„Wir machen das wie vor 100 Jahren", ruft Michael Haan herüber, als er mit gezieltem Schlag mit dem Fäustel einen Naturstein teilt, den er in seiner Hand hält. „Alles Grauwacke", sagt er und deutet unter der neuen Ahrbrücke in Dernau auf den großen Haufen, aus dem er und sein Kollege Valery Beser sich Steine heraussuchen, sie bearbeiten und in die Wand einsetzen. Die beiden Handwerker einer auf Naturstein spezialisierten Firma aus Oberfell an der Mosel verkleiden die Beton-Widerlager der neuen Ahrbrücke.

Bauarbeiter haben bereits Brücken bei Marienthal verkleidet
Die Brücke mit 39 Metern Spannweite, die das von der Flut zerstörte Bauwerk ersetzt hat, ist nach dem „Gestaltungshandbuch für Ahrbrücken" gebaut. Und das sieht bei Brücken mit Verweis auf die Bautradition im Ahrtal die Grauwacke als Steinvorsatz vor. Das erinnert an Weinbergsmauern und die alten Steinbogenbrücken.

Der charakteristische schnittige Pfeiler der neuen Dernauer Brücke, der Wasser mit seiner besonderen Stromlinien-Form einer Haifischflosse wenig Widerstand bieten soll, wird nicht verkleidet. Aber das andere Widerlager bekommt noch die geduldig in Handarbeit anzubringende Grauwackenfront. Viel Arbeit? „Den Trass-Zement für die Fugen bekommen wir fertig aus dem Silo", erklärt Michael Haan. Die Bahnbrücken bei Marienthal hat er mit seinen Kollegen bereits verkleidet. Weitere werden folgen – auch über den Dezember 2025 hinaus, wenn die Ahrtalbahn wieder fahren soll. „8000 Quadratmeter wollen erst einmal verbaut werden", sagt Haan mit Respekt vor der Aufgabe.

Beleuchtung und Geländer fehlen noch
Die beiden Natursteinexperten sind nicht die einzigen, die an der neuen Ahrbrücke arbeiten, die für Fahrzeuge und Fußgänger nach einer rekordverdächtigen Bauzeit frei ist. Denn der erste Spatenstich war vor nicht mal einem Jahr am 22. Mai 2024. Mitte Juni ist die offizielle Eröffnung vorgesehen. Bis dahin erhält die Brücke mit ihrer sechs Meter breiten Fahrbahn, dem Ahr-Radweg und einem separaten Fußweg noch Beleuchtung und Geländer, die bei Hochwasser umklappen, damit sich kein Schwemmgut verfängt (Verklausung).

In Dernau hat die erste Behelfsbrücke ausgedient
In Dernau hat sich am Montagmorgen ein historischer Moment ereignet: Die erste THW-Behelfsbrücke, neben der nach der Flut eine neu gebaute kommunale Brücke gebaut wurde, konnte ausgehoben werden.
Aktuell gearbeitet wird auf der Ahr-Südseite vor dem Restaurant Culinarium und der Winzergenossenschaft Dagernova – selbst noch Großbaustellen. Hier werden die Rampentrichter betoniert. Erst dann wird auch für Fahrzeuge der Ahrweg von der neuen Brücke in Richtung Steinbergsmühle frei. Anwohner, Lieferanten und Handwerker müssen jetzt noch die historische Steinbergsbrücke nutzen.

Platz für die neue Bahntrasse
Die Sport- und Freizeitanlagen und der Mehrgenerationentreff „Treffpunkt vor Müllert" am Ende des Ahrweges sind nach dem Abbau der THW-Behelfsbrücke über die neue Brücke gut zu erreichen. Wohl auch ein Grund dafür, dass Annette Fuhrmann jetzt auf dem ehemaligen von der Flut zerstörten Campingplatzgelände an der Ahr ihren Wohnmobilstellplatz eröffnet hat. Sanitäre Anlagen gibt es gegenüber bei ihr im Haus. Von dort aus kann sie über den Platz und auf die neue Bahntrasse schauen. Die endet an der Stelle, wo die THW-Behelfsbrücke stand. Jetzt ist Platz für den Weiterbau.