Ordnungsämter sehen Anstieg der Fallzahlen, in denen sie für die Bestattung einsamer Menschen aufkommen müssen
Beerdigungskosten: Wer zahlt, wenn nach dem Tod keiner da ist?

Die Gründe sind vielfältig: Der demografische Wandel, die zunehmende Vereinsamung im Alter, Altersarmut und ein genereller Wertewandel: Immer öfter stehen die Verbandsgemeinden deshalb vor dem Problem, dass Menschen sterben und keiner für das Begräbnis aufkommen will.

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Am Ende eines Lebensweges kann es einsam sein: Wenn alte Menschen keine Angehörigen mehr haben oder aber die Angehörigen nicht in der Lage oder willens sind, für die Bestattung aufzukommen, dann müssen die Ordnungsämter der Verbandsgemeinden einspringen.

Denn nach der Gefahrenschutzverordnung muss ein Leichnam binnen einer Woche bestattet werden. Die RZ hat sich bei den Ordnungsämtern im Kreis Altenkirchen umgehört:

Wolfgang Märker von der VG Daaden-Herdorf ist schon sehr lange dabei und hat definitiv festgestellt, dass sich die Fallzahlen häufen. „Früher war es den Menschen eine Ehre, die Angehörigen angemessen zu bestatten; heute ist das oft nicht mehr der Fall.“ In den vergangenen fünf Jahren fanden im Bereich der VG Daaden (alt) vier ordnungsbehördliche Bestattungen statt, sowie ein Fall in der Stadt Herdorf. In zwei Fällen konnte eine Kostenerstattung erfolgen; bei den übrigen Fällen erfolgten Erbausschlagungen. Die bei der Verbandsgemeinde verbliebenen Kosten beliefen sich auf insgesamt rund 5000 Euro. „Ganz früher war nur in außerordentlich wenigen Fällen ein Eingreifen der Ordnungsbehörde erforderlich. Die geänderte Bestattungskultur, die sich auch in der Zahl der Wiesengrabstätten widerspiegelt, aber auch gestiegenes Anspruchsdenken gegenüber dem ,Staat' – und damit auch Kommunalbehörden – hat sicher auch bei dem Thema eine nachlassende Solidarität im Familienverband zur Folge“, so Märker, der zudem ein Problem darin sieht, dass vor einigen Jahren das Sterbegeld der Krankenkassen abgeschafft wurde, was heute indirekt dazu führe, dass die Kommunen die Kosten übernehmen müssen.

Volker Schütz vom Ordnungsamt der VG Altenkirchen weiß Ähnliches zu berichten: „Festzustellen ist, dass die sozialen und familiären Kontakte scheinbar abnehmen beziehungsweise verflachen. Ein Sohn erwiderte zum Beispiel einmal auf die telefonische Nachricht, dass sein Vater verstorben sei: ,Na, und?'“ Schütz erläutert die aktuelle Lage weiter: Die Fälle haben sich gehäuft, in denen keine Angehörigen die Bestattung beauftragt haben, beziehungsweise keine vorhanden waren. Seit 2014 hatte die VG Altenkirchen 22 Fälle. Die Bruttokosten hierfür betrugen 23.000 Euro, die Nettobelastung der VG lag bei etwa 3000 Euro. Die Einnahmen von rund 20.000 Euro stammen aus Forderungen gegenüber Angehörigen, Erstattungen von Banken, Sterbeversicherungen, Vereinnahmung der Barmittel der Verstorbenen, Erstattungen des Sozialamtes, wenn Angehörige dort einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe stellen oder der Verwertung von Wertsachen. „Durch Recherche beziehungsweise Ermittlungen konnten für elf der hier gemeldeten ,unbeauftragten Bestattungsfälle' Angehörige/Verwandte/Freunde ermittelt werden, welche dann die Bestattung in Auftrag gegeben haben. Von 2014 bis 2018 wurden somit 33 Fälle hier gemeldet, von denen 22 Bestattungen durch uns beauftragt werden mussten. Dabei ist zu bedenken, dass sich neben dem Krankenhaus auch drei Seniorenheime in unserem räumlichen Zuständigkeitsbereich befinden.“

Sebastian Lippert vom Ordnungsamt der VG Kirchen hat noch erschreckendere Zahlen zur Hand: „Von 49 Bestattungsfällen, in denen die VG Kirchen in den vergangenen fünf Jahren tätig werden musste, konnte in 17 Fällen keine Kostenerstattung erfolgen. Die Aufwendungen der Verbandsgemeinde betrugen in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 41.541,58 Euro, wovon 27.208,52 Euro der vorgelegten Kosten durch vollstreckbare Leistungsbescheide oder Verwertung des Nachlasses wieder eingenommen werden konnten. Das heißt, knapp 34,5 Prozent der entstandenen Kosten konnten nicht erstattet werden.“ Lippert geht davon aus, dass durch die immer weiter voranschreitende Altersarmut, die Individualisierung der Gesellschaft, die Vereinsamung vieler Menschen im Alter sowie dem demografischen Wandel die Anzahl solcher Fälle in den kommenden Jahren stetig zunehmen wird. „Oftmals ist es schwierig, Angehörige überhaupt ausfindig zu machen. Beim Großteil unserer bearbeiteten Fälle war der/die Verstorbene nicht im Gebiet der VG Kirchen wohnhaft, etwa, weil der-/diejenige im Krankenhaus verstorben ist oder nur sehr kurz hier wohnhaft war (bei Sterbefällen in Alten- und Pflegeheimen). Hier muss dann unter Umständen aufwendig recherchiert werden. Dazu bedienen wir uns der Hilfe der Standesämter und Meldebehörden, telefonieren mit Betreuern, Ortsbürgermeistern oder sogar Nachbarn, um Hinweise über Angehörige zu erlangen. Nicht selten kommt es vor, dass eine solche Nachforschung mehrere Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen kann.“

Je ländlicher die Verbandsgemeinde, desto eher sind solche Fälle (noch) Seltenheit. So kann Frank Diefenthal vom Ordnungsamt der VG Flammersfeld berichten, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich in den vergangenen fünf Jahren zehn Fälle gegeben hat. Die Kosten beliefen sich 2018 auf etwa 4300 Euro, 2017 auf 3500 Euro und 2016 auf 2100 Euro. „Für die Jahre 2015 und 2014 konnten wir die Kosten hinterher decken“, so Diefenthal und fügt an: „Generell erklären sich die unterschiedlichen Kosten damit, dass wir einen Teil der Bestattungskosten aus dem Nachlass der Verstorbenen decken konnten.“

Uwe Steinhauer vom Ordnungsamt der VG Hamm beziffert die Fälle in den vergangenen fünf Jahren auf zwei, bei denen niemand für die Beerdigung eines Verstorbenen aufkommen wollte und die VG eingesprungen ist; er geht aber davon aus, dass diese Fälle mehr werden. 3100 Euro hat es die Verbandsgemeinde gekostet. Es wird der kostengünstigste Weg der Bestattung (Einäscherung und anonyme Beisetzung beim Krematorium) gewählt.

Markus Zimmermann vom Ordnungsamt der VG Betzdorf-Gebhardshain kann sich seinen Vorgängern anschließen. Die Anzahl der Bestattungen ohne Angehörigen sind unterschiedlich. „Im Jahr 2013 hatten wir in der VG Betzdorf-Gebhardshain fünf Fälle, 2014 und 2015 jeweils nur einen Fall, dann erst wieder 2018 drei Fälle. In diesen fünf Jahren sind Kosten in Höhe von 20.350 Euro angefallen, wobei uns Kosten in Höhe von 13.370 erstattet wurden; 6980 Euro haben wir selbst tragen müssen.

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