Reaktionen auf Option Groko
Wer kann mit wem? Stimmen aus dem Ahrkreis
Die Stimmabgabe in einer Grundschule in Ahrweiler
Hans-Jürgen Vollrath. Martin Gausmann

Nach der Bundestagswahl zeichnet sich eine Große Koalition (Groko) von CDU und SPD ab. Von der Basis gibt es unterschiedliche Reaktionen auf diese Option. Eines steht jetzt schon fest: Es wird nicht einfach.

Der Wahlabend ist vorbei. Jetzt stehen Koalitionsverhandlungen bevor. Ein Zweierbündnis von CDU und SPD wäre möglich. Dass es schwierig werden wird, ist jetzt schon klar. Der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat bereits eine Mitgliederentscheidung angekündigt. Wie sieht das die Basis? Wie ordnen Vertreter der Parteien das Wahlergebnis und die Folgen ein? Unsere Zeitung hat nachgefragt.

Für Sabine Glaser, Vorsitzende der SPD im Kreis Ahrweiler, war das schlechte Abschneiden ihrer Partei erwartbar. „Es ist traurig, aber man musste damit rechnen.“ Ihre persönliche Meinung zum Thema schwarz-rote Groko: Sie wisse, dass es die einzige demokratische Alternative sei, aber sie hoffe auch auf einen Mitgliederentscheid der SPD. Das Verhalten von Friedrich Merz in seiner letzten Rede vor der Wahl findet sie irritierend: „Er kann uns nicht beschimpfen und dann eine Koalition bilden wollen.“ Und sie habe von Genossen von der Basis auch schon solche Ankündigungen gehört: „Wenn es eine Große Koalition geben sollte, dann trete ich aus. Und das war keine Einzelmeinung.“ Wenn Merz den Anspruch habe, ein Bundeskanzler für alle zu sein, dann habe er damit viele nicht abgeholt. Eigentlich müsse man für eine Große Koalition konsensfähig sein, aber so weit wie jetzt hätten CDU und SPD schon lange nicht mehr auseinandergelegen. „Der SPD würde es guttun, sich neu aufzustellen, aber ich weiß auch, dass es nicht möglich sein wird. Ich hätte es mir anders gewünscht.“

Plakate des Bundestagswahlkampfes in Lantershofen
Hans-Jürgen Vollrath

An die staatspolitische Verantwortung appelliert Petra Schneider, CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete. „Wir setzen darauf, dass die SPD genau wie wir in der Union ihre staatspolitische Verantwortung wahrnimmt, damit wir in den nächsten vier Jahren aus der demokratischen Mitte die dringenden Probleme lösen können“, so Schneider. „Es war vor der Wahl klar, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD für die CDU nicht infrage kommt. Daher ist durch das Ausscheiden der FDP rechnerisch nur eine Zusammenarbeit mit der SPD möglich. Es war auch eine große Erleichterung, dass das BSW am Schluss herausgefallen ist und wir daher keine Dreier-Koalition mit SPD und Grünen bilden müssen. Dies wäre deutlich schwieriger geworden“, so Schneider, die außerdem froh ist über das Ergebnis der CDU-Kandidatin Mechthild Heil. Mit 39,3 Prozent habe sie das zweitbeste Erststimmenergebnis in Rheinland-Pfalz erreicht und ziehe gestärkt in den Bundestag ein. Auch beim Erststimmenergebnis liege die CDU im Kreis Ahrweiler rund 4 Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt.

„Wir setzen darauf, dass die SPD genau wie wir in der Union ihre staatspolitische Verantwortung wahrnimmt, damit wir in den nächsten vier Jahren aus der demokratischen Mitte die dringenden Probleme lösen können.“
Petra Schneider, CDU-Kreisvorsitzende

„Wir sind positiv überrascht von dem Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl“, sagt Martin Kallweitt, der für die AfD im Wahlkreis 197 ins Rennen ging. Man sei hier zweistärkste Partei geworden – trotz heruntergerissener Plakate, medialer und sonstiger Hetze, die auch hier zu spüren gewesen sei. „Die Menschen hatten den Mut, uns ihr Vertrauen zu schenken. Wir sind eine Erfolgspartei und jetzt auch eine Volkspartei geworden“, kommentiert er die Wahlergebnisse. 17,9 Prozent der Erststimmen wertet er als tolles Ergebnis für sich. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen prophezeit er, dass Friedrich Merz seine „Versprechungen in einer Groko mit der SPD nicht wird umsetzen können“. Eine Brandmauer zur AfD zu errichten, sei undemokratisch und gegen den Wählerwillen. Für die Arbeit an der Basis kündigte er an, auf kommunaler Ebene Mehrheiten suchen zu wollen für AfD-Positionen. Es sei bedauerlich, dass AfD-Anträge bisher im Kreistag abgelehnt worden seien. Aber das Ergebnis der Bundestagswahl zeige, dass man im ländlichen Raum wie in der VG Adenau oder im Brohltal angekommen sei.

Die Grünen sind zufrieden

Trotz leichter Verluste sehr zufrieden mit dem Abschneiden der Grünen im Kreis Ahrweiler ist deren Kreissprecherin Birgit Stupp. „Wir liegen hier deutlich auf einer Linie mit dem Bundesdurchschnitt“, so Stupp. „Grüne Politik ist gesehen worden. Wir haben sie erlebbar gemacht“, sagt sie und schreibt diesen Erfolg auch der Spitzenkandatin Verena Örenbas zu. „Sie hat einen tollen Wahlkampf gemacht und die Nähe zu den Wählern und den Themen gesucht. Sie war eine gute Botschafterin für die Grünen im Wahlkampf“, so Stupp. Ihr Kommentar zu den anstehenden Koalitionsverhandlungen: „Die Debatte läuft ja noch. Es gibt Stimmen, die sagen: ,Mit der Oppositionsrollen sind wir auch fein’.“ Stupp findet es aber auch wertvoll, Kompromisse finden zu müssen: „Das ist die Schule der Demokratie.“ Andererseits sei es einfacher, sich zu Sachthemen so austauschen zu können, dass man sie schärfen könne. Auf Teufel komm raus in eine Koalition gehen? Damit sei ebenso keinem gedient wie ein rigoroses Nein.

Die Linke kann feiern

Im Aufwind befindet sich Die Linke – nicht nur bundesweit, sondern auch im Kreis Ahrweiler. Auf Wahlkreisebene ist sie auf 5,7 Prozent angewachsen. Und das spiegelt sich auch in der Mitgliederzahl wider. „Wir haben uns seit Ende 2023 verdreifacht und liegen jetzt bei 92 Mitgliedern“, so der Kreissprecher der Linken, Michael Lüdtke. „Es ist schön, bei Versammlungen auf volle Stuhlreihe zu schauen“, so Lüdtke, der im Kreisergebnis auch die Fortsetzung des Bundestrends mit dem Erfolg eines neuen Spitzenduos sieht. Es sei gelungen, viel mehr junge Leute zu gewinnen. Dadurch habe man mehr Flagge zeigen können. Er selbst biete Sozialberatung in Bad Breisig an, und dabei zeige sich, dass die Themen der Linken auch in einem konservativen Umfeld ankämen in Zeiten, in denen alles nicht einfacher werde. Das gehe an den Leuten nicht spurlos vorbei. Als Beispiele nennt er die Gesundheitsversorgung oder die Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Das finde Anklang bei jungen Menschen, die keine Vorbehalte gegenüber der Linken hätten. „Wir sind über TikTok neue Wege gegangen. Wir waren präsent“, so Lüdtke. Einer möglichen Groko, die sich abzeichnet, wünscht er vor allem viel Geduld und weist darauf hin, dass die Probleme nicht mit einer Migrationsdebatte zu lösen seien, bei der man die anderen Themen aus den Augen verliere.

Die FDP muss mit Einbußen klarkommen

„Es ist nicht das Ende der FDP“, kommentierte der enttäuschte, aber trotzdem optimistisch bleibende FPD-Kreisvorsitzende Ulrich van Bebber das Abschneiden seiner Partei. „Wir waren 2013 in einer ähnlichen Situation und haben danach mit Christian Lindner den Aufbau gestartet.“ Aufgabe der Liberalen sei es jetzt, sich auf das nächste Etappenziel, die Landtagswahlen im März 2026, vorzubereiten. „Wir lassen uns nicht unterkriegen“, so van Bebber. Vor der Bundestagswahl habe es im Kreis Ahrweiler noch Neueintritte gegeben. „Es gibt auch Leute, die die Freiheit hochhalten wollen.“ Es mache ihm Sorgen, wenn ein Drittel der Bürger bei der Bundestagswahl extreme Parteien wählen. Es sei eine große Herausforderung, die Mitte zu stärken. 3 Prozentpunkte habe die FDP außerdem bundesweit an die CDU verloren. Auf Kreisebene liege die FDP aber etwas über dem bundesweiten Durchschnitt. Aber es sei auch so, dass man auf lokaler Ebene nicht so viel Einfluss auf das Ergebnis habe. Ein Nachteil sei auch der kurze Wahlkampf gewesen, bei dem sich zuletzt alles emotional und hysterisch auf die Migrationsfrage zugespitzt habe, während wichtige FDP-Positionen zur Wirtschaftswende und zu den außenpolitischen Herausforderungen nicht so zur Geltung gekommen seien.

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