Eine Praxis, die für Außenstehende mitunter pietätlos erscheinen mag, rechtlich jedoch durchaus geboten ist. „Solange keine Todeserklärung für eine nicht mehr auffindbare Person vorliegt, gibt es für Angehörige weder emotionale noch erbrechtliche Klarheit“, fasst Alexander Knauss, Rechtsanwalt und Geschäftsführender Partner der Bonner Anwaltskanzlei Meyer-Köring, im Gespräch mit der RZ die Gründe für die Sinnhaftigkeit einer solchen Todeserklärung in einem Satz zusammen.
Gewissheit für Angehörige
Zwar sei die Todeserklärung durch ein Gericht kein Prozedere, mit dem Gerichte tagtäglich betraut würden, „aber bei Naturkatastrophen wie etwa der Ahrflut 2021 kann es durchaus sinnvoll sein, eine solche Todeserklärung zu beantragen. Die Angehörigen von Vermissten können hierdurch endlich abschließen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Grund, warum ein Vermisster für tot erklärt werden soll“, so Knauss.
Der Rechtsanwalt führt weiter aus: „Die Chance, dass sich ein Mensch, der seit der Ahrflut als vermisst gilt, jetzt noch lebend meldet, ist eher gering. Gerade für die Angehörigen, die seit der Flut die Zeit mit Warten und Hoffen um die vermisste Person verbracht haben, ist diese Zeit oft belastend. Die Erklärung, dass ein Vermisster nun offiziell als tot gilt, kann in solchen Situationen eine befreiende Wirkung für die Angehörigen haben. Ihnen wird durch diese Todeserklärung signalisiert, es ist Zeit, abzuschließen.“
Wirtschaftliche Klarheit
Aber auch wirtschaftlich sei eine Todeserklärung von Vermissten in jedem Fall dann aus juristischer Sicht geboten, wenn die vermisste Person Vermögenswerte hinterlassen habe. „Man muss sich klar machen, solange die Angehörigen keine vermögensregelnden Vollmachten haben, können sie nicht über das Vermögen des Vermissten verfügen“, betont der Fachanwalt für Erbrecht. So sei es weder möglich, auf Bankkonten einer vermissten Person zuzugreifen, noch Vermögenstransaktionen zu leisten. Erst in dem Zeitpunkt, in dem eine Person für tot erklärt werde, gehe das Vermögen auf die Erben über.
„Was viele Menschen auch nicht wissen, solange eine Person als vermisst gilt, laufen auch alle Verbindlichkeiten, die diese Person vertraglich begründet hat, grundsätzlich weiter“, erklärt Knauss und hat bei dem Begriff Verbindlichkeiten gleichermaßen etwa vertragliche Verpflichtungen zu Mietzahlungen von durch Vermisste angemietete Wohnungen wie auch die grundsätzliche Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkbeiträgen oder Kontoführungsgebühren im Blick.
Rechtliche Sicherheit
Insbesondere sei zu unterscheiden, ob eine Person tatsächlich vermisst werde, weil für sie eine Lebensgefahr bestanden hat, oder ob die Person für einen gewissen Zeitraum nur nicht mehr gefunden werden wolle und untergetaucht sei. „Gerade bei Menschen, die sich finanziell verschuldet haben, soll die Tatsache, dass sie plötzlich als vermisst gelten, nicht dazu führen, dass etwaige Gläubiger leer ausgehen.“
Um eine vermisste Person für tot erklären zu lassen, bedürfe es zudem mehr als die Tatsache, dass die Person vermisst werde. „In jedem Fall ist ein rechtlich begründetes Interesse darzulegen, warum jemand für tot erklärt werden soll“, betont der Rechtsanwalt und bekräftigt: „Die bloße Behauptung, dass jemand vermisst wird, reicht grundsätzlich nicht aus“.
Die Todeserklärung
Im Vermisstenfall nach einer Katastrophe können Angehörige /Personen mit rechtlichem Interesse beim zuständigen Amtsgericht die Todeserklärung des Vermissten nach den Normen des Verschollenheitsgesetzes beantragen. Hierzu muss der Vermisste verschollen (unbekannter Aufenthaltsort über einen längeren Zeitraum; auch gibt es Zweifel, dass er noch lebt) und durch eine Katastrophe in Lebensgefahr gekommen sein; die Lebensgefährdung muss ein Jahr zurückliegen bei Antragstellung. Das Gericht eröffnet ein Aufgebotsverfahren (bittet den Vermissten, sich binnen einer Frist zurückzumelden); nach erfolglosem Fristablauf erfolgt regelmäßig die Todeserklärung.