Bad Godesberg/Antalya
Weiterer Schicksalsschlag für Denise P.: Mutter des totgeprügelten Niklas sitzt seit Mitte Juli in türkischer U-Haft
Fall Niklas
Der 17 Jahre alte Niklas war im Mai 2016 im Bonner Stadtteil Bad Godesberg auf offener Straße mit einem Schlag gegen den Kopf niedergestreckt worden. Foto: Rolf Vennenbernd
Rolf Vennenbernd. dpa

Bad Godesberg/Antalya. Nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes Niklas Anfang Mai 2016 musste Denise P. ein Jahr durch die Hölle gehen. Jetzt kommt heraus: Die 48-Jährige sitzt seit Mitte Juli in U-Haft in einem Gefängnis in Antalya.

Lesezeit 2 Minuten

Der Vorwurf: Diebstahl einer Gürteltasche mit zwei Handys. Sie spricht indes von einer Verwechslung, wie der Bad Godesberger Pfarrer Wolfgang Picken sagt. Laut dem Seelsorger hatte sich Denise P. in der Türkei mit ihrem Lebensgefährten von den Anstrengungen rund um den Prozess erholen wollen: „Sie hatte sich die Türkei ausgesucht, weil sie das Land liebt.“

Nach zwei Wochen an der Küste habe sie sich gestärkt und erholt gefühlt. Sie war auf dem Weg zum Flughafen, als der Bus von der Polizei gestoppt und sie festgenommen wurde. Erst kurz zuvor soll sie die Verwechslung der markengleichen Gürteltasche bemerkt haben. Diese habe sie beim Auschecken in der Hotellobby an sich genommen.

Schon bei der Festnahme teilten ihr die türkischen Ermittler mit, dass sie mit einer U-Haft bis mindestens Mitte September rechnen müsse. Das seien die gängigen Bearbeitungsfristen bei vergleichbaren Fällen. Laut Picken hat ihr türkischer Rechtsanwalt bislang vergeblich versucht, unter Verweis auf die besondere Situation der 48-Jährigen eine Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen. Auch wegen der Gerichtsferien in der Türkei und der Verlegung des Gerichtsorts, womit eine andere Staatsanwaltschaft zuständig ist. Es wird nun ein zeitnaher Haftprüfungstermin erwartet.

Politische Gründe für die Festnahme schließt Picken bislang aus. Ebenso, dass das Verfahren von den politischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei beeinflusst werden könnte: „Die Haftbedingungen sind landesüblich. Die Behandlung durch das Gefängnispersonal ist gegenwärtig nicht zu beanstanden.“

Picken weiter: „Man kann sich nicht vorstellen, was die Haft seelisch und auch physisch für sie und ihren Partner bedeutet. Man fragt sich auch, wie es möglich ist, dass ausgerechnet diese, durch den Tod ihres Sohnes so hart getroffene Frau einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen muss.“

Denise P. und ihr Partner werden vor Ort vom Deutschen Konsulat und durch ihren Rechtsanwalt betreut. Die Familie kann einmal die Woche mit ihr telefonieren. Der Bad Godesberger Pfarrer abschließend: „Es ist erstaunlich, mit wie viel Tapferkeit und Kraft sie gegenwärtig auch dieser Situation begegnet.“

Ihr Sohn Niklas, der zuletzt in Bad Breisig in Rheinland-Pfalz wohnte, war im vergangenen Jahr im Bonner Stadtteil Bad Godesberg zusammen mit Freunden auf dem Heimweg von einem Konzert an eine Gruppe von jungen Männern geraten. Nach einer Prügelattacke starb der Schüler einige Tage später im Krankenhaus. Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erreget. Ein Prozess vor der Bonner Landgericht endete im Mai 2017 mit einem Freispruch.

Von unserem Redakteur Jan Lindner

Top-News aus der Region