Gefasst, fast so, als ob es ihn gar nichts angehe, hört Stefan V. (alle abgekürzten Namen von der Redaktion geändert) das Urteil. Am sechsten Verhandlungstag hat die 14. Strafkammer am Landgericht Koblenz den 45-jährigen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der Vorsitzende Richter Rupert Stehlin folgte mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte zuvor auf Freispruch plädiert. Sie kündigte noch im Gerichtssaal an, Revision einlegen zu wollen.
Für das Gericht gab es keinen Zweifel, dass der Beschuldigte am 8. Juli 2024 in einem kleinen Dorf in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld seinen Mitbewohner Gerhard D. durch einen Messerstich in den Oberschenkel, der eine Beinvene öffnete, so verletzt hatte, dass der 74-Jährige verblutete. Aus Eifersucht – V. war davon ausgegangen, dass D. eine sexuelle Beziehung mit seiner damaligen Lebensgefährtin Birgit M. gehabt hatte. Eine Annahme, die sich im Laufe der Verhandlung durch keine einzige Zeugenaussage untermauern ließ.
Opfer hatte Angst vor dem Angeklagten
„Die Kammer geht in der Gesamtschau von der Täterschaft aus.“ Diesen Satz stellte Stehlin an den Beginn seiner mündlichen Urteilsbegründung. Die eingebildete Eifersucht sei hier eindeutig als Tatmotiv zu betrachten – anders als bei seiner Ex-Freundin, die von V. in der Verhandlung belastet wurde. Auch die Aussage mehrerer Zeugen, dass das Opfer Angst vor dem Angeklagten gehabt habe und die Tatsache, dass V. eingeräumt habe, Gewalt gegenüber D. angewandt und dabei auch ein Messer eingesetzt zu haben, bestärkten die Kammer in der Urteilsfindung.
Der Schilderung von Birgit M. im Zeugenstand kam bei der Urteilsfindung und der Festsetzung des Strafmaßes eine entscheidende Bedeutung zu, wie Stehlin bestätigte. Ihre Aussage sei im Kern glaubhaft gewesen und hätte auch dem entsprochen, was sie nach anfänglichen Widersprüchen bei der Vernehmung durch die Polizei zu Protokoll gegeben habe. Konkret hatte M. ausgesagt, sie habe im vergangenen Juli ihren Ex-Freund am Tattag mit einem Messer in der Hand aus der Wohnung des Opfers kommen sehen. V. habe dabei erschrocken gewirkt. „Sie hat den Angeklagten damit eher ent- als belastet“, so der Vorsitzende Richter. Das habe ihm das „Lebenslang“ erspart, weil die Tat so nicht von niederen Beweggründen getragen gewesen sei – was ein Mordmerkmal erfüllt hätte.
„Wir sind davon überzeugt, dass die Faustschläge und Stiche bei einer Gelegenheit stattgefunden haben.“
Der Vorsitzende Richter Rupert Stehlin bei der Urteilsbegründung
Der Verurteilte habe zwar die Möglichkeit in Kauf genommen, sein Gegenüber zu verletzten, ein Tötungsvorsatz sei damit aber nicht verbunden gewesen. „Jemandem einen Denkzettel zu verpassen, ist in die Zukunft gerichtet“, argumentierte Stehlin. Was V. letztlich angerichtet habe, sei ihm erst nach der Tat so richtig bewusst geworden. Anders als die Staatsanwaltschaft geht das Gericht aber nicht davon aus, dass es sich um ein gestaffeltes Geschehen in dem Haus im Altenkirchener Land gehandelt hat. V. hatte ausgesagt, D. zunächst verprügelt zu haben, danach in seine Wohnung zurückgekehrt und erst dann mit einem Messer wieder zu seinem Mitbewohner gegangen zu sein. „Wir sind davon überzeugt, dass die Faustschläge und Stiche bei einer Gelegenheit stattgefunden haben“, so der Vorsitzende.
Auch mit Blick auf eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit oder eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit konnte das Gericht nichts Entlastendes für den Beschuldigten ausmachen – ähnlich wie der Gutachter Gerhard Buchholz in seiner ausführlichen Expertise zuvor. Die in den 2010er-Jahren bei einem Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt Wittlich diagnostizierte paranoide Schizophrenie habe im vergangenen Sommer keine Rolle gespielt, ebenso wenig eine krankhafte seelische Störung oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Auch das Verhalten des Angeklagten nach der Tat sei „gesteuert“ gewesen, „eine Psychose hat sich nicht Bahn gebrochen“, ergänzte Stehlin. Auch von einer „Intelligenzminderung“, wie es in der Juristensprache heißt, könne das Gericht nicht ausgehen.
Langes Vorstrafenregister
Was hat die Kammer nun insgesamt bewogen, eine achtjährige Freiheitsstrafe für den Angeklagten, der seit Ende November 2024 in Haft sitzt, zu verhängen. Der Strafrahmen für Körperverletzung mit Todesfolge bewegt sich laut Stehlin zwischen 3 und 15 Jahren. Entlastend stufte der Vorsitzende im konkreten Fall das Teilgeständnis des Angeklagten ein, der auch den Griff zum Messer zugegeben habe. Negativ schlug das Vorstrafenregister des 45-Jährigen zu Buche, das auch Gewaltdelikte beinhaltet. „Hier handelt es sich um ein klares Missverhältnis zwischen dem Eifersuchtsmotiv und der Massivität der Vorgehensweise“, so der Richter abschließend.
Binnen einer Woche können der Verurteilte oder sein Verteidiger Revision einlegen, was Jörg Weißgerber bereits ankündigte, bevor sich die Tür des Sitzungssaals schloss. Die Begründung ließ der Altenkirchener Rechtsanwalt noch offen. „Dazu muss mir erst das Urteil schriftlich vorliegen“, sagte er auf Nachfrage.