Mit Rolli auf dem Festival
Wie barrierefrei ist Rock am Ring wirklich?
Christian aus Erftstadt (links) ist zum dritten Mal bei Rock am Ring - in diesem Jahr mit (von links) Cihad, Nadja, Miriam und Michelle.
Stefan Schalles

Barrierefreiheit hat sich Rock am Ring auf die Fahne geschrieben. Wir haben uns auf dem Rockability-Zeltplatz bei Rollstuhlfahrern umgehört, wie sie den aktuellen Stand dieses Vorhabens bewerten – und wo sie (noch) Verbesserungsbedarf sehen.

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Ein uneingeschränktes Erlebnis für alle – das soll Rock am Ring im besten Fall sein. Auf ihrer Homepage schreiben die Festivalmacher von Dreamhaus hierzu, man bemühe sich seit Jahren, die Abläufe „so barrierefrei wie möglich“ zu gestalten. Zusammen mit dem gemeinnützigen Unternehmen Inklusion Muss Laut Sein will man die „Hürden für Besucher:innen mit den unterschiedlichsten Behinderungen abbauen und einen verlässlichen Standard schaffen“. Doch: Wie weit ist Rock am Ring auf diesem Weg wirklich?

Antworten auf diese Frage findet man unweit des Lidl Rock Stores auf dem Rockability-Campingplatz, der – hinsichtlich der Sanitäranlagen etwa – auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern ausgelegt ist. Thomas aus Düsseldorf hat vor seinem Zelt gerade den Grill angeworfen. Wie er auf dem Festival zurechtkommt? „Es ist grundsätzlich alles gut organisiert, auch die anderen Besucher sind sehr hilfsbereit“, sagt der 35-Jährige, hat allerdings auch Negatives anzumerken. „Der Untergrund ist herausfordernd“, ergänzt er mit Blick auf die teils dicken Schottersteine unter seinen Rollirädern. „Wenn du hier ohne Begleitperson unterwegs bist, die dich schieben kann, wird’s schwierig.“

Der steinige Untergrund auf dem Rockability-Zeltplatz bereitet vielen Rollstuhlfahrer Probleme.
Stefan Schalles

Wünschenswert, sagt Thomas, wäre zudem auch, „wenn es auf dem Campingplatz selbst mehr als zwei behindertengerechte Toiletten gäbe und wir zum Duschen nicht immer den Berg hoch bis kurz vor den Lidl Rock Store müssten.“ Das sei zwar machbar, aber umständlich. Vor allem auch, „weil auf dem Anstieg eine Kabelbrücke verlegt ist, die allein auch nicht jeder Rollstuhlfahrer überqueren kann“.

Ein paar Zelte weiter sitzt derweil Christian mit seiner Festivalcrew beim Bierchen. Er selbst ist mit dem Rollstuhl bereits zum dritten Mal am Ring, hat in Sachen Verbesserungsbedarf Ähnliches auf dem Zettel wie Thomas, ist grundsätzlich allerdings sehr zufrieden mit den Anstrengungen der Festivalorganisatoren: „Wir sind von hier aus schnell an den Bühnen, haben spezielle Eingänge, und das Personal ist sehr hilfsbereit“, berichtet der 33-Jährige aus Erftstadt in Nordrhein-Westfalen. Wie er das Gedränge in den Menschenströmen mit dem Rollstuhl erlebt? „Es ist natürlich nicht ganz einfach, wenn du gefühlt 20.000 Menschen vor dir hast, aber das ist für jemanden ohne Beeinträchtigung ja nicht anders – und die Leute hier sind wirklich extrem rücksichtsvoll.“

Eine weitere Herausforderung: die Kabelbrücke auf der ansteigenden Straße vom Zeltplatz zu den Bühnen
Stefan Schalles

Die Auftritte auf der Utopia Stage verfolgt Christian übrigens vom Dach der Boxengasse aus, zu dem die Rollstuhlfahrer bei Rock am Ring freien Zutritt haben. In Empfang genommen werden sie dort von den Festivalordnern, die sie vom Eingang zum Aufzug und weiter nach oben begleiten. Wobei sie, wie uns Thomas bereits erklärt hatte, grundsätzlich auch ins Infield vor die Bühnen dürften, dort allerdings aus Sicherheitsgründen nicht vor die ersten beiden Wellenbrecher. Auf den drei kleineren Bühnen wiederum gibt es eigens eingerichtete Rollstuhlplattformen, „auf denen man zwar eine sehr gute Sicht hat“, so der Düsseldorfer weiter, „sich aber irgendwie auch isoliert fühlt von der Menge“.

Und, das bemängelt Rebecca aus Freiburg: „Die fehlende Überdachung auf den Plattformen stört ein bisschen, weil wir den Regen im Sitzen noch einmal ganz anders abbekommen.“ Grundsätzlich jedoch sieht auch die 31-Jährige gute Fortschritte in Sachen Barrierefreiheit am Ring: „Es gibt ein paar Dinge, die besser sein könnten“, sagt sie, „der Campingplatz ist zum Beispiel zu klein für die Nachfrage, und wir haben hier zu wenige Stromanschlüsse – da unterschätzt man, glaube ich, ein Stück weit auch die Bedarfe, die es gibt, wenn man etwa auf Hilfsmittel wie Elektrorollstühle angewiesen ist. Aber alles in allem fühle ich mich hier absolut gleichberechtigt dazugehörig.“

Rebecca aus Freiburg besucht das Festival in diesem Jahr mit ihrem Zwillingsbruder David.
Stefan Schalles

Was schließlich auch dadurch begünstigt wird, „dass auf dem Rockability-Zeltplatz nicht nur Rollstuhlfahrer campen, sondern auch Wohnwagenbesitzer und Motorradfahrer, also Menschen ohne Beeinträchtigung. Und mich darf hier – anders als zum Beispiel bei Konzerten – auch mehr als eine Person begleiten. Weshalb ihr wohlwollendes Fazit lautet: „Man merkt trotz einiger Probleme, dass man es bei Rock am Ring ernst meint und etwas verändern will.“

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