Anlage in Wachtberg-Berkum
Weltraumradar gefährdet Windenergiepläne im Ahrkreis
Die Radaranlage des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR im benachbarten Wachtber-Berkum droht die Windkraftpläne im Kreis Ahrweiler zu stoppen.
picture alliance/dpa

Auf dem Weg zum „bilanziell klimaneutralen Landkreis Ahrweiler“ tut sich ein neues Hindernis auf. Die Radaranlage des Fraunhofer Instituts in Wachtberg-Berkum, die auch militärisch genutzt wird, droht, einige Windkraftprojekte zu stoppen.

Lesezeit 4 Minuten

Von den Höhen im Kreis Ahrweiler ist die weiße Kugel am nördlichen Horizont beinahe von überall aus zu erkennen. Unter dieser Kuppel in Wachtberg-Berkum betreibt das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radarforschung (FHR) das Weltraumbeobachtungsradar TIRA - einen voll beweglichen experimentellen Antennenkoloss in Form einer Satellitenschüssel mit einem Durchmesser von 34 Metern.

Für Raumfahrtorganisationen auf der ganzen Welt außerhalb der USA bietet das Weltraumbeobachtungsradar nach Darstellung des Fraunhofer-Instituts als einziges System die Möglichkeit, vom Boden aus in hoher Präzision Flugbahnen zu vermessen, in hoher Auflösung Objekte wie Satelliten abzubilden oder Weltraumschrott genau zu vermessen. Inzwischen soll ein bedeutender Teil der Beobachtungsaufträge einen militärischen Hintergrund haben. Und um diese Aufgaben nicht zu gefährden, benötigt das Radar eine möglichst freie Sicht auf einen möglichst großen Teil des Himmels, der durch nichts verstellt werden sollte – auch nicht durch Windräder.

Schutzbereiche sollen größer werden

Daher gibt es jetzt Bestrebungen, den sogenannten militärischen Schutzbereich um die Radaranlage auszuweiten. Bislang galt ein Schutzradius von vier Kilometern, in dem der Bau höherer Objekte gänzlich untersagt war. Dieser Radius soll jetzt auf fünf Kilometer ausgedehnt werden.

Und nicht nur das: Unabhängig von diesem Fünf-Kilometer-Schutzbereich geht das Fraunhofer-Institut grundsätzlich davon aus, „dass bei allen Windenergieanlagen innerhalb von zwölf Kilometern eine Betroffenheit des Weltraumteleskops vorliegt“, wie die Kreisverwaltung Ahrweiler auf Anfrage mitteilt. Ein Gutachten könne dann im Einzelfall nachweisen, dass keine Betroffenheit zu erwarten ist.

Innerhalb eines 20-Kilometer-Radius um die Anlage möchte das Fraunhofer-Institut bei allen Planungen von Windenergieanlagen beteiligt werden.
Kreisverwaltung Ahrweiler

Und es geht weiter: „Innerhalb eines 20-Kilometer-Radius um die Anlage möchte das Fraunhofer-Institut bei allen Planungen von Windenergieanlagen (und möglicherweise anderen Projekten von ähnlicher Höhe) beteiligt werden. Dies soll in Zukunft durch einen ‚erweiterten Interessenbereich‘ dargestellt werden, der einen 15-Kilometer-Radius um den (möglicherweise zukünftigen) Fünf-Kilometer-Schutzbereich aufweist. Grundsätzlich wird das Fraunhofer-Institut durch die SGD Nord bei Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) bei relevanten Planungen innerhalb dieses Radius bereits beteiligt“, so die Kreisverwaltung.

Damit könnten nun aber einige Pläne für zukünftige Windparks rund um das Radar ins Wanken geraten. Im Kreis Ahrweiler wären durch die Zwölf-Kilometer-Zone alle möglichen Standorte innerhalb der Gemeinde Grafschaft und auf dem Gebiet der Stadt Remagen betroffen sowie die meisten möglichen Standorte auf den Gebieten der Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig. Die Zwölf-Kilometer-Zone ragt auch in das Gebiet der Verbandsgemeinde Altenahr hinein. Momentan sind mehrere Verfahren der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie der Stadt Sinzig (möglicherweise) betroffen. Diese Verfahren befinden sich in unterschiedlichen Genehmigungsschritten. Für die schon weiter fortgeschrittenen Windparkpläne in der Verbandsgemeinde Unkel auf der anderen Rheinseite im Kreis Neuwied könnten die Fraunhofer-Bestrebungen ebenfalls noch zu einem Hindernis werden.

Innerhalb des 20-Kilometer-Radius rund um das Weltraumradar befinden sich außerdem geplante Anlagen bei Dedenbach (Verbandsgemeinde Brohltal). Große Teile der Verbandsgemeinden Altenahr, Bad Breisig und Brohltal befinden sich innerhalb dieses Prüfradius. „Inwiefern hier Gutachten vorgelegt werden müssen, ist noch nicht bekannt“, so die Kreisverwaltung.

Von nahezu allen Höhen im östlichen Ahrkreis aus ist die Radom-Kugel des TIRA-Radars am Horizont zu sehen.
Christian Koniecki

Noch ist in der Region nichts entschieden und eine Prognose, wie es mit den Windparks weitergehen kann, gleicht einem Blick in die Sterne. „Wir arbeiten daran, den Schutzradius zu erweitern. Das TIRA ist in Europa ein einzigartiges System, sodass die Forderung gerechtfertigt ist“, erklärt Jens Fiege, Pressesprecher des FHR. „Wir beobachten den Horizont. Windkraftanlagen führen auch in zehn Kilometern Entfernung dazu, dass wir einen Teil der überwachten Fläche nicht mehr sehen können“, so Fiege. Ein Satellit in einer niedrigen Erdumlaufbahn benötige etwa 90 Minuten, um die Erde einmal zu umkreisen. „Wir sehen maximal 20 Minuten davon. Mit jeder Anlage, die das Blickfeld einschränkt, reduziert sich diese Zeit und damit auch die Qualität der Messungen. Wir wollen einen Schutzbereich, der in allen Karten und bei allen Behörden festgelegt ist“, erläutert der Pressesprecher. Das sei relevant für zivile Auftraggeber, aber vor allem für die Bundeswehr.

Abschreckung für mögliche Investoren

Das wirft die Frage auf, ob es für mögliche Investoren noch interessant ist, ihr Interesse am Bau eines Windparks zu bekunden, wenn die Bundeswehr schlussendlich den Bau noch verhindern kann? Denn Pla­ner­ gehen ein hohes finanzielles Risiko im Vorfeld ein, denn sie müssen viele Anforderungen erfüllen: Schall- und Schattenwurfprognosen müssen erstellt werden, Streckenstudien, Vermessungen, Untersuchungen und Prognosen über Arten- und Naturschutz, Boden, Ertrag und noch mehr. Das ist teuer. Erst ganz zum Schluss der Verfahren steht die Prüfung der „Träger öffentlicher Belange“.

Eines dieser Belange ist die Sicherheit. Hier kann auch die Bundeswehr mitreden. Die Interessen der Streitkräfte lassen, so scheinen es Erfahrungen in anderen Bundesländern zu zeigen, wenig Spielraum. Militärische Belange konkurrieren immer häufiger mit den Interessen der Windenergiebranche. Das bestätigt auch der Bundesverband Windenergie (BWE). Die häufigsten Ursachen für das Scheitern, oder Verzögerungen von Windenergieprojekten, sind laut Bundesverband Hubschraubertiefflugstrecken sowie Radarführungsmindesthöhen. So wurden, wie der BWE untersucht hat, zwischen 2020 und 2024 Projekte mit einem Volumen von 4730 Megawatt (MW) von militärischen Hemmnissen betroffen. Deutlich mehr als die Hälfte der Projekte wurden, laut BWE, bereits vor dem Start des Genehmigungsverfahrens aufgegeben. Von den Projekten, die ein Genehmigungsverfahren bis zum Schluss durchliefen, hätten weniger als die Hälfte einen positiven Genehmigungsbescheid erhalten. Viele Projektierer würden ihre Planungen aufgeben, da das Risiko, dass ein zeit- und kostenintensives Genehmigungsverfahren scheitert, erheblich sei.

Wann und ob die Erweiterung des Schutzbereichs oder die Definition weiterer Interessenbereiche rund um das Radar in Kraft treten sollen, ist in der Kreisverwaltung Ahrweiler nicht bekannt. „Unabhängig davon besteht aber jetzt schon die Notwendigkeit, beim Planen von Windenergieanlagen die Nichtbeeinträchtigung des Weltraumradars nachzuweisen. Sofern das Fraunhofer-Institut im Zuge des Verfahrens nach Bundesimmissionsschutzgesetz Bedenken erhebt, ist die Chance auf Genehmigung sehr gering“, heißt es aus dem Kreishaus.

Top-News aus der Region