Angesichts des Klimawandels, besonders aber, um in der aktuellen geopolitischen Situation unabhängig zu werden von russischem Gas und Öl, sollten die Hemmnisse für den Bau neuer Windkrafträder, heißt es, deutlich reduziert werden. Eine „Luxus-Diskussion“, die als Hauptgegenargument die optische Veränderung der Landschaft nennt, könne sich unser Land nicht mehr leisten – schon gar, weil von den Milliarden, mit denen Deutschland russisches Öl und Gas bezahlt, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine finanziert werde.„Was wir brauchen“, erklärt Straubinger, „ist ein gemeinsames Ziel, ein Leitbild, etwa: Der Kreis Altenkirchen ist in fünf Jahren energieneutral.“
Bislang, so hebt Graf Hatzfeldt hervor, dümpelt das AK-Land in diesem wichtigen Bereich weit hinter seinen Möglichkeiten her. In den vergangenen Jahren sei nur ein einziges weiteres Windrad – bei Friedewald – hinzugekommen. „Dabei können wir doch etwas gegen den Klimawandel und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland tun“, so Hatzfeldt. „Das hätte man auch schon vor mindestens 20 Jahren anpacken können. Aber kaum jemand hat die Zeichen der Zeit erkannt. Wir brauchen heute schnell bessere Rahmenbedingungen, die eine echte Energiewende für Deutschland möglich machen. Und bei uns in den Kommunen kann man den Hebel am besten ansetzen.“
Gesetzlicher Rahmen ist wichtig
Zu dem Termin war auch Stefan Dietl, Prokurist der Altus-AG aus Karlsruhe, nach Wissen gekommen. Seine Firma versucht seit etlichen Jahren, Windräder etwa auf dem Hümmerich und nahe Steeg bei Friesenhagen zu errichten. „Die Verfahren dauern hier an die zehn Jahre“, sagt er, „oft sind die Gutachten, die 100.000 Euro kosten, dann schon überholt und müssen neu erstellt werden. Wir wollen sicher nicht husch-husch damit machen. Alles soll nach Recht und Gesetz laufen. Aber wir wollen nicht gegen eine Verwaltung arbeiten, sondern mit ihr zusammen.“
Dietl ist Geschäftsmann, ja. Und Altus verdient sein Geld mit dem Bau von Windrädern, ja. Aber Dietl setzt sich mit Leidenschaft und Herzblut für diese Form der regenerativen Energiegewinnung ein, sieht eine echte Zukunftschance darin – eine, die nach aktuellen Studien auch keine Nachteile für Mensch und Natur birgt. Erstens sei nachgewiesen, dass der Rotmilan durch die Riesenwindräder nicht gefährdet ist: „Nach neuen Untersuchungen sterben die meisten Rotmilane durch Fressfeinde, gefolgt von Rattengift, das die Aasfresser mit Mäusen und Ratten aufnehmen, die von der Landwirtschaft mit Gift bekämpft werden.“ Bei den Todesursachen der Milane folgen der Tod im Straßenverkehr, in Stromleitungen, durch Abschuss, im Schienenverkehr – erst auf Platz sieben steht die Windenergie.
Dietl fügt an, dass auch Infraschall und Rotorenlärm als Argumente gegen Windräder nicht mehr greifen: „Mittlerweile ist nachgewiesen, dass der Infraschall eine Schimäre ist. Die Berechnungsgrundlagen stimmten nicht.“ Zudem sei der Geräuschpegel der Motoren gesunken. Und vor allem: Heutige Windräder erzeugen 20 mal so viel Energie wie die vor 20 Jahren – bei gleichem Flächenverbrauch. Da könne es nicht sein, dass 150 Eingaben gegen den Bau von zwei Anlagen von nicht einmal 200 Leuten einer Region kommen. Dietl: „Es wäre schön, wenn sich auch mal die anderen Menschen melden würden, die nicht so lauten, die vielleicht sagen, dass wir die Windkraft als kleinstes Übel für unsere Zukunft brauchen.“
Forderung nach schnelleren Verfahren
Das Schönsteiner Trio ist dafür, die Entscheidungsprozesse bei der Windkraft von den Kommunen und Landratsämtern auf eine höhere Verwaltungsebene zu verlegen, etwa zur Struktur- und Genehmigungs-Direktion (SGD). Straubinger: „Ähnlich wie bei Autobahnen oder Stauseen muss auch die Windkraft eine Sache sein, die als Zukunftssicherung sachlich und weniger emotional entschieden wird. Die Verfahren müssen beschleunigt werden.“ So sei etwa der Rotmilan von vielen Windkraftgegnern zu einer „Monstranz“ aufgebaut worden. „Das wird der Sache überhaupt nicht gerecht.“
Es sollten weitere Standorte diskutiert werden, fordern die Hatzfeldt'schen, unter anderem die ehemaligen Potenzialflächen Hagdorn und Dietershagen bei Wissen. Ferner müssten die Abstandsregelungen überprüft werden: „Sobald die kleiner sind, eröffnen sich viele neue Chancen.“ Die politisch Verantwortlichen im AK-Land, heißt es, sollten sich in der aktuellen Krise an einen Tisch setzen und alle Potenziale erneut gründlich prüfen. Auch Vereine und Bürger sollen dabei sein, von den Landfrauen bis zum Nabu, von der BI bis zum MdL. Und Straubinger zitiert eine ganz neue Veröffentlichung der Stadtwerke Wissen, in der es heißt, das AK-Land sollte auf „regionale Stärke“ setzen – etwa unter dem Slogan „Strom vom Hümmerich“.