HateAid gibt Antworten
Wie soziale Medien in Sinzig Menschen schweigen lassen
Hass im Netz beeinflusst den Ton in der Politik: Das bestätigt die Organisation HateAid.
Sebastian Gollnow. picture alliance/dpa

Im Internet wird der Ton stetig rauer. Das hat nicht zuletzt Ralf Urban, Stadtrat in Sinzig, erlebt. Auch Fake News sind auf dem Vormarsch. Hat das auch Einfluss auf den Umgang miteinander im realen Leben? Wir haben nachgefragt.

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Die Zahlen von Hasskriminalität steigen, auch in Rheinland-Pfalz, und auch im Kreis Ahrweiler werden Kommunalpolitiker in den sozialen Medien immer wieder angegriffen. Ein prominentes Beispiel für einen Betroffenen von Hasskriminalität ist der Sinziger Stadtrat Ralf Urban. Der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen hat sich juristisch zur Wehr gesetzt – mit Erfolg. Doch der Ton im Internet färbt auch auf den Umgang in der Politik ab. Zudem, weiß Ralf Urban aus seinem Umfeld in Sinzig, trauten sich einige Menschen nicht mehr, im Internet ihre Meinung zu sagen, weil sie mit Gegenwind und Drohungen rechnen müssten. „Das schadet der Demokratie“, ist der Kommunalpolitiker überzeugt.

Das Team von HateAid, eine gemeinnützige Organisation, die sich nach eigenen Angaben für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und sich auf gesellschaftlicher und politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert, hat täglich mit der Thematik zu tun. Deshalb fragten wir bei der Pressestelle einmal schriftlich nach.

Welche Rolle schreiben Sie den sozialen Medien zu, wenn es um einen raueren Ton in der aktuellen Politik geht?

Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Verschärfung des politischen Tons. Durch ihre Algorithmen, die polarisierende und emotionale Inhalte bevorzugen, tragen sie dazu bei, dass Hass und Hetze stärker sichtbar werden und sich schneller verbreiten. Besonders problematisch ist, dass digitale Gewalt gezielt genutzt wird, um politische Gegner*innen einzuschüchtern und demokratische Debatten zu beeinflussen.

Rechtsextreme Gruppen sind hier besonders gut organisiert. Das hat Folgen – für die Betroffenen, aber auch für die Demokratie insgesamt. Wenn Politiker*innen oder Aktivist*innen durch gezielte Angriffe zum Schweigen gebracht werden, leidet die Meinungsvielfalt im digitalen Raum. Viele Menschen ziehen sich bereits jetzt aus Sorge vor Hass und Gewalt aus den öffentlichen Debatten im Netz zurück. Und man muss leider sagen: Die Plattformen übernehmen zu wenig Verantwortung für diese Entwicklung. Wirtschaftliche Interessen überwiegen zum Nachteil demokratischer Prinzipien. Deshalb ist hier die Politik gefragt: Sie muss Plattformen konsequent regulieren und die Einhaltung geltender Gesetze sicherstellen.

Welche Folgen sehen Sie hier in Deutschland für X und Facebook, wenn Faktenchecks auch hier eingestellt werden?

Wenn Plattformen ihrer Verantwortung nicht nachkommen, hat das drastische Auswirkungen auf den demokratischen Diskurs. In den sozialen Netzwerken verbreiten sich Falschmeldungen oft rasant. Faktenchecks sind wichtig, weil sie helfen, Fehlinformationen und Desinformation aufzudecken und richtigzustellen. Meta und X könnten auch für Deutschland Faktenchecks zumindest teilweise einschränken oder deaktivieren. Während die Änderungen zunächst nur für die USA gelten, rechnen wir damit, dass Meta sie auch in Europa testen wird.

Nach der europäischen Gesetzgebung, dem Digital Services Act (DSA), sind große Plattformen zwar verpflichtet, Maßnahmen gegen Desinformation zu ergreifen. Sie haben dabei aber erhebliche Gestaltungsspielräume. Die Europäische Kommission muss als Aufsichtsbehörde für den DSA dafür Sorge tragen, dass diese Spielräume dennoch innerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Rahmens bleiben. Denn es zeichnet sich bereits ab, dass Meta und X versuchen werden, diese möglichst weit auszulegen.

Hier braucht es ein wichtiges Signal: Die Plattformregulierung in der EU steht nicht zur Debatte. Social-Media-Unternehmen müssen sich an die Regeln halten. Tun sie dies nicht, müssen sie unter anderem mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. HateAid beobachtet genau, wie der DSA von den Plattformen umgesetzt wird. Unter anderem haben wir bereits Beschwerden gegen TikTok und YouTube bei der in Deutschland zuständigen Aufsichtsbehörde, der Bundesnetzagentur, eingereicht.

Die Fragen stellte Maja Wagener.

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