Seine zweitägige Landestagung hatte der Landesverband des Weissen Rings Rheinland-Pfalz im Westerwaldtreff in Oberlahr abgehalten. Nach einem interessanten ersten Tag, an dem es zum Beispiel einen spannenden Vortrag von der Beauftragten für Fragen zu sexuellem Kindesmissbrauch, Kerstin Claus, gab, stand der zweite Tag ganz im Zeichen der Arbeit des Vereins. Dazu hatte die Vorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler einige Zahlen, Daten und Fakten im Gepäck, die sie den vielen ehrenamtlichen Mitgliedern vorstellte. 2683 Mitglieder hat der Weisse Ring in Rheinland-Pfalz, dazu 128 weibliche und 80 männliche Ehrenamtler, ohne die die so wichtige Opferschutzarbeit des Vereins gar nicht möglich wäre. 27 Außenstellen gibt es im Land, an die sich Betroffene niedrigschwellig und ohne große Bürokratie wenden können.
Die Statistik zeigt, dass die Fälle zunehmen. So hat der Landesverband allein in 2024 insgesamt 445 Fälle von Körperverletzung bearbeitet. Davon falle ein Fünftel in den Bereich Häusliche Gewalt, so Bätzing-Lichtenthäler. 301 Opfer aus dem Bereich Sexualdelikte wurden betreut, der restliche Kuchen teilt sich auf nach Stalking (116 Fälle), Tötungsdelikten (54), Diebstahl (50), Raub (28), Straftaten gegen die persönliche Freiheit (40) sowie Betrug (73). Auch der Bereich der digitalen Kriminalität habe die Fallzahlen nach oben schnellen lassen. So geht es nun auch um Online-Mobbing, Love-Scamming (das, was früher der Heiratsschwindler war) oder auch Cybergrooming (wenn Kinder oder Jugendliche online von Erwachsenen manipuliert werden mit dem Ziel, eine Straftat zu begehen, meist sexuell motiviert).
„Die Generation Eduard Zimmermann stirbt aus.“
Die Landesvorsitzende des Weissen Rings, Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Hier versucht der Weisse Ring, vor allem mit Präventionsarbeit entgegenzuwirken. Doch Schulen und andere Einrichtungen wären immer noch sehr verhalten, von sich aus proaktiv auf den Weissen Ring zuzugehen, weiß Gabi Jahnen. Meist sei das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn der Weisse Ring dazukomme. Dabei haben sowohl Landes- als auch Bundesverband gute Angebote für alle Zielgruppen und alle Altersstufen. Auch hier sei der Weisse Ring einzigartig, weil er sich für alle Opfer von Gewalt und Straftaten einsetze.
Während also genug zu tun ist, muss sich der komplett von Ehrenamtlern getragene Verein allerdings sorgen, denn parallel zu den gestiegenen Fallzahlen, nimmt die Zahl der Mitarbeiter und der Mitglieder ab. Damit hat Bätzing-Lichtenthäler auch eine große Sorge angesprochen, denn der Verein, der im kommenden Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, hat Nachwuchssorgen. Und auch an öffentlicher Bekanntheit mangelt es etwas. Viele wüssten heute nicht mehr unbedingt, was Ziel des Weissen RIngs sei. „Die Generation Eduard Zimmermann stirbt aus“, so die Vorsitzende.

Um dem entgegenzuwirken, setzen Bätzing-Lichtenthäler, die seit drei Jahren Landesvorsitzende ist, und ihre beiden Stellvertreter Gabi Jahnen und Gerhard Mainzer, unter anderem auf Kooperationsverträge. So gibt es bereits einen solchen mit dem Landessportbund, mit der vom Fußballbundesligisten Mainz 05 ins Leben gerufenen Initiative 05 Klassenzimmer und seit diesem Wochenende auch mit dem Sozialministerium und dem Landesamt für Jugend und Versorgung. Wobei diese Kooperation nicht wirklich neu ist – bereits 2011 hatte man ein solches Schriftstück aufgesetzt für eine engere Vernetzung – doch nun wurde der Wille, beim Thema Opferschutz wirklich Hand in Hand zu arbeiten, durch die erneute Unterzeichnung noch einmal bekräftigt. Dafür war auch Sozialministerin Dörte Schall sowie Heike Gorißen-Syrbe, die Präsidentin des Landesamtes nach Oberlahr gekommen, die diese Vereinbarung mit unterzeichneten.
Damit solle zum einen der Bekanntheitsgrad des Vereins vergrößert werden, zum anderen wolle man so deutlich den Willen bekräftigen, unbürokratisch zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu informieren. Diese Kooperation sei eine große Wertschätzung für das Ehrenamt und die Möglichkeit, sich mit festen Ansprechpartnern auszutauschen. Das mache die Arbeit für beide Seiten leichter. „Wir wissen das sehr zu schätzen“, bekräftigte Bätzing-Lichthentäler nach der Unterzeichnung.

Wie wichtig der Austausch und auch die Anerkennung für die vielen Stunden im Ehrenamt für die Mitarbeiter sind, das zeigten solche Tagungen, aber auch die vom Verein angebotenen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, erläuterte die Vorsitzende. Entsprechend war es auch der Bundesvorsitzenden Barbara Riechstein ein Bedürfnis, an der Landestagung teilzunehmen. Sie stellte die Arbeit des Bundesverbandes vor, bekräftigte aber auch noch einmal für alle Anwesenden, dass jederzeit Hilfe eingefordert werden könne, etwa, wenn in einer Geschäftsstelle keine Nachfolge für die Leitung zu finden sei.
Hier zeige sich, dass der Verein sich dringend noch breiter aufstellen und auch andere Wege gehen müsse. So wären auch Doppelspitzen bei der Leitung denkbar. Zudem müsse mehr Nachwuchs gewonnen werden. Ein guter Schritt hierfür sei die Kooperation mit der Hochschule der Polizei. Immerhin hat der Landesverband so bereits gut 30 Ehrenamtliche unter 35 für sich gewinnen können. Das Problem seien die Mittelalten, die oft durch Kinder, aber auch die Pflege der Elterngeneration und den Beruf so belastet seien, dass sie sich nicht noch zusätzlich ein Ehrenamt „ans Bein binden“ wollten. Hier konnte Bätzing-Lichtenthäler aber beruhigen. Anders, als bei anderen Vereinen, sei die Mitarbeit beim Weissen Ring sehr flexibel zu gestalten und könne so um den turbulenten Alltag passend herumgebastelt werden.
Der Weisse Ring
Seit 49 Jahren gibt es den Weissen Ring. Der Verein wurde 1976 in Deutschland unter anderem von dem Fernsehjournalisten Eduard Zimmermann in Mainz gegründet, wo er seinen Sitz hat. Der Verein hat in Deutschland etwa 3000 ehrenamtliche Helfer und 45.000 Mitglieder. Es sind 400 Außenstellen in 18 Landesverbänden eingerichtet. Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Stiftungen, Nachlässe sowie Zuweisungen von Geldbußen. Er nimmt keine öffentlichen Zuschüsse in Anspruch. Bei der diesjährigen Landestagung wurden für 15 Jahre ehrenamtliche Mitarbeit Gabi Jahnen (Außenstelle Cochem Zell), Elisabeth Schmitt (Außenstelle Cochen Zell) sowie Gerhard Sebastian (Außenstelle Ahrweiler) geehrt.