Kurz darauf soll er sie unaufgefordert auf den Mund geküsst, ihr trotz eines klaren Neins die Beine gestreichelt, ihren Po berührt und sie schließlich aufgefordert haben, mit ihm ins Bett zu kommen. Da flüchtete das Mädchen, dem der Mann zuvor schon mal Süßes und Geld geschenkt hatte. Diese Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sah Einzelrichterin Johanna Jonas am Betzdorfer Amtsgericht als erwiesen an und verurteilte der Senior wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten – ausgesetzt zur Bewährung, weil Friedrich M. bislang keine Vorstrafen hat.
Der Mann, der den Gerichtssaal schlurfend und am Stock betreten hatte, bestritt alles: Das habe die Mutter ihrem Kind in den Mund gelegt: „Davon stimmt nichts. Kinder sagen immer mal was.“ Diametral entgegen steht dem allerdings ein Entschuldigungsbrief, den der Senior nach seiner Vorladung an das Gericht geschrieben hatte. Darin heißt es fast wörtlich: „Die Anschuldigung entspricht der vollen Wahrheit. Ich entschuldige mich für mein Fehlverhalten. Ich war mir der Konsequenzen nicht ganz bewusst.“ Allerdings nahm er dieses Geständnis beim Prozess wieder zurück; er habe den Brief zwar geschrieben, aber „nur aus Angst“ vor Konsequenzen durch das Gericht.
Dies führte dazu, dass Carolin in den Zeugenstand gerufen werden musste – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei erhärteten sich, wie schnell klar wurde, die Vorwürfe. Der Pflichtverteidiger des Seniors, Wigbert Emde aus Betzdorf, forderte aber in seinem Plädoyer einen Freispruch. Der Rechtsanwalt stellte den Angeklagten als ein Opfer von Mutter und Kind dar, die wohl die Sache „aus irgendwie anderen Gründen aufgebauscht“ hätten. Die Beweislage sei dürftig, Carolins Aussagen widersprüchlich. Sie habe auch „überhaupt nicht gelitten“, das habe man bei ihrer Aussage im Zeugenstand gemerkt: „Die Sache stimmt vorn und hinten nicht.“ Emde forderte ein Glaubwürdigkeitsgutachten über das Mädchen sowie ein weiteres über Friedrich M., um nachzuweisen, dass er als Vater von fünf Töchtern „vom Charakter her“ gar nicht in der Lage sei zu einer solchen Tat.
Richterin Jonas widersprach in ihrer Urteilsbegründung vehement: Sie sehe keinerlei Grund für ein Gutachten – und warum sich eine Mutter mit ihrem Kind einer solchen Verhandlung aussetzen sollte. Beide seien „absolut glaubwürdig“ gewesen. Dass der Angeklagte dem Kind in die Hose gegriffen habe, sei indes nicht nachweisbar gewesen. Nicht gerade zu seinen Gunsten habe sie es aber ausgelegt, dass Friedrich M. behaupte, das Kind habe sich alles bloß ausgedacht.
Nach Aussage ihrer Mutter traut sich Carolin kaum noch allein aus dem Haus, muss in die Schule gebracht und wieder abgeholt werden, hat schlechte Träume wegen der Ereignisse. Dies auch deshalb, weil sich Friedrich M. nach jenem Novembertag offenbar noch mehrfach in die Nähe des Mädchens begab – so lange, bis Rechtsanwältin Rita Holstein-Brass aus Niederfischbach, die die Familie als Nebenklägerin vor Gericht vertrat, eine einstweilige Verfügung erwirkte, wonach sich der 84-Jährige nicht mehr in der Nähe von Carolin aufhalten darf. Rechtsanwalt Emde hat angekündigt, in Berufung zu gehen.