Seit März herrscht der Ausnahmezustand im Land. Was hat dieses Jah aus den Menschen gemacht – nur Kampf, Krampf und das bedrückende Gefühl der latenten Angst? Oder bleiben auch an 2020 gute Erinnerungen – von Solidarität, Aufbruch und neuen positiven Erfahrungen? Welchen Schlussstrich ziehen wir unter dieses Jahr? Und die alljährliche Frage zu Silvester, wie es denn mit den guten Vorsätzen für das kommende bestellt ist, war wohl noch nie so angebracht wie 2020/2021.
Der 13. März krempelt das Leben von Schulleiterin Anjo Närdemann um. Ihre Grundschule in Kripp schließt: Lockdown. Komplett neue Pläne für Unterricht und Organisation müssen aus dem Boden gestampft werden. Eine digitale Plattform muss her, um die Kommunikation zwischen Eltern, Kindern und Lehrerinnen zu gewährleisten. Alles ungewohnt, alles neu, alles zusätzliche Arbeit. Aber sie lohnt sich. „Die Pandemie hat sich auf den Zusammenhalt der ganzen Schulgemeinschaft sehr positiv ausgewirkt“, sagt Närdemann. Und im Mai, als die Grundschüler schrittweise wieder in die Schule kommen, erlebt sie Kinder, „die so motiviert und konzentriert und freudig gelernt haben, wie noch nie“.
Corona hebt aber auch das gewohnte Privatleben von Anjo Närdemann weitgehend aus den Angeln: Kein Singkreis mehr, Proben und Auftritte mit ihrem Blasorchester fallen aus, keine Bahnen mehr schwimmen in ihrem geliebten Bodendorfer Thermalbad und keine Reisen mit der 84-jährigen Mutter mehr. Der Garten wird in dieser Zeit für Anjo Närdemann zum Refugium, wo die Beobachtung von Schmetterlingen und Vögeln, die Farbenpracht der Blumen und die vielen Bücher, die sie dort liest, zumindest zeitweise fehlende soziale Kontakte ersetzen. „Ich war und bin sehr dankbar für meine 'Gartenreisen'“, sagt sie.
Belastend und stets gepaart mit Sorgen, Unbehagen, Einschränkungen und oftmals auch schlicht und einfach mit Angst, hat der Bürgermeister der Gemeinde Grafschaft, Achim Juchem, das Corona-Jahr 2020 erlebt. Mit dem ersten Lockdown war auch für den Verwaltungschef von jetzt auf gleich alles anders: Notbetreuung in den Kindertagesstätten und Schulen, die schwierige Beschaffung von Desinfektionsmitteln und Masken, die Sorgen und Nöte vieler Mitmenschen, enorme finanzielle Belastungen. Aber auch Juchem macht positive Erfahrungen. „Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft der Grafschafter haben mich tief beeindruckt.“ Da wuchs in ihm auch der bewusste Blick in die Welt und die Einsicht: „Es könnte schlimmer sein.“
Ganz persönlich bekommt er im Sommer durch zwei Operationen und den damit verbundenen Krankenhausaufenthalten quasi aus erster Hand Einblick in die Arbeit der Ärzte und Pflegekräfte unter Corona-Bedingungen. Juchem hofft, „dass sich künftig politische Diskussionen über die Finanzausstattung des Medizin- und Pflegesektors mit deutlich mehr Augenmaß für gesellschaftliche Notwendigkeiten und nicht nur mit Blick auf den letzten einzusparenden Euro gestaltet“.
Nur eines von vielen Projekten, die sich Stephan-Maria Glöckner, Künstler, Musiker und Grafiker aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, für 2020 vorgenommen hatte, war eine Ausstellung zu seinen „Wortschätzen“. Die Exponate, ausgesuchte kritisch-satirische Schriftbilder, hätten gut in diese Zeit der rasanten Veränderungen gepasst. Doch Corona hat auch ihm einen Strich durch diese Pläne gemacht. Dabei gehört Glöckner zu den Menschen, die sich nicht so schnell erschüttern lassen, die optimistisch sind. Ein Buch zu den „Wortschätzen“ hat Stephan Maria Glöckner deshalb trotzdem herausgebracht, und es gibt einen gut nachgefragten Kalender für 2021. Es sind „kleine Rettungsanker“ für den Künstler, der wie die ganze Kulturbranche unter Corona besonders zu leiden hat.
Glöckner glaubt, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen aber noch sehr glimpflich davongekommen ist in diesem so verstörenden Jahr. Bestätigung, Anerkennung und positive Rückmeldungen hätten ihm Kraft gegeben. Vieles musste er neu denken. „Ich finde es schön, dass das, was man ausprobiert hat, funktioniert hat. Das stärkt einen darin zu sagen: Was kann schon passieren?“, so Glöckner. Dazu gehören auch die Auftritte in den Weingärten oder im Weingut Sonnenberg. Ohne Gage. Was nicht so leicht war: Er ließ den Hut kreisen, und der füllte sich auskömmlich. „Die Leute waren großzügig“, sagt Glöckner.
Wer Walter Müller kennt, der weiß, dass ihn auch eine Pandemie nicht wirklich ausbremsen kann. Zwar hat sich der pensionierte Berufssoldat und umtriebige Autor von naturkundlichen und kulturhistorischen Schriften mit seiner Frau Inge daheim in Niederzissen etwas eingeigelt, doch dies hat ihm anderseits auch ausgiebig Gelegenheit geboten, täglich viele Stunden an seinem neuen Buch „Steinreiche Eifel Band 3“ zu arbeiten. „Ich war auch viel mit Maske unterwegs, um Fotos für das Buchprojekt aufzunehmen“, erzählt Müller, der nach wie vor im Vorstand der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft mit Sitz in Mendig vertreten ist.
Was Walter Müller in diesem Jahr aber so richtig vermisst hat, waren Urlaubsreisen mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln. Genau darauf freut er sich im neuen Jahr. Und auch darauf, dass man sich in den hoffentlich bald wieder normaleren Zeiten „wieder mit den Menschen, die man unterwegs trifft, angeregt unterhalten kann und die interessanten Hobbys mit Gleichgesinnten pflegen darf“. Für den Vulkanismus-Experten steht fest: Sobald er sich gegen das Virus impfen lassen kann, wird er dies auch tun.
Was er sich sonst noch für 2021 wünscht? „Dass sich die angespannte Corona-Lage so abschwächen wird, dass die Generationen wieder uneingeschränkt zusammenkommen können.“ Und auch, dass „sich die Kultur in all ihren Facetten wieder präsentieren darf und unsere sensible Natur eine Chance bekommen wird, damit das Artensterben nicht weiter zunimmt“, so Müller.
Und auch Achim Juchem geht optimistisch ins neue Jahr. „Die Entwicklung des Corona-Impfstoffes hat uns aufgezeigt, dass uns manchmal in kurzer Zeit auch schwierige Dinge gelingen. Die jetzt anlaufenden Impfungen nähren die Hoffnung, dass uns in 2021 der Schritt weg von Corona und hin zur Normalität gelingt. Dass wir eben nicht mehr Abstand von den Menschen halten müssen, die uns am Herzen liegen, um diese zu schützen. Dass wir unser „früheres“ Leben wieder leben können. Dies hoffentlich mit dem kollektiven guten Vorsatz, die vielfältigen Lehren aus der Coronazeit zu ziehen. Und ganz persönlich: den eigenen Akku in Ruhe wieder aufzuladen, wie viele, viele andere Menschen dies auch nötig haben!“
Mal schauen, wie es jetzt weitergeht?“, sagt Stephan Maria Glöckner. Was er aus der Krise gelernt hat, soll ihn auch durch das neue Jahr tragen: „Man muss sich etwas einfallen lassen, flexibel sein, damit umgehen lernen. Wenn es wieder keine Livekonzerte geben kann, dann streame ich von zu Hause aus. So wie im vergangenen Jahr.“ Ein Jahr, in dem er gelernt hat, die nötige Technik dazu selbst aufzubauen. Was machen wir denn jetzt? Wenn Kollegen ihn das fragten, würde er ihnen sagen: „Wir sind doch kreativ.“ Glöckner hat jedenfalls ein gutes Gefühl, wenn es um das Jahr 2021 geht.
Und auch für Anjo Närdemann war 2020 nicht nur ein Krisen-, sondern auch ein Lehrjahr. Es mit sich selber aushalten, Lagerkoller inklusive, hat sie aus 2020 gelernt und das Pläneschmieden allenfalls unter großen Vorbehalten möglich ist. Auch eine neue Erfahrung für sie. Nur den Lebensmut und die Vorfreude auf 2021 hat ihr das Seuchenjahr 2020 nicht geraubt. „Es nützt ja alles nichts: Nicht rumjammern, weiter den gesunden Menschenverstand gebrauchen, um möglichst gesund durch die Krise zu kommen. Mich nicht unterkriegen lassen, gewonnene Zeit für mich nutzen, nach dem Motto: Carpe diem! Sobald es wieder geht, gute Freundinnen „live und in Farbe“ treffen und wieder mal verreisen. Konzerte besuchen. Ins Kino gehen … Und natürlich: Mehr Sport treiben“, das sind ihre guten Vorsätze für 2021.
Und endlich wieder Menschen treffen – physisch, Auge in Auge. „Telefonate und Videokonferenzen sind doch nur ein Notbehelf. Und da geht es mir wie vielen: Es reicht langsam …“