Am Vorabend habe die SPD Bernd Brato zumindest im Rahmen einer Fraktionssitzung gewürdigt, so Bernd Becker, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, in der jüngsten Sitzung des Verbandsgemeinderats Betzdorf-Gebhardshain. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde hatte Anfang des Jahres bekannt gegeben, zum 1. April vorzeitig den Ruhestand anzutreten. Offizielle Verabschiedungen gab es keine – was an dem Anlass für den vorzeitigen Rückzug von Brato, der Ende des Jahres regulär aus dem Amt geschieden wäre, lag. Nun ging es in der jüngsten Zusammenkunft des Verbandsgemeinderats Betzdorf-Gebhardshain wieder um den in der Öffentlichkeit als Affäre behandelten Fall: der Beamte, der auf Bratos Weisung hin fünf Jahre im Homeoffice fürs Nichtstun voll bezahlt worden sein soll.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Brato und seinen Büroleiter Christoph Weber wegen des Verdachts der Untreue. Unabhängig davon hatte der Rat Ende Januar einstimmig die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei zur Geltendmachung der Forderungen gegen den ehemaligen Bürgermeister beschlossen. Grundlage ist die Anordnungsverfügung der Kommunalaufsicht. Rund 600.000 Euro an Schaden ist demnach entstanden. Einstimmig beschloss der Rat, der Rechtsanwaltskanzlei Pauka & Link aus Bonn den Zuschlag zu geben. Die Sozietät ist vor allem auf Schadensersatzrecht spezialisiert, wie der Erste Beigeordnete Joachim Brenner (CDU) erklärte. Die Sozietät könne aufgrund ihrer Größe auch die rechtsanwaltliche Begleitung der als Zeugen geladenen Verwaltungsmitarbeiter gewährleisten, heißt es zudem weiter in der Sitzungsvorlage.
Brenner: Kommunalaufsicht hat klare Vorgaben gemacht
Brenner stellte zudem klar: Der Rat habe nicht über die in der Anordnungsverfügung aufgestellte Forderung über rund 600.000 Euro zu entscheiden. Die Kommunalaufsicht habe darin anhand von Kriterien die Schadenssumme festgelegt. Nun würden diese im Rahmen des Verfahrens geprüft. Der hauptamtliche Beigeordnete, der zur Kommunalwahl am 9. Juni als einziger Kandidat für die Brato-Nachfolge antritt, erinnerte zudem daran, dass der Verbandsgemeinderat nicht selbst beschlossen hat, die streitige Forderung einzufordern, sondern die Verfügung der Kommunalaufsicht zur Kenntnis genommen hat. Hinsichtlich der staatsanwaltlichen Ermittlungen betonte Brenner daneben, dass es bei der Einforderung der Summe nicht um eine Vorverurteilung gehe.
„Die Entscheidung hat der Kreis getroffen, nicht wir hier am Tisch“, sagte Brenner mit Blick auf die Anordnungsverfügung, die der Rat am 25. Januar zur Kenntnis genommen habe. Die Kanzlei erarbeite nun anhand der von der Kommunalaufsicht festgelegten Leitplanken die Grundlagen für den Verfahrenseintritt. Bernd Becker betonte dann auch: „Wir beauftragen eine juristische Vertretung und kein Inkassobüro.“
SPD relativiert Schadenssumme über 600.000
Wie auch die anderen Fraktionen befürwortete er die Beauftragung einer Kanzlei. „Die Beauftragung eines Rechtsanwaltsbüros sollte sich also auf die umfassende Prüfung des Sachverhalts beziehen“, so der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Um welche Fragen geht es hier aus seiner Sicht? Die von dem Beamten erbrachte Leistung sei nicht die Voraussetzung für eine Bezahlung, da sie den Grundsätzen des Beamtenrechts folge und nicht des Arbeitsrechts. Beckers Schlussfolgerung: Selbst wenn der betroffene Beamte in den Ruhestand versetzt worden wäre, wären Pensionszahlungen verursacht worden, und die Schadenshöhe, die von der Kommunalaufsicht festgestellt wurde, würde sich stark relativieren.
Und: „Dass in der Berechnung der Kommunalaufsicht sogar Beihilfeleistungen inkludiert sind, erscheint nicht auf Anhieb logisch.“ Zwar hat Brato auch aus Sicht von Becker vorsätzlich, also bewusst, gehandelt, doch müsse sich die Schuldform vor allem auf einen Vermögensschaden als Folge der Personalmaßnahme beziehen. Hier spielen Fragen der Verantwortung, des Ausmaßes der Fahrlässigkeit und der Zumutbarkeit im Lichte der Gesamtwürdigung der Person des Bürgermeisters – auch über den konkreten Sachverhalt hinaus – eine Rolle.
Hier spielen Fragen der Verantwortung, des Ausmaßes der Fahrlässigkeit und der Zumutbarkeit im Lichte der Gesamtwürdigung der Person des Bürgermeisters – auch über den konkreten Sachverhalt hinaus – eine Rolle.
Bernd Becker (SPD) über Beurteilungskriterien zur Höhe der einzufordernden Schadenssummne.
Becker stellte in den Raum: „Gab es überhaupt einen Schaden, und wenn ja, hätte der Bürgermeister diesen bei erwartbarer Sorgfalt erkennen müssen?“ Wenn Antworten hier für Brato negativ ausfielen, stelle sich die Frage nach der Höhe der in Regress zu nehmenden Summe. „Hier spielen Fragen der Verantwortung, des Ausmaßes der Fahrlässigkeit und der Zumutbarkeit im Lichte der Gesamtwürdigung der Person des Bürgermeisters – auch über den konkreten Sachverhalt hinaus – eine Rolle“, so Becker. 17 Jahre Amtszeit seien zu beurteilen und in die Waagschale zu werfen. An zahllosen Beispielen, wie etwa der Breitband- oder Energieversorgung, könne festgemacht werden, dass die entschlossene und praxisbezogene Amtsführung des Bürgermeisters zu Einsparungen für die Verwaltung und die Bürger geführt habe.
Beckers Schlussfolgerung: „Selbst wenn man die Höhe des Schadens, wie von der Kommunalaufsicht beziffert, für gegeben hält, ist die im Wege des Regresses einzufordernde Summe auf ein Maß zu limitieren, das den Gesamtumständen entspricht und keinesfalls existenzvernichtend sein darf.“ Folglich gäben beispielsweise die aus dem Arbeitsrecht abzuleitenden drei Monatsgehälter oder das aus dem Beamtenrecht abzuleitende Jahresgehalt Anhaltspunkte für eine sachgerechte Lösung.
Wurde Brato falsch beraten?
Zuvor hatte Becker gesagt, dass man es mit einem nahezu typischen Fall von geteilter Verantwortung zu tun habe. So hätte der Beamte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen seine Arbeitsbefreiung demonstrieren müssen. Daneben richtete der Fensdorfer den Fokus auf Christoph Weber. Als büroleitender Beamter oblägen ihm – neben der Endverantwortung des Bürgermeisters – in erster Linie die mit der Personalführung zusammenhängenden Aufgaben. Inwieweit an dieser Stelle richtig, falsch oder in zu geringer Intensität beraten wurde, sei offen.
„Dem Vernehmen nach hat der Bürgermeister seinerzeit – in der Phase der Fusionierung – weitere Beamte in die Entscheidungsfindung einbezogen. Ein Umstand, der sicher bei der juristischen Bewertung eine Rolle spielen wird, aber wohl nichts an seiner Endverantwortung ändert“, so Becker. Hier werde es auch um das Ausmaß der Fahrlässigkeit, die Brato an den Tag gelegt hat, gehen. Offenbar sei der Bürgermeister der Auffassung gewesen, dass die Ausklammerung des Beamten aus dem Dienstbetrieb für die Arbeitsabläufe in seiner Behörde die beste Lösung sei. „Dass diese Annahme falsch war und der Beamte vielmehr mit beamten- und disziplinarrechtlichen Mitteln zur Arbeit hätte angehalten werden müssen, liegt auf der Hand“, so Becker. Allerdings müsse die Frage geklärt werden, ob der Bürgermeister grob fahrlässig handelte, also vor dem Hintergrund des Alimentationsprinzips auch habe annehmen müssen, dass seiner Behörde ein Schaden entstehe.
Trifft am Ende Gericht die Entscheidung?
Folgt man seinen Ausführungen, aber auch denen des FWG-Fraktionssprechers Peter Schwan, wird es am Ende wahrscheinlich auf eine Verhandlung hinauslaufen. „Wir entscheiden letztlich nicht über die Höhe, das machen die Gerichte“, so Schwan. Auch Bernd Becker denkt, dass dieser Schritt kommen wird – sagte aber auch: „Wir werden irgendwann vor Gericht gehen und ein anderes Ergebnis haben als beim Reingehen.“