Horst D. Scheel, Schauspieler und Casting-Chef der "Lindenstraße", wuchs in Daaden auf - Zu seinem 70. Geburtstag sprach die RZ mit ihm
70 Jahre Horst D. Scheel: Vom Daadener Jungen zum Lindenstraßen-Mitglied und Til-Schweiger-Entdecker

Er ist ein echter Charakterkopf und hat sowohl vor, als auch hinter der Kamera ein Stück deutscher Film- und Fernsehgeschichte mitgeschrieben. Die Rede ist von Horst D. Scheel. Der langjährige Casting-Chef der „Lindenstraße“ gilt als Entdecker von Til Schweiger, hat als Schauspieler aber auch selbst in der „Lindenstraße“ sowie in unzähligen weiteren TV-Serien mitgewirkt. In Kirchen geboren, hat Scheel seine ersten Lebensjahre in Schutzbach und Daaden verbracht. Am Sonntag nun wird „Herr Hülsch“, wie Scheel in der „Lindenstraße“ hieß, 70 Jahre alt. Die RZ hat anlässlich seines runden Geburtstags mit ihm ein Interview geführt.

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Horst D. Scheel, in Kirchen geboren, in Schutzbach und Daaden aufgewachsen, ist seit Jahrzehnten ein Charakterkopf im deutschen Fernsehen.
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Herr Scheel, erst kürzlich lief die allerletzte Folge der „Lindenstraße“. Als Hausverwalter „Herr Hülsch“ haben Sie selbst in der Kult-Serie mitgespielt. Vielmehr noch geprägt haben Sie die „Lindenstraße“ als Casting-Chef. Bereits zu Beginn der Serie 1985 waren Sie für die Rollenbesetzung verantwortlich und blieben es bis zum Schluss. Wie sehr hat Sie der Abschied geschmerzt?

Das war das Verschwinden meiner Familie. Sie werden mir fehlen...

An diesem Sonntag werden Sie 70. Geboren wurden Sie nach offiziellen Angaben am 21. Juni 1950 in Daaden. Dort ist der Name Scheel bis heute wohlbekannt, in erster Linie allerdings wegen der familiären Wurzeln des früheren Bundespräsidenten. Sie sind aber nicht mit ihm verwandt, oder?

Doch. Über ein paar Ecken. Geboren wurde ich nur laut Geburtsurkunde in Daaden, in Wirklichkeit aber im Krankenhaus in Kirchen. Und bis zu meinem dritten Lebensjahr lebte ich in Schutzbach.

Welche Erinnerungen haben Sie noch an Ihre Kindheit und Schulzeit in Daaden? Bestehen heute noch familiäre oder freundschaftliche Beziehungen dorthin?

Es bestehen keinerlei Beziehungen mehr nach Daaden. Ich war auch schon sehr lange nicht mehr dort. Die Erinnerungen sind leider nicht positiv. Als Kind wurde ich von den anderen Kindern dort sehr schlecht behandelt. In den ersten Jahren in der damaligen Bahnhofsschule war aber noch alles gut.

Ihr Weg zu Film und Fernsehen war keineswegs vorgezeichnet. Es heißt, dass es in Ihrem Elternhaus nicht mal einen Fernseher gab …

Fernsehen gab es manchmal – bei Nachbarn...

Mit 15 Jahren haben Sie eine Lehre in einem Hotel begonnen. Bald darauf zog es Sie zum Kellnern in mehrere Großstädte – und sogar auf die Bermudainseln. Was waren Ihre Beweggründe, aus der „Provinz“ hinaus in die weite Welt zu ziehen?

In Essen-Kettwig, wohin wir aus Daaden gezogen sind, gibt es in der Nähe unseres Hauses das Schlosshotel Hugenpoet. Dort habe ich mich beworben und eine Lehre begonnen in dem Hotel Eden in Düsseldorf, das den gleichen Besitzern gehörte. Danach ging ich nach Berlin – hauptsächlich um nicht zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Von da ging es nach Bermuda – weiter weg kann man aus der „Provinz“ nicht kommen ... Privat war ich schon mehrmals in Hawaii. Und Neuseeland steht noch auf meiner Wunschliste!

Erster Schultag in der damaligen Bahnhofsschule: Horst D. Scheel (vorne der Vierte von links) hat nach Daaden heute keine Beziehungen mehr. Der Schauspieler würde sich aber freuen, von früheren Mitschülern zu hören.
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Es heißt, als Barkeeper in einem Nobelhotel hätten Ihnen zahlreiche Stars, zum Beispiel Curd Jürgens, nach ein paar Drinks ihr Herz ausgeschüttet. Hat Sie das Showbusiness denn von Anfang an fasziniert?

Das war ein Nobelrestaurant: die Conti-Fischstuben in Berlin. Aber schon in der Lehre in Düsseldorf bin ich jeden Tag ins Kino gegangen. Da hatte ich nämlich immer Frühdienst und dann Spätdienst. Was macht man in den Stunden dazwischen ...?

Ihre große Stunde schlug dann 1975, als Sie einen Regisseur aus den USA kennenlernten. Es heißt, aus Dankbarkeit für die gute Betreuung habe er Ihnen Ihren ersten Job beim Film angeboten: die dritte Regieassistenz bei der Actionkomödie „Inside Out“ mit „Kojak“ Telly Savalas. Von da an kümmerten Sie sich bei Drehs um die Betreuung der Darsteller …

Ich habe den Produzenten Judd Bernard damals direkt um einen Job bei diesem Film gebeten.

Wie kam es dann zum Schritt vom „Betreuer“ zum Casting Director – oder Besetzungsberater, wie Sie es lieber nennen?

Wenn man sich schon den ganzen Tag mit den Schauspielern beschäftigen muss, dann ist es doch praktisch, die Schauspieler auch schon vorher mit auszusuchen ...

Früheren Porträts über Sie ist zu entnehmen, dass Sie 1977 erstmals Ihr gutes Gespür für passende Rollenbesetzungen bewiesen: Für den deutschen Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ mit den Weltstars David Bowie, Sydney Rome und Kim Novak. Auch Maria Schell, Curd Jürgens und Marlene Dietrich spielten in dem Film mit. Wie kommt man denn als „Neuling“ in dem Geschäft an solche Größen?

Das ist eine Fehlinformation. Bei diesem Film habe ich nur ein paar kleinere Rollen besetzt. Und bin am ersten Drehtag ausgeschieden. Schon ab dem nächsten Tag habe ich in München für den wunderbaren Film „Die Schlemmerorgie“ (mit George Segal und Jacqueline Bisset, d. Red.) als Zweiter Regieassistent angefangen...

Seitdem haben Sie als Casting Director für unzählige Filmproduktionen die Rollen verteilt, etwa für Dominik Grafs „Die Katze“ (1988) mit Götz George und Gudrun Landgrebe, und für noch mehr bekannte Fernsehserien, zum Beispiel „Der Fahnder“. Was waren Ihre persönlichen Highlights?

„Judgement in Berlin“ (1987, mit Martin Sheen, Sean Penn, Heinz Hoenig), „Die Sieger“ (1993, mit Herbert Knaup, Heinz Hoenig, Katja Flint, Hannes Jaenicke), „Der Bewegte Mann“ (1994, mit Katja Riemann, Til Schweiger, Joachim Król, Armin Rohde), die Serie „Und Tschüss“ (1996, mit Benno Fürmann Andreas Arnstedt, Gesine Cukrowski), „Fußball ist unser Leben“ (1999, mit Uwe Ochsenkneckt und Ralf Richter), „Das große Comeback“ (2010, mit Uwe Ochsenknecht, Andrea Sawatzki, Valerie Niehaus), „Müttermafia 1 + 2“ (2013/14 mit Annette Frier, Roeland Wiesnekker, Tim Bergmann) – und natürlich die „Lindenstraße“.

Verlangt dieser Job, der Umgang mit Künstlern und Stars, denen oft ja Allüren nachgesagt werden – aus Ihrer Sicht eine besondere Gabe?

Fingerspitzengefühl und 'ne dicke Haut!

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Gruppenbild der Darsteller anlässlich der 1000. Folge der „Lindenstraße“ 2005. Horst D. Scheel (vorne links mit dem berühmten Straßenschild) hat die Kultserie als Casting-Chef und Darsteller maßgeblich mitgeprägt.
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Sie gelten nicht zuletzt als Entdecker von Til Schweiger, den Sie für die „Lindenstraße“ und anschließend für die Filme „Manta, Manta“ und „Der bewegte Mann“ besetzten. Wo und wie ist er Ihnen damals aufgefallen?

Til wurde mir von einem Mitschüler seiner Schauspielschule empfohlen. Er sah gut aus und war sehr ambitioniert. Beim ersten Treffen fiel er in einen Tiefschlaf. Ich hatte noch nie mit einem Narkoleptiker zu tun gehabt und war erst ziemlich beunruhigt. Ich habe ihn dann in mein Schlafzimmer geschleppt und erst mal ausschlafen lassen. Soviel zur berühmten Casting-Couch ...

Sie haben in unzähligen Produktionen selbst als Schauspieler mitgewirkt – nicht nur in der „Lindenstraße“, sondern auch in internationalen Filmen, bekannten deutschen TV-Serien (z.B. Der Fahnder, Marienhof, Verbotene Liebe, Rosa Roth) sowie in der Stammbesetzung des Comedy-Formats „Mensch Markus“. Ihre erste Rolle 1983 in „The Cold Room“ war kurioserweise die eines Kellners. Über die Jahrzehnte haben Sie Polizisten gemimt, Ärzte, Pfarrer, Obdachlose und Freier. In Ihrem Profil heißt es, Pathologen könnten Sie besonders gut. Sie seien ein „liebenswerter Mensch“, dem man aber „keine nette Rolle“ anbieten sollte. Macht es denn mehr Spaß, Bösewichte und Psychopathen zu spielen?

Pathologen habe ich besonders oft gespielt. Der Regisseur Werner Masten hat mich meist mit dieser Rolle besetzt. Da fast immer in echten Pathologien gedreht wurde, ist mir der süßliche Geruch immer noch vertraut ... Natürlich macht es mehr Spaß, die Bösewichte zu spielen. Da kann ich den Psychopathen in mir gut rauslassen. Und es wird auch noch gut bezahlt!

Wo leben Sie heute? Und was würden Sie als Ihre „Heimat“ bezeichnen?

Heute lebe ich wieder „in der Provinz“. Beim Dreh für die „Müttermafia“ habe ich mich in das beschauliche Örtchen Engelskirchen verliebt. Da lebe ich heute und blicke von meinem Balkon ins Grüne.

Die Corona-Krise trifft auch die Film- und Fernsehbranche hart. Wegen der Abstandsregeln und anderen Auflagen war ein „normaler“ Dreh zuletzt unmöglich. Wie sehen Sie die Situation – und was sind Ihre nächsten Projekte und persönlichen Ziele für die Zukunft?

Da ich ja Rentner bin, kann ich mich ruhig zurücklehnen und abwarten: Ich habe aktuell keine konkreten Projekte und Ziele. Nach so langer Zeit in Köln kann ich nur sagen: Wat kütt, dat kütt!

Das Gespräch führte Daniel Weber

Seit 45 Jahren ein Allrounder vor und hinter der Kamera

Seit 1975 hat Horst D. Scheel in fast 200 Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt: als Regie- und Produktionsassistent,Aufnahmeleiter, Caster – und nicht zuletzt auch als Schauspieler. Seine ersten Rollen hatte er 1983 in den Spielfilmen „The Cold Room“ (als Kellner) und „Rotation“ (als Gärtner). 1985 war er erstmals in der „Lindenstraße“ zu sehen (in Folge 31 als Kommissar), von 1987 bis 2009 dann durchgehend in der Nebenrolle als Hausverwalter Herr Hülsch. Als Teil des Ensembles von „Mensch Markus“ erhielt er 2004 und 2006 den Deutschen Comedy-Preis. daw

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