin Angela Merkel konfrontiert, es gab aber ebenso Eintritte in die CDU und Stimmen, die das Vorgehen befürworten. Am 7. Februar brachte die Union im Bundestag das „Zustrombegrenzungsgesetz“ zur Abstimmung, dieses Mal erreichte es jedoch trotz der Stimmen der AfD keine Mehrheit. Wir wollen von den Direktkandidaten wissen, wie sie den Vorstoß von Friedrich Merz bewerten – inhaltlich wie auch mit Blick auf die „Brandmauer“?
Asylverfahren und Rückführungen beschleunigen
„Unser Land braucht eine grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik. Der Zuzug ist derzeit zu hoch und für unser Land nicht mehr tragbar. Die CDU steht für eine strikte Begrenzung der Migration und setzt konsequent auf wirksame Maßnahmen. Wir kontrollieren die deutschen Staatsgrenzen und führen Zurückweisungen durch, um wieder selbst zu entscheiden, wer zu uns kommt und wer bleiben darf“, antwortet Ellen Demuth (CDU) auf die Frage. Ebenso sollen Asylverfahren und Rückführungen beschleunigt werden, sowie weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft und Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan wieder aufgenommen werden. Die Christdemokraten möchten den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen und freiwillige Aufnahmeprogramme beenden. Künftig sollen laut Demuth Sozialleistungen für Ausreisepflichtige nach dem Grundsatz „Bett, Brot und Seife“ ausgerichtet werden, auch die Bezahlkarte soll eingeführt werden.
Bewusste Schädigung der Brandmauer
Jan Hellinghausen (SPD) kritisiert klar das Vorgehen von Merz: „Friedrich Merz hat mit seinem Vorgehen am 29. Januar die Büchse der Pandora geöffnet. Bisher galt auf der Bundesebene seit Bestehen der Bundesrepublik der Grundsatz, keine gemeinsame Sache mit Rechtsextremen zu machen – eben eine ’Brandmauer’ gegen den Extremismus. Diese Brandmauer wurde am 29. Januar aus wahltaktischen Gründen bewusst beschädigt, denn der behandelte Entschließungsantrag ist rechtlich nicht verbindlich und damit reine Symbolpolitik, die dem Problem nicht gerecht wird“, so der Direktkandidat der Sozialdemokraten. Er verweist darauf, dass die demokratischen Fraktionen nun inhaltlich eine Lösung finden müssen, „die bisher nicht aktiv genug gesucht wurde“. Das Vorgehen von Merz habe vielmehr „eine ’Basta’-Entscheidung à la Trump herbeigeführt, die an österreichische Verhältnisse erinnert und letztlich den Feinden der Demokratie in die Hände spielt.“ Hellinghausen betont, dass die SPD in der Sache klar sei und schnellere Verfahren, konsequente Rückführungen, aber auch Integration für Schutzbedürftige fordere. „Wir stehen für Lösungen, nicht für Populismus auf Kosten von Grundwerten“, so Hellinghausen.
Kommunen müssen besser unterstützt werden
Ebenso kritisch bewertet Thorben Thieme (Bündnis 90/Die Grünen) die Geschehnisse im Bundestag. So haben die Abstimmungen der letzten Woche gezeigt, dass CDU und FDP nicht nur bereit seien, mit Rechtsextremen zu paktieren, sondern auch, dass sie gezielt Mehrheiten mit der AfD anstreben. „Sie spielen mit dem Feuer unserer Demokratie und ignorieren Verfassung und Europarecht. Vielmehr brauchen wir aber eine pragmatische und humane Migrationspolitik, die Herausforderungen ehrlich benennt und zugleich Lösungen bietet“, findet Thieme. Schritte seien hierbei, dass die Kommunen bei der Aufnahme und Integration besser unterstützt werden, legale Einwanderungswege für Fachkräfte geschaffen und das Grundrecht auf Asyl geschützt werde. „Zugleich setzen wir auf schnellere Verfahren, einen besseren Vollzug und eine gerechte europäische Verteilung. Integration gelingt durch Sprachkurse, Arbeitsmarktzugang und gesellschaftliche Teilhabe – nicht durch populistische Scheindebatten. Für uns GRÜNE steht der Mensch in seiner Freiheit und Würde im Mittelpunkt – jegliche Zusammenarbeit mit Rechtsextremen verbietet sich daher von selbst“, so Thieme.
Einwanderung in Arbeitsmarkt, nicht ins Sozialsystem
„Ich bin überzeugt, Probleme im Zusammenhang mit irregulärer Migration müssen von Demokraten benannt und gelöst werden. Als FDP-Fraktion haben wir in der vergangenen Sitzungswoche alles versucht, um eine Lösung aus der demokratischen Mitte zu erreichen. Es gab keinerlei Gespräche oder gar Zusammenarbeit mit der AfD. Die FDP will geordnete Migration nach klaren Regeln, die konsequent durchgesetzt werden“, antwortet Sandra Weeser (FDP) auf die Frage. Aus diesem Grund habe die FDP-Fraktion nun einen erneuten Vorschlag für die Änderungen der Migrations- und Asylpolitik eingebracht, dazu sollen die Inhalte des im Bundestag gescheiterten Zustrombegrenzungsgesetzes in das Gesetz für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems überführt werden. „Wir benötigen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme und wir müssen unsere humanitäre Verantwortung an unseren realen Möglichkeiten in den Kommunen ausrichten. Nur so lässt sich die gesellschaftliche Akzeptanz für Einwanderung erhalten“, ist Weeser überzeugt.
Forderung nach sach- und fachgerechter Debatte
Julia Eudenbach (Die Linke) positioniert sich klar: „Für mich ist die Brandmauer seitens der CDU gefallen. Die CDU hat sich populistisch, mithilfe der AfD, bezüglich der Abstimmung gezeigt. Der Vorfall in Aschaffenburg wird populistisch, hinsichtlich der Migrationsfrage, ausgeschlachtet.“ Die Direktkandidatin der Linken betont, dass für sie dieses „Gehabe der Schrei nach Macht ist“ und weniger ein wirkungsvoller Ansatz ist, die wichtigen Fragen in der Debatte zu klären. Sie fordert, dass die Migrationsdebatte sach- und fachgerecht geführt werden sollte. Laut Eudenbach seien aktuell die rechtlichen Bedingungen für die Forderungen der CDU gar nicht gegeben.
Kriminalität darf nicht geduldet werden
Direktkandidatin Nalan Özcan (BSW) sieht Deutschland zunehmend überfordert – „das Land verliert die Kontrolle darüber, wer bei uns lebt“, so Özcan. Mit Recht macht das vielen Menschen Sorge. Özcan hebt aber auch hervor, dass Migration eine Bereicherung sei, die allermeisten Menschen mit Migrationshintergrund werden in keiner Weise negativ auffällig. Aber sie stellt auch klar: „Kriminalität und insbesondere Gewalt, dürfen wir nicht tolerieren: Wer das Gastrecht missbraucht, hat das Gastrecht verwirkt. Verfahren müssen gestrafft und Ausreiseanordnungen durchgesetzt werden – nötigenfalls auch mit Abschiebegewahrsam. Wer aus sicheren Drittstaaten kommt, hat bei uns kein Asylrecht.“ Sie fordert einen EU-weiten Verteilmechanismus, damit das nicht zur Überforderung der Nachbarländer führt. „Ich halte es für falsch, wenn die CDU einen Antrag in den Bundestag einbringt, der absehbar nur mit den Stimmen der AfD beschlossen werden kann. Duldung ist eine Form der Zusammenarbeit. Deswegen hat das BSW dies auch nicht getan. Aber ein inhaltlich richtiger Antrag wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen – sonst wäre der Bundestag erpressbar“, so Özcan.
Mitarbeiter in Asyl- und Flüchtlingsbereichen anpassen
Carsten Zeuch (Freie Wähler) äußert sich direkt zum Vorstoß von Friedrich Merz: „In erster Linie muss ich sagen, wir sind bunt. Seinen Vorstoß halte ich zu diesem Zeitpunkt für reines Kalkül und unangebracht. Austausch statt Angriff wäre besser gewesen. Es zeigte, dass die Demokratie ein Stück weit gelitten hat. Das Thema ist auch ein Spagat zwischen Härte und Empathie“, so Zeuch. Er fordert, dass die Zahl der bearbeitenden Mitarbeiter im Asyl – und Flüchtlingsbereich endlich dem Bedarf angepasst werden sollte. Auch ausländische Fachabschlüsse sollten schneller anerkannt werden und gegebenenfalls durch kurze, kostengünstige Nachschulung angeglichen werden. „Das sind wichtige Dinge, die passieren müssen, dann gibt es noch mehr Integration. Die gelungene Integration ist ein wichtiger Bestandteil, um auch in Zukunft der AfD zu beweisen, ’jeder ist wichtig’. Wir müssen aber auch wieder zu ’Fördern und Fordern’ zurück“, fordert der Direktkandidat der Freie Wähler. Er findet, dass es tragisch ist, was teilweise passiert, jedoch müssen die Rahmenbedingungen für eine konsequente Strafverfolgung in Deutschland geändert werden. „Die Brandmauer hat auf jeden Fall Löcher bekommen“, findet Zeuch.