Was war geschehen? Mindestens einmal pro Woche hatte der Angeklagte seit 2018 in einem Altenkirchener Discounter eingekauft, ohne jemals wirklich für die Waren zu bezahlen. Dies gelang, weil seine Frau an der Kasse saß. Diese tat nur so, als ob sie die Preise einscannte, tippte schließlich den Rechnungsbetrag von einem Cent ein, damit sich die Kasse öffnete und der Schwindel nicht aufflog.
Amtsanwalt Yann Sterczyk beschrieb dies als einen „ausgebufften Plan“, mit dem das Paar lange Erfolg hatte. Bis Januar sollte dieser zweifelhafte Erfolg anhalten. Denn im Supermarkt war mittlerweile aufgefallen, dass es immer dann Fehlbestände gab, wenn die Angeklagte im Einsatz als Kassiererin war. Die Polizei ertappte schließlich das Paar und fand in dessen Wohnung Waren des Discounters im Wert von rund 15.000 Euro. Kaffeemaschinen, Autozubehör, Bettwäsche und Lampen wurden unter anderem neben zahlreichen Spirituosen, Konserven, Nudeln und Toilettenpapier gesichert.
Das Besondere daran: Die Eheleute hatten die Waren des Discounters nicht etwa verkauft, um die Haushaltskasse aufzubessern. „Es ist untypisch, dass man mit den Dingen, die man gestohlen hat, nichts macht“, stellte Richter Volker Kindler erstaunt fest. Doch im Laufe der Beweisaufnahme wurde deutlich, dass das, was Geld einsparen sollte, um den Lebensunterhalt in der prekären Situation zu sichern, sich mit Ausbruch der Corona-Pandemie in eine Panik, die Familie nicht mehr ernähren zu können, steigerte und schließlich in der Vermutung endete, dass der Angeklagte am sogenannten Messie-Syndrom erkrankt sei.
Deshalb hat sich der 50-Jährige bereits auch auf die Suche nach einem Therapeuten gemacht. „Sein Geld wird von seiner Frau und deren Sohn verwaltet“, teilte die Anwältin des Mannes mit. Er legte, wie auch seine Frau, ein umfassendes Geständnis ab. Beide beteuerten, wie sehr sie ihre Taten bereuen. So ließ die Angeklagte, die übrigens auch unter massiven gesundheitlichen Problemen leidet, über ihren Verteidiger berichten, dass ihr die finanziellen Probleme über den Kopf gewachsen waren. Sie hatte den Überblick über offene Rechnungen von Versandhäusern und Kreditkartenabrechnungen verloren. Und so wurde eines Tages die Idee ausgebrütet, beim Einkauf das Kassensystem auszuschalten. Weil das Vorhaben immer wieder gelang, hatte das Paar auch irgendwann das Verhältnis zu den Mengen verloren und viel mehr genommen, als es überhaupt gebrauchen konnte.
Jetzt gab es von Richter Volker Kindler dafür die Quittung. Zu den Bewährungsstrafen legte er den Eheleuten auf, die Schuldnerberatung aufzusuchen. „Sie benötigen Hilfe, um ihre finanzielle Situation in Griff zu bekommen. Um ihre Gesundheit müssen sie sich aber selbst kümmern“, redete Kindler den beiden ins Gewissen. Dass sie erneut straffällig werden könnten, ist seiner Meinung nach unwahrscheinlich.
Von unserer Reporterin Beate Christ