Das Geräusch einer durchlaufenden Kaffeemaschine, dazu frische Brötchen vom Bäcker und perfekt gekochte Eier – wie anders sollte auch ein Sonntag aussehen? An diesem Sonntag spazieren viele Menschen zur Wahlkabine, die Bundestagswahl steht an. Aber warum wählen die Bürger heute überhaupt noch vor Ort? Macht die Briefwahl nicht vieles entspannter? Wir haben vor den Wahllokalen in Remagen nachgefragt.

In Remagen wird in zehn verschiedenen Wahllokalen gewählt. So laufen die Menschen reihenweise in die Aula der IGS Remagen. Die Menschen vor den Wahllokalen nannten viele Gründe, warum sie heute ihre Zettel vor Ort in die Urne werfen: Vergesslichkeit, „Sichtbarkeit der Demokratie“ oder die Chance, auch kurzfristig noch auf bundespolitische Ereignisse reagieren zu können. Die 24-jährige Chiara Glücks vergaß rechtzeitig ihren Briefkasten zu öffnen. Bei der vergangenen Bundestagswahl zählte sie noch zu den Briefwählern, dieses Jahr wäre ihr Brief aber nicht mehr rechtzeitig angekommen. „Wählen ist für mich wichtig, einmal aufgrund des Rechtsrucks und zum anderen damit die Demokratie instand gehalten wird“, betonte Chiara Glücks.
12.828 Wahlberechtigte in Remagen
In Remagen sind insgesamt 12.838 Personen wahlberechtigt. Nach Auskunft der Stadt Remagen haben 5.143 von ihnen eine Briefwahl beantragt. Wenn man eine Wahlbeteiligung von 77 Prozent unterstellt, wie 2021, würde der Anteil der Briefwähler dieses Jahr bei rund 50 Prozent liegen. Damit liegt der Wahlkreis im Bundesschnitt, wenn man sich auf die Hochrechnungen von Landeswahlleiter Marcel Hürther vom vergangenen Freitag beruft.

Der 85-jährige Hans-Joachim Bergmann aus Remagen engagierte sich lange in der Kommunalpolitik. Für ihn haben die Wahlen einen besonderen Stellenwert: „Wer demokratisch denken und handeln kann, der muss wählen.“ Bergmann berichtet, er kenne Leute, die bei der vergangenen Wahl Briefwahlen beantragt haben und das später bereut hätten. Sobald der Brief abgeschickt sei, habe man nicht mehr die Möglichkeit, auf kurzfristige Skandale zu reagieren. Das ist seit jeher eine der meistgenannten Argumente. Dennoch erfreuen sich die Briefwahlen weiterhin großer Beliebtheit. Bei der vergangenen Wahl wurden knapp 61 Prozent aller Stimmen in Rheinland-Pfalz per Briefwahl abgegeben – wohl auch wegen der Ahrflut und der Corona-Pandemie.
„Heute vor Ort zu sein, hat auch etwas von sichtbarer Demokratie.“
Harald Becker
Michael Barem und seine Frau nannten praktische Gründe. Sie wollten die Postboten nicht unnötig belasten: „Wir wohnen in Remagen. Warum sollen wir jetzt die Briefwahl belasten. Deshalb gehen wir heute hin, geben unsere Stimme ab und außerdem können wir mal schauen, was so los ist.“ Die Wahlen seien den beiden besonders wichtig, weil Deutschland vor einem Umbruch stehe. Christiane Becker betonte, sie sei zu faul gewesen die Briefunterlagen zu Hause auszufüllen und abzuschicken. Ihr Mann Harald Becker ergänzte: „Heute vor Ort zu sein, hat auch etwas von sichtbarer Demokratie.“