Wem gehört der Anker des französischen Postballons auf Abwegen?
Vor 150 Jahren: Französischer Postballon verfehlt sein Ziel und landet in der Eifel
So wie auf dieser zeitgenössischen Darstellung wird der Ballon „La Ville de Paris“ ausgesehen haben.
Hans-Josef Schneider (Reprodukti

Weibern. Man schreibt den 15. Dezember 1870. Es herrscht Eiseskälte, es liegt Schnee, und der Wind weht kräftig. Da taucht am Himmel plötzlich ein Ballon auf. Dieses Ereignis sorgt im kleinen Eifeldorf Weibern natürlich für Aufregung. Auch bei den Schülern, die zusammen mit ihrem Lehrer Matthias Fink zum Landeplatz eilen. Was sie dort vorfinden, woher der Ballon kam und warum er notlandete – alles das kann man jetzt nachlesen in der vierten Ausgabe der Heimatgeschichten.

Es ist die Geschichte des Ballons „La Ville de Paris“. Der Postballon startete am 15. Dezember 1870 um 4.45 Uhr nahe dem Gare du Nord in Paris mit dem Ziel Lille in Frankreich. Doch der Wind wollte nicht so, wie die Ballonfahrer: Nach einer ersten Landung zwischen Hausten, Weibern und Kempenich endete seine Reise schließlich gegen 13 Uhr in Sinn bei Herborn (Hessen). Er legte dabei eine Strecke von 468 Kilometern zurück. Es war die 42. bemannte Postballonfahrt während der Belagerung von Paris in den Jahren 1870/71.

Was passierte an diesem kalten Dezembertag 1870 in Weibern? Ziemlich niedrig, vom Westwind getrieben, schwebte eine runde Kugel über die Haustener Höhe hinweg, unter der an Stricken ein Korb baumelte. Das konnte nur ein Ballon sein, der an einem langen Seil einen Anker unter sich herschleppte. Am Scheidweiher verfing sich das Ankertau in einem Eichenbaum. Herbeigeeilte Bürger und die Schulkinder aus Weibern und Hausten staunten, konnten aber kein Wort der drei Insassen verstehen. Einer der Ballonfahrer kletterte an Seil und Baum herunter, um sich nach dem Standort zu erkundigen.

Da erschien an dem Schauplatz der alte Förster Emsbach mit seinem Sohn. Der alte Herr hatte in seiner Jugend das Gymnasium bis Obertertia besucht und konnte daher feststellen, dass es sich um „Musjös“ handelte, die französisch sprachen. Kaum hatte er denen das Wort „Koblenz“ zugerufen, als plötzlich ein Schauerregen von Sand auf die verdutzten Bauern niederprasselte und gleichzeitig das aus Seegras gedrehte Ankertau von der Gondel aus durchgehauen wurde. Schon erhob sich der Ballon, von Fessel und Last befreit, in die Lüfte und entschwebte in Richtung Rhein. Wie sich später herausstellte, ist er schließlich in der Nähe von Herborn niedergegangen und dort dann beschlagnahmt worden.

Wegen des Ankers kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Kempenich und Weibern. Kempenich begründete seinen Anspruch damit, dass die Eiche, die den Ballon „La Ville de Paris“ aufhielt, auf Kempenicher Gebiet stand. Weibern aber behauptete, der Anker habe in der Weiberner Gemarkung festgesessen. Weibern bekam recht, und noch heute ist der Anker dort in der Schule zu sehen.

Rolf Mannebach, gebürtiger Weiberner und inzwischen verstorbener Lehrer an der Grundschule in Kempenich, ließ vor zehn Jahren zur Erinnerung an die ungeplante Zwischenlandung des 21 Meter hohen und 14 Meter breiten Ballons „La Ville de Paris“ (Stadt Paris) von seinen Drittklässlern mit Gas gefüllte Luftballons gen Himmel steigen. Vorher hatten sich die Schüler im Sachunterricht mit dem Thema beschäftigt und ein achtseitiges Heft angelegt, in dem das historische Heimatereignis gewürdigt wird, das damals für sehr viel Aufsehen gesorgt hatte, wie in der Weiberner Schulchronik nachzulesen ist, und das nunmehr Niederschlag findet in einer der zahlreichen Veröffentlichungen der Heimatfreunde.

In der 60 Seiten zählenden Broschüre berichten die Heimatfreunde Weibern, was sich vor nunmehr 150 Jahren ereignete. Dazu haben sie umfassende Recherchen betrieben, sind herumgereist und haben viele Dokumente aus jener Zeit zusammengestellt, die man in dem Heft wiederfindet. Laut Bernhard Klapperich, dem Vorsitzenden der Heimatfreunde, soll das Heft etwa drei oder vier Euro kosten und im Getränkefachmarkt Hück, in der Bäckerei See und im Hofladen Wilms in Weibern sowie in der Bäckerei Mannebach in Kempenich zum Verkauf angeboten werden.

Von unserem Mitarbeiter Hans-Josef Schneider

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