Unsere Zeitung hat dazu mit der promovierten ärztlichen Psychotherapeutin Birgit Jakobs in Weyerbusch gesprochen.
Wie kann man Medienkompetenz als Elternteil oder erwachsenes Vorbild vermitteln?
In der Erziehung ist es wichtiger, was man tut, als was man sagt. Als Beispiel: Wenn man einem Jugendlichen sagt, er soll nicht so viel Alkohol trinken, man aber selbst jeden Abend mit der Flasche Bier dort sitzt, muss ich mich nicht wundern, wenn das Kind trotzdem trinkt. Schlussendlich spielt das Vorbild eine große Rolle. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Wort Kompetenz, also darum, klug und intelligent mit den Medien umzugehen, dass sie uns dienen und nicht wir etwas für sie tun. Wir sollten uns auch klarmachen, dass Smartphones, Internet und Co. uns auch viel bringen, es war noch nie so einfach wie heute, sich alle möglichen Informationen an Land zu ziehen und Wissen zu erlangen. Es bietet unwahrscheinlich viele Möglichkeiten, man darf sich nur nicht davon einnehmen lassen. Ich persönlich bin auch keine Freundin davon, alles zu verteufeln.
Aber manchmal fällt es schon auf, dass junge Leute oft am Handy sitzen. Wie bewerten Sie das?
Kinder und Jugendliche sind wahrscheinlich nicht primär daran interessiert, darüber Wissen zu erlernen. Sondern sie haben es ja schon als einen Teil ihrer Identität aufgenommen. Wobei das mittlerweile auch auf uns Erwachsene zutrifft. Mir fällt auf, dass ältere Leute häufig über den Smartphone-Konsum der Jugendlichen schimpfen, aber selbst oft beispielsweise bei Familientreffen am Handy hängen. Vor allem ältere Leute profitieren von der ständigen Erreichbarkeit, schicken sich gegenseitig Nachrichten und Fotos. Das finde ich großartig, diese Möglichkeiten gab es früher gar nicht, dass man in Familiengruppen so in Kontakt bleiben kann.
Welche Gefahren birgt der Konsum von zu viel Social Media und Internet für junge Menschen?
Es gibt die Probleme mit dem suchtartigen Spielen und auch mit den pornografischen Inhalten. Man sagt, dass teilweise sogar an Grundschulen schon Pornos geschaut werden. Auch das Thema Cybermobbing ist totaler Horror und schrecklich für die Kinder, das kann auch Leute bis an den Rand des Wahnsinns treiben. Auch Beauty Trends von Influencern können sich auf junge Mädchen, die es eh schwierig haben, zu sich zu finden, negativ auswirken. Dadurch sind sie häufig noch kritischer mit sich selbst als ohnehin schon. Da wird oft ein Bild transportiert, das nicht unproblematisch ist. Vieles hängt da auch an den Vorbildern, also Eltern, Lehrern oder anderen Erwachsenen. Wichtig ist auch, welches Bild diese transportieren beziehungsweise vorleben. Begrüßenswert ist der Trend zu mehr Natürlichkeit beispielsweise auf Instagram.
Wie bewerten Sie sogenannte Challenges (Herausforderungen/Mutproben) auf Social Media? Beispielsweise die Ice-Bucket-Challenge war früher sehr bekannt, die hatte auch eigentlich einen positiven Hintergrund. Mittlerweile gibt es aber schon groteske Mutproben im Netz.
Der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis, sich mit anderen zu verbinden und sich zu messen. Das wird ja heutzutage künstlich ferngehalten, finde ich. Also wenn man beispielsweise bei den Bundesjugendspielen keine Urkunden mehr bekommt, dann sucht man sich einen Weg, das trotzdem auszuleben und Bestätigung zu bekommen auf eine spielerische Art. Diese Challenges sind eine moderne Variante davon, was für uns früher die Mutprobe war, auf einen Baum zu klettern oder mit dem Rad durch den Wald zu fahren. Viele Challenges werden auch heutzutage für den guten Zweck ins Leben gerufen, um beispielsweise auf Krankheiten aufmerksam zu machen.
Denken Sie, dass eine Rückbesinnung noch kommt?
Mein Eindruck ist, dass vieles im Wandel ist. Der Höhepunkt von Social Media scheint überschritten zu sein. Die Pandemie hat gezeigt, dass es ein starkes Bedürfnis nach echten Kontakten gibt. Viele denken, dass Social Media auch die realen Begegnungen eher verhindert. Es hängt halt davon ab, wie man damit umgeht.
Was halten Sie davon, dass kleine Kinder manchmal schon mit dem Smartphone der Eltern „herumspielen“?
Ich bin sicher, wenn man das begleitet und gelassen bleibt, aber gleichzeitig auf den richtigen Konsum achtet, die richtige Vermittlung auch klappen kann. Es gibt da auch unheimlich kritische Zeitgenossen, die völlig dagegen sind, dass Kinder Handys in die Hand bekommen sollen. Es gibt auch zu allem wissenschaftliche Untersuchungen und Belege. Ich bin trotzdem sicher, wenn man das begleitet und gelassen bleibt und darauf achtet, dass das Kind nicht mit dem Konsum übertreibt, es klappen kann. Das Smartphone und die Sozialen Medien sind wahrlich heutzutage nicht mehr wegzudenken aus unserem Leben. Wichtig ist es immer, dass man den richtigen Umgang vorlebt. Man kann in der Familie auch Rituale einführen, beispielsweise dass das Smartphone nichts am Essenstisch zu suchen hat. Die Nutzung von Smartphones sollte auch bei Erwachsenen zu den Lebensumständen passen. Ein ganz wichtiger Punkt: Konflikte und Beziehungsprobleme sollten nicht über Whats-app oder Soziale Medien geklärt werden, sondern immer nur Face-to-Face, um Missverständnisse zu vermeiden.
Birgit Jakobs (Jahrgang 1963) leitet seit 14 Jahren die psychologische Praxis in Weyerbusch. Seit knapp 20 Jahren ist sie als promovierte ärztliche Psychotherapeutin tätig. Sie kommt gebürtig aus Köln und ist in Eitorf Zuhause. Birgit Jakobs ist Autorin des Ratgebers: Psychotherapie für zu Hause. Selbsthilfe bei Lebenskrisen, depressiven Verstimmungen und emotionalen Konflikten (veröffentlicht im September 2023). Sie ist Mutter zweier Töchter. (ann)