Verhandlung gegen acht frühere Führungskräfte und Mitarbeiter hat begonnen - Es geht um Betrug
AWO-Betrugsfälle im Westerwald: Zum Prozessauftakt Geständnisse in Sicht
Schon die Sitzverteilung für die acht Angeklagten und zehn Rechtsanwälte dauerte im Koblenzer Landgericht einige Zeit.
Katrin Maue-Klaeser

Westerwald. Systematisch und jahrelang haben Führungskräfte und Mitarbeiter der Kreisverbände Westerwald und Altenkirchen der Arbeiterwohlfahrt Fördermittel veruntreut (wir berichteten), so die Anklage. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) hat aus den Jahren 2011 bis 2014 insgesamt 1,74 Millionen Euro zurückgefordert. Jetzt hat vor dem Landgericht Koblenz der Prozess gegen acht Angeklagte aus den damaligen beiden Kreisverbänden begonnen.

Rund 90 Minuten nimmt allein das Vortragen der Anklageschrift gegen die fünf Männer und drei Frauen zwischen 43 und 79 Jahren in Anspruch. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft zehn Personen im Visier. Während die Ermittler das Betrugssystem nach und nach aufdeckten, konnten sie acht daran Mitwirkende identifizieren. Gegen den früheren ehrenamtlichen Vorsitzenden des AWO-Kreisverbands Westerwald, Joachim Jösch, wurden die Ermittlungen hingegen Mitte dieses Jahres eingestellt.

Schier unendliche Zahlenkolonnen verliest der Oberstaatsanwalt. Denn das Betrugssystem lief so, dass der KDA gefälschte Teilnehmerlisten für Seminare vorgelegt wurden, um sich die Zuschüsse der Stiftung von 20 Euro pro Tag und Teilnehmer zu erschleichen. Solche Listen wurden durchaus im Wochentakt abgezeichnet.

Je nachdem, wie viele Teilnehmerlisten an einem Tag von einem Angeklagten abgezeichnet wurden und wie viele der angegebenen Teilnehmer fingiert waren, kamen Beträge von 20 bis zu mehreren Tausend Euro zusammen. So hat beispielsweise einer der Angeklagten am 13. November 2013 acht Belege abgezeichnet, auf denen insgesamt 469 Teilnahmebestätigungen gefälscht waren – der Stiftung entstand allein an diesem Tag ein Schaden von 9380 Euro.

Auch als Referenten tauchten einige der Angeklagten auf den Seminarlisten auf, und der jeweilige AWO-Kreisverband kassierte den Zuschuss. Dabei kam es in der Gesamtschau gelegentlich zu absurden Angaben: Ein Angeklagter hatte angegeben, mehr als 1100 Tage als Referent tätig gewesen zu sein – schon rechnerisch binnen drei Jahren praktisch unmöglich.

Angesichts dieses im Kreisverband Altenkirchen entwickelten Betrugsverfahrens, das ein Angeklagter auch im Kreisverband Westerwald einführte – unter anderem, indem er einer Mitarbeiterin mit Entlassung drohte, sollte sie nicht stillschweigen und Unterschriften bei „Mitarbeitern oder Personen, die dem AWO-Kreisverband gewogen waren“ akquirieren – wiegen Beschuldigungen wie Insolvenzbetrug, das Nicht-Bezahlen von Handwerkerrechnungen oder Bürgschaftsbetrug gegenüber der Investitions- und Strukturbank (ISB) deutlich weniger schwer. Doch sie kommen in der Anklageschrift ebenso zur Sprache wie die Unterschlagung von Versicherungsbeiträgen für Mitarbeiter.

Die acht Angeklagten sind mit zehn Anwälten erschienen – die beiden Männer, die die höchsten Positionen in den zwei Kreisverbänden eingenommen hatten, darunter der frühere AWO-Vorsitzende im Kreis Altenkirchen und Ex-SPD-Landtagsabgeordnete Thorsten Wehner, haben jeweils zwei Verteidiger an ihrer Seite. Die Anwälte waren bereits im Rahmen eines Vorgesprächs für ihre Klienten tätig, der Vorsitzende Richter Manfred Bonin trägt den Verständigungsvorschlag vor: Legen die Angeklagten Geständnisse ab – dazu werden sie am nächsten Verhandlungstag am Donnerstag, 25. November, Gelegenheit haben – so dürften sie mit Geld- oder Bewährungsstrafen davonkommen.

Dem mit 116 Einzeltaten am schwersten beschuldigten einstigen Geschäftsführer des AWO-Kreisverbands Westerwald droht mit mindestens eindreiviertel Jahren die höchste Bewährungsstrafe, die zu den Taten gedrängte Mitarbeiterin soll 250 bis 290 Tagessätze zahlen müssen. Für die weiteren sechs Angeklagten stehen Bewährungsstrafen zwischen 9 und 20 Monaten zur Debatte.

Von unserer Redakteurin Katrin Maue-Klaeser

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