„Hier ist das Ehrenamt mit Füßen getreten worden“, schimpft Werner Kreutz, „das war respektlos. Wir sind mündige Bürger, werden aber von der CDU als Lückenfüller ausgenutzt.“ Aufgebracht berichten sie, dass sie vor einigen Wochen von der Kirchener Stadtratsfraktionssprecherin Birgit Ahnert gefragt worden seien, ob sie bei der Kommunalwahl 2019 wieder antreten würden; dass sie Ja gesagt hätten, weil sie dabei an den Ortsbeirat Wingendorf gedacht hätten – doch wenige Tage darauf sei im Stadtrat auf Antrag der CDU entschieden worden, die beiden Stadtteile zusammenzulegen. „Weil die CDU in Wehbach niemanden mehr findet, der sich für den Ortsbeirat aufstellen lässt“, sagt Wäschenbach, „haben die sich gedacht: Dann können die Wingendorfer das ja auch in einem gemeinsamen Ortsbeirat erledigen.“
Fakt ist, dass bis auf den Ortsvorsteher nun keiner der sechs mehr antreten will. Schmidt findet das „sehr schade“, auch er fühle sich von seiner Partei hintergangen: „Es war sicher kein kluger Schachzug der CDU, aber ich sehe in der Fusion die Zukunft. Daher werde ich wieder antreten. Ich tue das für Wingendorf, aber auch für Wehbach-Wingendorf.“ Bekanntlich will der derzeitige Wehbacher Ortsvorsteher Bruno Schumann 2019 nicht mehr antreten. Ausdrücklich betonen die fünf, dass ihre Haltung nicht gegen die Wehbacher gerichtet sei. „Das hat nichts mit den Leuten oder dem Ort zu tun! Es gibt viele freundschaftliche Verbindungen, aber keiner von uns hat einen tieferen Bezug zu Wehbach. Wingendorf hat eine eigene gewachsene Struktur, und auch ohne eigene Ortsvereine eine funktionierende Dorfgemeinschaft – und einen zuverlässigen Ortsbeirat.“ Die fünf wollen nun ausloten, ob der Stadtratsbeschluss rückgängig gemacht werden kann. Torsten Schmidt will sich deswegen bei Stadtbürgermeister Andreas Hundhausen melden. „Wir sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden“, erklärt Thorsten Greb, „aber wir wollen Wingendorf so behalten wie es ist.“ Notfalls sollen die Wingendorfer über eine Fusion mit Wehbach abstimmen.
Vor allem befürchtet die Gruppe aus dem Dorf der Unbeugsamen, so Anke Scharek: „Zurzeit wäre Wingendorf ja stark in einem gemeinsamen Ortsbeirat vertreten, wenn wir mitmachen würden – aber in zehn Jahren kann es sein, dass die Wehbacher CDU wieder genug Leute hat, dass dann nur noch Wehbacher im Rat sind – dann hebt für Wingendorf keiner mehr den Finger.“ Mit der anderen im Stadtrat beschlossenen Fusion – der von Herkersdorf mit Offhausen – könne man den Fall Wingendorf übrigens gar nicht vergleichen, denn erstgenannte seien ja bereits seit Jahrzehnten immer enger zusammengewachsen und gehen auch topografisch direkt ineinander über.
Ortsvorsteher Schmidt berichtet, er habe dem Ersten Kirchener Stadtbeigeordneten Rüdiger Brauer, der auch Ortsverbandsvorsitzender der CDU Kirchen ist, seine Bedenken gegen die Fusion schon früh nahe gebracht. Brauer erklärt, Schmidt sei bei einem Vorgespräch über das Thema im CDU-Vorstand dabei – also durchaus informiert gewesen. Da man davon ausgegangen sei, dass Schmidt die Wingendorfer informieren werde, habe die Partei Fraktionssprecherin Birgit Ahnert den Auftrag erteilt, den entsprechenden Antrag zu formulieren und im Stadtrat zu stellen.
„Langfristig“, sagt Brauer, „ist eine Fusion in jedem Fall die beste Lösung für beide Orte. Bei der Feuerwehr hat das ja auch super geklappt. Und eine funktionierende Dorfgemeinschaft geht auch ohne einen eigenen Ortsbeirat. Zudem können die fünf Leute auch für Wingendorf aktiv bleiben, wenn sie nicht im Beirat sitzen.“ Auch widerspricht Brauer der These, man habe in Wehbach keine CDU-Leute, die sich für die Wahl aufstellen lassen: „Das ist doch Humbug.“
Fraktionssprecherin Birgit Ahnert betont, dass Ortsvorsteher Schmidt seit Mitte Juni von der Sache wusste: „Er hatte neun Wochen Zeit, mit einem von uns zu reden und mit den Leuten in Wingendorf. So aber wurde ein schweres Missverständnis daraus – von der CDU wollte wirklich keiner taktieren.“ Und Ahnert unterstreicht: „Es geht doch letztlich um die Sache. Wenn die Leute da jetzt aussteigen, dann tut das der Sache gar nicht gut.“