Vintage-Mode ist mehr als nur Altkleidung, muss Verena Lange in der Kreisstadt des Öfteren erklären. In den Großstädten ist der Begriff schon lange geläufig: Vintage bedeutet altmodisch oder klassisch und bezeichnet in der Mode Kleidung, die in der Regel gebraucht ist und aus anderen Jahrzehnten stammt. Sie liegt im Trend. Etwa die bunten Jogginganzüge aus den 90er-, der Jeans-Look aus den 80er-Jahren oder der Hippie-Stil sind wieder sehr beliebt. Und am liebsten kaufen sich die Mode-Affinen diese Trends im Original in Secondhand-Läden. Verena Lange und David Kraljcak versorgen nun schon seit Oktober online die jungen Secondhand-Liebhaber mit diesen Modestücken und gehen nun dazu über, aus ihrem Lager heraus Vintage-Läden zu beliefern.
Diese Selbstständigkeit ist das Ergebnis einer langen Suche des Paares nach einer anderen Lebensweise als die, die sie bisher kannten. Beide sind gelernte Physiotherapeuten und haben einige Jahre in dem Beruf fest angestellt gearbeitet. Als sich die beiden über das Internet kennenlernten und ein Paar wurden, waren sie sich einig: Fünf Tage die Woche acht Stunden am Tag arbeiten und nur nach Feierabend das Sonnenlicht sehen, das wollen sie auf Dauer nicht. „Es liegt nicht am Beruf selbst, der hat uns Spaß gemacht, sondern an der zeitlichen Bindung. Wir kennen viele Physiotherapeuten in unserem Alter, die inzwischen etwas anderes machen“, sagt die 28-jährige Verena Lange. Gemeinsam mit ihrem 31-jährigen Freund lernte sie über Facebook ihre heutigen Geschäftspartner, Fabian Weber und Therese D'Anuncio, kennen. Sie halfen den beiden Suchenden bei ihrem Ausstieg aus der Festanstellung rein in ein selbstständiges Leben und Arbeiten. Dabei hatten Lange und Kraljcak zunächst andere Ideen im Sinn. Zunächst dachten sie daran, einen Co-Working-Space mit Kita zu eröffnen. Doch als sie dies noch einmal in Gedanken durchspielten, merkten sie, dass sie dort auch zeitlich und räumlich sehr gebunden sein werden, erzählt David Kraljcak. Weil beide eine Leidenschaft für das Reisen haben, wollten sie dann Immobilien in Europa kaufen, die sie an Feriengäste vermieten – was sie von überall aus hätten verwalten können. Doch dann durchkreuzte Corona diese Pläne. „Da wir nicht absehen können, wie lange die Situation noch andauern wird, haben wir uns wieder umorientieren müssen“, sagt Lange. Ihre Überlegungen führten sie zur Mode, für die beide eine große Leidenschaft haben. Im Oktober war es dann so weit. Gemeinsam mit Weber und D'Anuncio kauften sie Kleidung bei einem Altkleider-Sortierer in Italien ein und vertreiben die gut erhaltenen Stücke seither online. Vom Lockdown waren die beiden Jungunternehmer deswegen kaum betroffen. Im Gegenteil: „Wir haben irgendwann das Einkaufen mit Video-Anruf eingeführt und damit sofort großen Erfolg gehabt“, berichtet Kraljcak. „Dadurch haben wir auch Kunden aus ganz Deutschland gewonnen, die wir ohne Lockdown vielleicht nicht so leicht bekommen hätten.“
Das Paar will sich nun darauf konzentrieren, kleine Vintage-Läden in den Innenstädten Deutschlands mit ihrer Ware zu beliefern. Das können sie dann auch von überall aus machen. „Momentan sind wir noch an unseren Raum hier in Heimersheim gebunden. Aber wir wollen irgendwann Mitarbeiter einstellen, die sortieren und versenden, und wir können online auch bei Reisen alles verwalten.“ Immerhin: Zeitlich sind sie schon weniger gebunden als in ihrer Festanstellung, und das Arbeiten fühlt sich für beide nicht wie arbeiten an, sagen sie.