Die Nachricht kam für alle überraschend: Das DRK zieht sich aus dem Krankenhausbereich zurück. Betroffen davon ist wegen der Verflechtungen innerhalb des Trägers in diesem Strudel auch die Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bad Neuenahr, die in der Lindenstraße eine Tagesklinik und eine Ambulanz in der Hans-Frick-Straße unterhält . Hier werden schwerpunktmäßig Essstörungen sowie Zwangs- und Angsterkrankungen behandelt. Wie geht es weiter mit der Einrichtung? Das ist die Frage, die im Kreis Ahrweiler und in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler am meisten bewegt.
Neuer Träger dürfte sich wohl finden lassen
In Bad Neuenahr-Ahrweiler liefen am Freitag die Telefondrähte heiß. Nach einem Gespräch mit dem Kaufmännischen Direktor der Klinik, Karl-Heinz Ritzdorf ist Guido Orthen, Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, guter Hoffnung, dass das Finden eines neuen Trägers „unter einem guten Stern steht“. Die Chancen dafür ständen gut, da die Klinik gute und professionelle Arbeit leiste. Das Angebot sei überregional anerkannt und bedeutend.
„Unsere Klinik ist darauf spezialisiert, umfassende Unterstützung und Hilfe anzubieten, um gemeinsam die Herausforderungen psychischer Erkrankungen zu bewältigen.Unsere Therapieansätze sind individuell auf die Bedürfnisse unserer Patienten zugeschnitten und zielen darauf ab, ihre gesellschaftliche Integration und Teilhabe zu fördern. Wir arbeiten nach wissenschaftlich fundierten Leitlinien und setzen uns dafür ein, dass die Therapie den größtmöglichen Nutzen für unsere Patienten und ihre Familien bringt. Wir legen großen Wert auf die Zusammenarbeit und Beteiligung unserer Patienten und ihrer Angehörigen“, heißt es auf der Internetseite der Klinik, deren Kaufmännischer Leiter am Freitag für Presseanfragen nicht zu erreichen war. Reaktionen gab es dagegen vom Ärztlichen Direktor Kristian Holtkamp. „Ich bin fassungslos“, sagte er. Es sei ein Armutszeugnis und eine Bankrotterklärung für die Versorgung der jungen Patienten. Und auch doppelt ärgerlich, weil die Klinik keine finanziellen Probleme habe. Er hofft nun, dass der Insolvenzverwalter diese Situation richtig einschätzt und entsprechend handelt. Es brauche schnell ein offizielles Signal, dass es in Zukunft weitergeht. Ansonsten, so befürchtet Holtkamp, könnte wertvolles Personal, vor allem Ärzte, schnell abwandern und wäre dann für die Klinik verloren.
Minister kündigt Runden Tisch an

Betrieb läuft weiter
Erst einmal beruhigend sei zu wissen, so Bürgermeister Guido Orthen, dass der Betrieb auch in der Phase der Insolvenz weitergehen wird. Für kommenden Freitag habe sich der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch für einen Runden Tisch zum Thema angekündigt, an dem auch die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler teilnehmen werde. Die Stadt werde sich dabei unterstützend einbringen, so Orthen. „Und wir wollen von den Verantwortlichen wissen, was ist und was wird. Entsprechende Schreiben mit der Bitte um Antworten zur Klärung der Sachlage sind bereits beauftragt.“ Die Landrätin des Kreises Ahrweiler, Cornelia Weigand, war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die DRK-Fachklinik am Standort Bad Neuenahr hatte sich nach der Flutkatastrophe, bei der die Einrichtung schwer beschädigt wurde, mit viel Engagement zurückgekämpft. Nach der Katastrophe hatte das multiprofessionelle DRK-Team aus Ärzten, Psychologen und Fachtherapeuten zunächst Ausweichräume in Bad Neuenahr und Lantershofen bezogen, um die ambulante und tagesklinische Versorgung aller Kinder und Jugendlichen mit psychischen Problemen im nördlichen Rheinland-Pfalz und im Bonner Raum aufrechtzuerhalten. Zunächst unter dem Dach des Krankenhauses Maria Hilf, konnten im September 2021 vollstationäre Behandlungen wieder anlaufen. Es war eine begrenzte Option. Zwischenzeitlich war noch ein Umzug in die Gefäßklinik von Dr. Bauer nötig. Im Dezember 2022 war Clemens Hoch nach Bad Neuenahr gekommen, um der DRK-Fachklinik 5,3 Millionen Euro an Wiederaufbauhilfen zu bewilligen. Im Herbst des Jahres 2023 hatte sie den vollständigen stationären Betrieb wiederaufgenommen.
Wiederaufbau nach der Flut mit großem Engagement

Versorgungssituation ist angespannt
Begleitet war die Odyssee auch immer von dem sorgenvollen Blick auf die angespannte Versorgungssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im nördlichen Rheinland-Pfalz. Im Dezember 2022 schilderte der Ärztliche Direktor Kristian Holtkamp die Situation gegenüber unserer Zeitung: Durch die Corona-Pandemie sei der Behandlungsbedarf bei Kindern und Jugendlichen stark angestiegen. „Bei Essstörungen gibt es laut einer neuen Studie einen Anstieg um 40 Prozent“, so Holtkamp. „Auch bei Depressionen und Schulvermeidung ist die Zahl der Fälle gestiegen.“ Neben der Pandemie und den Zukunftsängsten durch Krieg und Klimakrise spielten bei Kindern und Jugendlichen laut Holtkamp die schulischen Anforderungen eine Rolle bei der Entstehung psychischer Probleme. Aktuell weist er darauf hin, dass gerade im von der Flut betroffenen Kreis Ahrweiler ein solches Angebot für Kinder und Jugendliche weiter bestehen muss.
Davon ist auch Christoph Smolenski, Geschäftsführer der Dr. von Ehrenwall’schen Klinik in Ahrweiler, überzeugt. „Das ist absolut wichtig“, so Smolenski, der schockiert über die aktuellen Nachrichten gewesen sei. Sein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie komme allerdings als Träger nicht infrage. „Wir sind mit unserem Aufbau zu stark beschäftigt, um noch ein neues Spielfeld zu eröffnen.“ Er gehe jedoch davon aus, dass es einen neuen Träger geben werde, zumal die DRK-Klinik stark nachgefragt werde. Er habe bereits von Interessenten gehört.
„Die Marienhaus-Gruppe muss sich erst einmal einen Überblick über die Lage verschaffen.“
Dietmar Bochert, Leiter Kommunikation und Marketing der Marienhaus-Gruppe
Könnte einer davon die Marienhaus-Gruppe sein, die das Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr-Ahrweiler betreibt? Diese befindet sich gerade in konkreten Gesprächen darüber, ob sie das DRK-Krankenhaus Neuwied übernimmt. Auf Bad Neuenahr-Ahrweiler angesprochen und darauf, ob die Marienhaus-Gruppe auch dort Interesse an einer Übernahme hat, wehrt deren Leiter Kommunikation und Marketing, Dietmar Bochert, ab. „Das ist noch sehr frisch für uns“, sagt er.
Drei Aspekte seien bei einer möglichen Übernahme zu beachten, erklärt er. Zum einen müsse die eigene Stabilität gewahrt werden; immerhin beschäftige die Gruppe 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weiter müssten die Gesundheitsreform und deren Vorgaben berücksichtig werden. Und drittens sei die Frage zu beantworten, ob der Standort wichtig für die Versorgungssicherheit in der Region sei. „Die Marienhaus-Gruppe muss sich erst einmal einen Überblick über die Lage verschaffen“, macht der Sprecher deutlich.