Stets niedrige Beteiligung
Warum Sinziger Bürger der Bürgermeisterwahl fernbleiben
Am Sonntag, 18. Mai, wählen die Sinziger einen neuen Bürgermeister.
Hans-Jürgen Vollrath (Archiv)

Selten macht bei einer Bürgermeisterwahl in Sinzig mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ihr Kreuzchen. Die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat mutmaßen darüber, warum das so ist, und erläutern, was das für das Amt des Bürgermeisters bedeutet. 

Wählen zu dürfen, ist ein hohes Gut in einer Demokratie. Davon allerdings machen die Sinziger – wenn es darum geht, einen neuen Stadtchef zu bestimmen – nur mäßig Gebrauch. Allein im September 2017, als sie parallel zur Bundestagswahl an die Urne gebeten wurden, lag die Beteiligung bei 75,1 Prozent. Bei der Stichwahl im folgenden Oktober waren es gerade noch 48,6 Prozent. Ähnlich hoch war die Quote bei der Bürgermeisterwahl am 11. Juni 2001 (48 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte – nämlich 56,9 Prozent – gaben 2009 ihre Stimme ab. Warum ist es so schwierig, Bürger für die Wahl ihres Stadtchefs hinterm Ofen herzulocken? Unsere Zeitung hat bei den Fraktionen im Sinziger Stadtrat nachgefragt. Alle sind einig: Die mäßige Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene ist kein spezielles Phänomen Sinzigs und auch nichts Ungewöhnliches.

„Viele Direktwahlen im kommunalen Bereich erfolgen mit Wahlbeteiligungen von 30 bis 35 Prozent.“
Franz Hermann Deres, Fraktionschef der CDU

Franz Hermann Deres, Fraktionschef der CDU, bewertet die Beteiligung an der Stichwahl 2017 und am Votum 2001 im Vergleich zu anderen Direktwahlen von Bürgermeistern und Landräten sogar als überdurchschnittlich. „Viele Direktwahlen im kommunalen Bereich erfolgen mit Wahlbeteiligungen von 30 bis 35 Prozent“, meint er. Es wäre natürlich schön, so Deres, bei der Bürgermeisterwahl am 18. Mai wieder eine Quote von mehr als 75 Prozent, wie beim Votum im September 2017, zu erzielen.

„Dass viele Wähler von ihrem Recht Gebrauch machen, nicht wählen zu gehen, mag daran liegen, dass die Aufgaben eines Bürgermeisters, der ja in erster Linie die Verwaltung leitet, viele Bürger nicht direkt betreffen“, mutmaßt Deres. Er weist zudem darauf hin, dass das Nichtwählen eben auch Bestandteil der Demokratie sei. „Aber es ist gut, wenn eine hohe Wahlbeteiligung erreicht wird. Denn je höher die Wahlbeteiligung und so klarer das Ergebnis, desto höher die Rückendeckung oder Legitimität für denjenigen, der zum Bürgermeister gewählt wird“, so Deres. „Bei der Wahl am 18. Mai haben die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, auch Danke zu sagen für die geleistete Arbeit in den vergangenen acht Jahren. Ich hoffe sehr, dass viele diese Gelegenheit nutzen“, fügt er hinzu.

„Sie sehen teilweise nicht den direkten Einfluss, den ein Bürgermeister auf ihre persönliche Situation hat.“
Reiner Friedsam, Sprecher der FWG-Fraktion, über die Nichtwähler

Lokale Wahlen als weniger wichtig oder relevant für das tägliche Leben – im Gegensatz zu Bundes- oder Landtagswahlen: Diesen Grund hat Reiner Friedsam, Sprecher der FWG-Fraktion, für die zahlreichen Nichtwähler ausgemacht. „Sie sehen teilweise nicht den direkten Einfluss, den ein Bürgermeister auf ihre persönliche Situation hat. Dies spiegelt sich in vielen persönlich geführten Gesprächen wider“, erläutert er. Wenn nur ein kleiner Teil der Wahlberechtigten ihre Stimme abgebe, bilde das Wahlergebnis möglicherweise nicht die Meinungen und Interessen der gesamten Sinziger Bevölkerung ab, gibt Friedsam zu bedenken. „Dies kann die Akzeptanz des Bürgermeisters und seiner Entscheidungen beeinträchtigen sowie die demokratische Qualität der Wahl infrage stellen“, warnt er.

„Der Grund für eine geringe Wahlbeteiligung dürfte in der Regel nicht vornehmlich in der Person der Kandidierenden zu sehen sein.“ 
Hartmut Tann, Vorsitzender der SPD-Fraktion

Ähnlich argumentiert Hartmut Tann, Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Bei einer geringen Wahlbeteiligung könnte man zwar die demokratische Legitimation einer oder eines direkt Gewählten infrage stellen, weil daraus Rückschlüsse auf den Grad der Unterstützung aus der Bevölkerung geschlossen werden könnten“ meint er. Aber eine geringe Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen sei eben nicht ungewöhnlich. „Der Grund für eine geringe Wahlbeteiligung dürfte daher in der Regel nicht vornehmlich in der Person der Kandidierenden zu sehen sein. Auf die rein rechtliche Legitimation zur Amtsausübung hat eine geringe Wahlbeteiligung keinen Einfluss“, so Tann.

Wer nimmt ab Januar 2026 Platz im Chefsessel der Sinziger Stadtverwaltung?
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Er bezieht sich auf Studien über Nichtwähler. Demnach seien die Gründe vielfältig. Einer soll die politische Entfremdung sein. „Das heißt, man geht davon aus, dass sich viele Menschen von der Politik nicht vertreten fühlen beziehungsweise glauben, dass ihre Stimme keinen Einfluss hat“, führt Tann aus. Hinzu kämen soziale und wirtschaftliche Faktoren, Misstrauen in die politischen Systeme oder die alternative Partizipation – also die Meinungsäußerung an anderer Stelle. „Allerdings geht man davon aus, dass Nichtwählende keine homogene Gruppe bilden. Manche gehen nur sporadisch nicht wählen. Dauer-Nichtwähler sollen nur einen geringen Anteil haben“, so Tann.

„Die Legitimität des Bürgermeisters ist nicht durch die Wahlbeteiligung, sondern durch die gesetzeskonforme Durchführung der Wahl gegeben. Und dazu gehört in Deutschland, dass Wahlen frei sind. Niemand ist gezwungen zur Wahl zu gehen.“  
Hardy Rehmann,Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen

Hardy Rehmann, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, nennt zwei mögliche ursächliche Punkte für eine geringere Beteiligung an Bürgermeisterwahlen. „Erstens ist die mediale Präsenz in keiner Weise vergleichbar. Dies trifft auch auf die Wahlwerbung zu, die ein viel geringeres Volumen umfasst. Das verstärkt den zweiten Punkt, der meines Erachtens zu der geringen Mobilisierung führt“, erläutert Rehmann. „Die Rolle und die dem Bürgermeister zukommende Bedeutung werden von vielen Wählern sicher nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei hat ein Bürgermeister erhebliche Bedeutung für die konkrete Lebensqualität vor Ort“, betont er. „ Die Legitimität des Bürgermeisters ist nicht durch die Wahlbeteiligung, sondern durch die gesetzeskonforme Durchführung der Wahl gegeben. Und dazu gehört in Deutschland, dass Wahlen frei sind. Niemand ist gezwungen, zur Wahl zu gehen “, so Rehmann.

„Gerade auf kommunaler Ebene können Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stimme unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung ihres direkten Lebensumfelds nehmen.“ 
Martin Thormann, FDP-Fraktionssprecher

Für FDP-Fraktionssprecher Martin Thormann ist die geringere Wahlbeteiligung nicht allein auf Desinteresse zurückzuführen. „Häufig wird die kommunale Ebene als ,weniger entscheidend’ wahrgenommen. Doch genau das Gegenteil ist richtig: Gerade auf kommunaler Ebene können Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stimme unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung ihres direkten Lebensumfelds nehmen“, sagt Thormann. Rein formal sei die Legitimität durch eine demokratische Wahl mit freier Entscheidung gegeben – unabhängig von der Beteiligung, meint er. „Dennoch gilt: Je mehr Menschen ihr Wahlrecht nutzen, desto stärker ist das Mandat des Bürgermeisters, und desto klarer ist das Zeichen, dass die Stadtgesellschaft Verantwortung übernimmt“, betont Thormann.

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