Das sieht auch Geschäftsführer Benni Mockenhaupt so: „Ich kann es nicht anders sagen: Für mich war das ein Anschlag. Die Regenbogenfarben stehen für Frieden, Toleranz und die Akzeptanz anderer Lebensentwürfe, für die Vielfalt menschlichen Lebens. Das war eine feige Sachbeschädigung und ist auch beschämend, gerade wenn man an die WM denkt, wo es in den Diskussionen ja genau um diese Werte geht.“
Rückblick: Am 18. Mai waren die bunten Flaggen anlässlich des Diversity-Tags gehisst worden. In Bruche war sie wenig später, Ende des „Wonnemonats“, angezündet worden – und das schon zum zweiten Mal: Auch ein Jahr zuvor, im Frühjahr 2021, hatten Unbekannten an ihnen gezündelt und sie so zerstört. Mockenhaupt: „Die Sachbeschädigung an sich ist nicht das Wesentliche, umso schlimmer ist aber die Botschaft, die von der Tat ausgeht. Dieser Hass auf die LGBTQ+ Szene, auf Lesben und Schwule. Da hätten wir auch jetzt in Katar viel konsequenter sein müssen!“
Mockenhaupt sagt, dass Deutschland an der WM eigentlich gar nicht hätte teilnehmen dürfen. „Das wusste man doch alles schon vorher: Die Menschenrechte in Katar werden nicht geachtet, Homosexuelle als Geisteskranke bezeichnet, dann wurde auch noch die freie Meinungsäußerung mit dem Armbindenverbot eingeschränkt: Da hätten wir uns für unsere Werte einsetzen müssen. Notfalls hätte Deutschland eben nicht mitspielen dürfen. Ich hätte nichts dagegen gehabt.“ Gleichwohl räumt der Rewe-Chef ein, dass er die WM-Spiele der deutschen in Katar nun, da sie stattfinden, auch anschaut. „Aber das Interesse am Turnier ist sicher nicht nur bei mir viel kleiner als früher.“
Mockenhaupt wundert sich über die Akribie, mit der im Mai die Tat in Bruche – die bis heute nicht aufgeklärt ist – ausgeführt wurde: „Einzelheiten weiß ich nicht, aber mit einem Feuerzeug kommt man an die Flaggen nicht heran. Dafür hängen sie zu hoch. Die Täter müssen also mit einem langen Stock vorgegangen sein, an dem oben irgendwas brannte.“ Die teils verkohlten, teils zerrissenen Fahnen hatten die Mitarbeiter des Lebensmittelmarkts morgens bei Dienstantritt entdeckt.
Weil der Brucher Rewe-Markt direkt an der nicht wenig befahrenen Straße zwischen Scheuerfeld und dem Betzdorfer Stadtteil liegt, gingen die Täter bei ihrem nächtlichen Tun sogar ein Risiko ein: „Man kann diesen Hass nicht verstehen“, so Mockenhaupt. „Dabei hatten wir dieses Jahr schon doppelt so viele Fahnen für Bruche bestellt wie 2021. Als wir dann von den beiden ersten nur noch Fetzen vorfanden, konnten wir gleich neue aufhängen.“
Der Rewe-Chef denkt, dass es sich bei den Tätern nicht unbedingt um Rechtsradikale gehandelt haben müsse: „Es könnten Jugendliche gewesen sein, die einfach nicht damit klarkommen, dass es neben heterosexuellen Veranlagungen auch anders ausgerichtete Menschen gibt.“ Für ihn steht jedenfalls fest: „Die LGBTQ-Flaggen hängen jetzt ausdrücklich auch als ein Zeichen für Katar. Das würde ich auch immer wieder tun.“
Fraglich ist, warum es in den sechs Filialen von Rewe Mockenhaupt ausgerechnet in Bruche die Anschläge gab. In Mudersbach und anderswo sind die Fahnen bei Kunden wie Mitarbeitern beliebt, erklärt Marktleiterin Florence Meier in Niederschelderhütte. Und fügt hinzu: „Wir haben 270 Mitarbeiter an sechs Standorten, auch dabei sind Menschen aller Art. Bei den Kunden ist das bestimmt nicht anders. Ich bin froh, dass man bei Rewe so weltoffen eingestellt ist.“