Nun ist sie weg, die um 1863 erbaute Villa des alten Sanitätsrats Richard Schmitz in der Mittelstraße 31. Sie war nach Ansicht der Stadtverwaltung nicht mehr erhaltungswürdig und ihre besondere Geschichte spielte keine Rolle mehr.
Der Gesellschaftstheoretiker Karl Marx zum Beispiel ging während seines Kuraufenthaltes in Bad Neuenahr dort ein und aus. Später war es die Erzherzogin Stephanie von Österreich. Sanitätsrat Schmitz starb in seiner Villa am 26. August 1893. Nach vielen Nachfolgenutzungen war bis vor Monaten die Okuja, die städtische Jugendpflege, dort untergebracht. Trotzdem kam jetzt die Abrissbirne, und geblieben ist auf dem 2262 Quadratmeter großen Grundstück direkt neben den Ahr-Thermen nur noch ein großes Loch im Boden. Auch der heftige Widerstand der Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ hatte nichts bewirkt. Jetzt ist sie nur noch ein Stück Geschichte.
Auf dem Grundstück soll eine Kita entstehen
Das Loch im Boden soll jedoch nicht so bleiben. Bereits im Februar 2024 hat der Stadtrat eine Bebauungsplanänderung für das Grundstück beschlossen und es als Fläche für den Bau einer Kindertagesstätte ausgewiesen. Im Stadtgebiet besteht ein erheblicher Fehlbedarf an Kitaplätzen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder unter zwei Jahren. Da kam das nun freie Grundstück im Besitz der Stadt gerade recht und mit der Bethel Stiftung aus Bielefeld war auch schnell ein Investor gefunden. Die Stiftung ist in der Kreisstadt wohl bekannt, hat zum Beispiel das Inklusionshotel „Zum Weinberg“ neben dem Bahnhof in Bad Neuenahr gebaut.

So wurde ihr für das Grundstück in der Mittelstraße ein Erbbaurecht von 30 Jahren mit Option auf Verlängerung gewährt, um dort eine fünfgruppige Kindertagesstätte für rund 100 Kinder nebst Begegnungszentrum zu errichten und zu betreiben. Die notwendigen Planungen der Stiftung laufen bereits, und der Baubeginn dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Als günstig für das Vorhaben erweist sich die Tatsache, dass der Stadtrat auch bereits eine Grundsatzentscheidung zum Wiederaufbau der bei der Flut schwer geschädigten Ahr-Thermen direkt auf dem Nachbargrundstück gefasst hat. Allerdings wird noch nach einer tragbaren Finanzierung dafür gesucht.
Die Grundstücke im Stadtkern sind geschichtsträchtig
Ein Blick zurück auf die Grundstücke von Thermen sowie der geplanten Kita ist durchaus lohnend, ist es doch ein tiefer Blick in die Anfänge des Kurbades. Nicht nur zahlreiche Kur- und Badeärzte siedelten sich um 1863 dort an und bauten ihre für den kleinen Ort Beul, einem der drei Ursprungsorte von Bad Neuenahr, beeindruckende Villen mit Praxisräumen für die Behandlung der Kurgäste. Direkt an das Schmitz-Grundstück anschließend, auf dem Gelände der heutigen Ahr-Thermen, stand das alte Hotel „Schmitzler“. Umgebaut war es ab 1880 das Gebäude des Walburgis-Stift, genannt nach Walburgis, der letzten Gräfin aus dem Hause Neuenahr. Es war viele Jahrzehnte Anlaufpunkt für Erholung suchende Kurgäste und später für Generationen junger Menschen, die im zum Internat umgewandelten Stift untergebracht waren.
Gustav Adolf Pliester, evangelischer Pfarrer in Bad Neuenahr von 1869 bis 1907, hatte die Notwendigkeit erkannt, pflegebedürftigen Kranken einen Aufenthalt im Kurbad zu ermöglichen. Er überzeugte die Innere Mission und bald konnte er mit ihr das Haus in Betrieb nehmen. Bereits 1885 musste angebaut werden. Die Parzellen rund um das Gebäude wurden dazu bis an das Haus von Sanitätsrat Schmitz heran aufgekauft, teils um Gartenland zu gewinnen, aber auch um neue Bauten in unmittelbarer Nähe zu verhindern. Bis nach dem Weltkrieg II, lediglich zwei Mal unterbrochen von einer Nutzung als Lazarett, konnte das Stift seine Aufgabe erfüllen.

Marx war Gast in Neuenahr
In der jungen Bundesrepublik war es nicht mehr zeitgemäß. Um es auch „anderen Gebieten evangelischer Liebestätigkeit zu öffnen“ wurde es zum Mädcheninternat umgewandelt. Später diente es dem damals neuen Are-Gymnasium als Internatsgebäude für 110 Jungen und Mädchen. 1975 wurde es nicht mehr benötigt und das gesamte Gelände an die Kur-AG verkauft. 1976 wurde das Walburgis-Stift gesprengt. 1993, nach genau zwei Jahren Bauzeit, öffneten dort die Ahr-Thermen ihre Türen.
Ein kurzer Blick zurück auf die Villa des Sanitätsrates Richard Schmitz: Vieles was wir über ihn wissen, verdanken wir dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Ost-Berlin. In dessen Buch „Karl Marx` letzter Aufenthalt in Deutschland – Als Kurgast in Bad Neuenahr 1877“ von Heinrich Gemkow sind genaue Einzelheiten beschrieben. Marx war bei seinem Kuraufenthalt in Neuenahr vom 9. August bis zum 2. September 1877 von Schmitz sofort begeistert. „Ich habe hier einen sehr guten Arzt gefunden“, ließ er einen Freund per Brief wissen. Trotzdem: „Er hat wesentlich bestätigt, was ich vermutete: Meine Leber zeigt keine Spur von Erweiterung mehr, der Digestionsapparatus ist somewhat disordered“, schreibt er. Genaue Beschreibungen des Hauses, des Sanitätsrates und der Praxis folgen. Karl Marx starb am 14. März 1883 in London.