Familie Noll aus Laach will mit dem Kreis Ahrweiler in einen Rechtsstreit gehen: Sie ist sich sicher, ihr Haus wurde verwechselt
Vorwurf gegen das THW: Hausabriss wider Willen?
Hier arbeitet gerade der Bagger am Morgen des 6. August 2021.
hft

Laach. Hat das Technische Hilfswerk im Auftrag des Kreises Ahrweiler fälschlicherweise ein Haus abgerissen? Diesen Vorwurf erhebt eine Familie aus Laach (Mayschoß). Der Fall liegt mittlerweile einem Anwalt vor. Der Kreis dementiert eine Verwechslung.

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Hier arbeitet gerade der Bagger am Morgen des 6. August 2021.
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Licht am Ende des Tunnels, das sah Familie Noll nach der Corona-Krise und Flutkatastrophe, zumindest bis zum verheerenden Morgen des 6. August. „Bis die offensichtlich ebenfalls von der Flutwelle aus dem Homeoffice-Ruhemodus aufgeschreckte Bauabteilung der Kreisverwaltung Ahrweiler eine Einheit aufforderte, beschädigte Häuser in unserem Ort einzuebnen“, sagt Bert Noll.

Beim Frühstück sitzt Noll zusammen mit Frau Siglinde, als er plötzlich eine große Staubwolke vor der Fensterfront sieht. Er geht vor die Tür, um nachzusehen, da ist eine Hälfte des Hauses seiner Tochter schon abgerissen. „Bitte sofort einstellen“, ruft er dem Baggerfahrer des Technischen Hilfswerkes (THW) entgegen. Das THW hatte einen Auftrag der Kreisverwaltung erhalten. Und wenn das THW einen solchen Auftrag hat, dann handelt es auch gegen den Willen des Besitzers, wie Micheal Walsdorf, Pressesprecher vom THW, erklärt. Dann, wenn „Gefahr im Verzug ist“, das Haus also einsturzgefährdet ist. Andererseits reiße das THW aber eben auch nur dann ab, wenn es einen klaren Auftrag dafür gebe.

Hat sich Behörde in der Hausnummer vertan?

„Fatal nur, wenn man sich in der Hausnummer irrt und dabei das bereits von unserer Versicherung durch qualifizierte Fachleute begutachtete Haus unserer Tochter ohne jegliche Vorwarnung einreißt“, erklärt Noll, dessen Heim in Sichtweite des Erbes der Tochter steht. Der 71-Jährige erläutert weiter, dass der Nachbar zur Linken des Hauses schon eine geraume Zeit auf den Abriss seiner Liegenschaft gewartet habe. Jener Nachbar habe auch eine Abrissgenehmigung erteilt. Im Gegensatz zum Haus der Familie Noll steht das Gebäude des Nachbarn noch.

„Wir haben Verständnis dafür, wenn Menschen Fehler machen und nach dieser Katastrophe überfordert sind, aber dann sollte man auch so viel Rückgrat haben und dies zugeben“, sagt Tochter Anja Weißenfeld. Die Hausfrau und Mutter hatte gerade vier Tage vor der Flutkatastrophe ihr zweites Kind zur Welt gebracht. „Das waren zuletzt die schlimmsten Tage meines Lebens“, sagt sie.

Das Haus, das nur noch eine Ruine ist, sollte das Erbe von Anja Weißenfeld werden. Fotos: privat
privat

Während die Versicherung der Familie aufgrund der Elementarschadensversicherung eine Sanierung des Hauses zugesagt hatte, müssen die Laacher jetzt wieder bangen. Denn ob die Zusage der Finanzmittel nun auch nach dem durch die Kreisverwaltung beauftragten Abriss für einen Neubau gelte, das weiß Weißenfeld nicht. Sie sieht ihr Erbe in Gefahr. „Nicht einmal unsere Kindheitserinnerungen hat man uns rausholen lassen“, sagt sie traurig. Und schließlich gebe es von ihrer Familie keine unterschriebene Abrissgenehmigung.

Kreisverwaltung betont akute Gefahrenlage

Für die Kreisverwaltung stellt sich die Sache anders dar: „Das von Ihnen angesprochene Gebäude in der Bundesstraße 12 in Mayschoss-Laach wurde aufgrund einer akuten Gefahrenlage im Auftrag der Kreisverwaltung Ahrweiler – Untere Bauaufsichtsbehörde – beseitigt. Eine Genehmigung der Eigentümerin für diese unmittelbare Ausführung war aufgrund der gegenwärtigen Gefahrenlage von Rechts wegen nicht erforderlich.“

Das betreffende Gebäude sei im Auftrag der Kreisverwaltung von Sachverständigen für Standsicherheit und Prüfstatikern übereinstimmend als akut einsturzgefährdet bewertet worden. Nach Einschätzung der Prüfingenieure sei eine Wiederherstellung der Standsicherheit bauphysikalisch nicht möglich, heißt es vom Kreis.

Aufgrund der unmittelbaren Straßenlage des Gebäudes drohte es laut Kreisverwaltung zudem auf die Bundesstraße zu stürzen. Aufgrund dessen sei von dem Gebäude eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen, insbesondere für die körperliche Unversehrtheit der Eigentümer selbst, der Eigentümer der Nachbargrundstücke und die Nutzer der unmittelbar angrenzenden Bundesstraße.

Zum anderen ginge von dem Gebäude und seinem drohenden Einsturz auf die Bundesstraße eine zusätzliche Gefährdung des öffentlichen Verkehrs aus, insbesondere da es sich bei der Bundesstraße um die nach der Hochwasserkatastrophe einzige intakte Verbindungsstraße handele, welche bei einem Verbleib des Gebäudes vollständig hätte gesperrt werden müssen.

Noll gibt sich dennoch kämpferisch: „Nun wird die Kreisverwaltung unserer beauftragten Anwaltskanzlei und der Rechtsabteilung der Versicherung diesen Abriss erklären müssen.“

Beim Haus der Familie Noll handelt es sich um keinen Einzelfall: Seitens der Kreisverwaltung mussten bisher über 50 Gebäude im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr abgerissen werden. Die meisten Abbrüche wurden dabei im Bereich der Ortsgemeinde Altenahr mit den Ortsteilen Altenburg und Kreuzberg durchgeführt. Die Kosten für die Gefahrenbeseitigung trägt im Katastrophenfall die öffentliche Hand.

Von unserem Redakteur Nicolaj Meyer

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