Der Befund ist eindeutig und niederschmetternd: „Die Kulturwerkstatt (Kirchstraße 5) befindet sich in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand“, heißt es in einer Vorlage, die dem städtischen Bauausschuss in der Sitzung am Dienstag präsentiert wurde. Weiter steht da: „Neben baukonstruktiven Problemen (Tragfähigkeit des Dachstuhls) sind substanzielle Schäden an der Dacheindeckung sowie an den Fassaden (Fachwerk und Putz) als auch Feuchteschäden im Dachgeschoss und Untergeschoss erkennbar. Die Haustechnik, Heizung, Sanitär und Elektro sind derart marode, dass nur eine komplette Erneuerung infrage kommt.“

Das Gebäude mit dem angebauten Veranstaltungssaal ist in städtischem Besitz, wird aber seit vielen Jahrzehnten vom Förderverein Altes Jugendheim als sogenannte Kulturwerkstatt bewirtschaftet und betrieben. Dort finden Konzerte und Theateraufführungen statt, Vereine nutzen die Räume ebenfalls intensiv. Jetzt hat die Stadt aufgrund der vielen in jüngerer Zeit aufgetretenen Schäden eine Untersuchung mit Bausachverständigen veranlasst. Das Ergebnis: Die Kosten für die notwendigen Sanierungsarbeiten werden auf mindestens 3 Millionen Euro geschätzt. Vermutlich dürften aber weitere Kosten hinzukommen, da nach vielen Umbauten in dem aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammenden Gebäude unter anderem zahlreiche Bauschadstoffe vermutet werden.

Hinzu kommt: Das Gebäude wurde über bedeutenden Zeugnissen der römischen Vergangenheit errichtet. Im Keller befindet sich mit der Hypokaustenanlage, der aufwendigen Fußbodenheizung eines Badehauses im einstigen Römerlager Rigomagus, eines der sichtbarsten Zeugnisse, das in der touristischen Vermarktung der Stadt als römische Welterbestätte eine bedeutende Rolle spielt. Und in diesem Zusammenhang scheint das darüberliegende Gebäude der Kulturwerkstatt den künftigen Ambitionen der Stadt eher lästig zu sein. Denn in der Tischvorlage für die Mitglieder des Bauausschusses heißt es: „Insbesondere die für das Weltkulturerbe ‚Niedergermanischer Limes‘ wichtige Präsentation der Hypokaustenheizung wäre durch die bestehenden Raumhöhen und Zugangsmöglichkeiten des Kellergeschosses kaum verbesserungsfähig.“

Da liegt ein Gedanke nahe: Warum Millionensummen in die Sanierung eines verwinkelten Altbaus stecken, wenn ein Abriss mit einem anschließenden modernen Neubau, der möglicherweise auch noch über das derzeit laufende Integrierte Stadtentwicklungskonzept (Isek) bezuschusst werden könnte, viel billiger wäre? Und so lautete denn auch der Vorschlag der Stadtverwaltung, die Politiker des Bauausschusses darüber abstimmen zu lassen, ob ein Abriss des als Kulturwerkstatt genutzten alten Jugendheims sowie ein anschließender Neubau nicht viel sinnvoller sei.

Ein wenig Kritik musste sich die Stadtverwaltung unter Führung von Bürgermeister Björn Ingendahl (parteilos) ob des Zustandes des Gebäudes schon gefallen lassen. Schäden und Mängel seien seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten für alle Besucher offensichtlich. Christine Wießmann (SPD) ließ sich sogar dazu verleiten, der Stadtverwaltung Untätigkeit und Desinteresse an dieser Immobilie vorzuwerfen. Auch im kürzlich beschlossenen Isek-Förderprogramm seien die Kulturwerkstatt, die benachbarte Villa Heros und das gesamte Umfeld dieser Gebäude schlicht übersehen worden. Immerhin – jetzt werde man tätig. Sie mahnte aber auch zu einem sensiblen Umgang: „Die Kulturwerkstatt ist das Dorfgemeinschaftshaus der Innenstadt, wie man in den vergangenen Karnevalstagen erst wieder erleben konnte. Sie muss – egal, ob als Alt- oder Neubau – als sozialer Treffpunkt erhalten bleiben.“ Und – das gesamte Ensemble hinter dem Rathaus müsse in das Konzept aufgenommen werden.

Was in der Sitzung überhaupt kein Thema war: Das Gebäude Kirchstraße 5 ist im nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler, herausgegeben von der Generaldirektion Kulturelles Erbe des Landes Rheinland-Pfalz, vermerkt. Als „eingeschossiger Walmdachbau, teilweise Fachwerk bzw. verschiefert, um 1900/10“ steht das Gebäude damit unter Denkmalschutz. Es gehört zu den das Straßenbild prägenden Bauwerken im historischen Ortskern von Remagen. Das mit Jugendstilelementen versehene Gebäude ist ein Bau des Architekten Alois Böll aus einer bekannten Kölner Architektendynastie, einem Onkel des bekannten Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Kann man ein solches Bauwerk einfach so abreißen?
Können Isek-Fördergelder umgeleitet werden?
Nun will die Stadtverwaltung erst einmal überprüfen, ob Finanzmittel aus dem Isek-Programm grundsätzlich für die alte oder eine neue Kulturwerkstatt umgeleitet werden können. Denn ein paar der in diesem Programm vorgesehenen Projekte scheinen derzeit kaum umsetzbar, etwa ein Aufzug in der Neipengasse zwischen der Rheinpromenade und der Innenstadt, ein Fahrradparkhaus auf einem noch anzukaufenden Innenstadtgrundstück oder versenkbare Poller an der Rheinpromenade, die im Hochwasserbereich nicht gebaut werden können – allein diese drei Projekte aufzugeben, würde laut Bauamtsleiter Gisbert Bachem rund 3 Millionen Euro freisetzen. Ob eine Umschichtung aber möglich ist, soll jetzt erst einmal mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) besprochen werden. Das weitere Vorgehen soll dann bei der bevorstehenden Stadtratssitzung am 31. März diskutiert werden.