Behörden bestätigen Änderung
Verzögern neue Durchflussmengen Wiederaufbau im Ahrtal?
Meterhoch türmten sich Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über die Ahr in Altenahr-Kreuzberg (Archiv-Luftaufnahme mit einer Drohne).
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Unruhe herrscht bei den Kommunen im Ahrtal: Das Ministerium für Umwelt hat die Durchflussmengen angehoben. Die sind Grundlage für Berechnungen und Planungen beim Wiederaufbau nach der Flut. Warum wurden die Werte angehoben und welche Folgen hat das?

Es war eine Information, die eher nebenbei bekannt wurde: Bei den Grußworten zum ersten Spatenstich der Landgrafenbrücke in Bad Neuenahr erfuhren die Anwesenden, dass das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz die Werte der Durchflussmengen nach der Ahrflut von 505 auf 600 Kubikmeter pro Sekunde geändert hat. Das sorgt im gesamten Ahrtal für Unruhe bei den Kommunen; so wie die FDP der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler befürchten viele nun, dass der Wiederaufbau im Ahrtal ins Stocken gerät.

Was sagen die Verantwortlichen?

Denn allerorten wird nach der verheerenden Ahrflut vom Juli 2021 geplant und aufgebaut. Damals fielen innerhalb von 24 Stunden örtlich mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter, 135 Menschen kamen im Ahrtal ums Leben, Infrastruktur und Gebäude wurden in weiten Teilen entlang der Ahr komplett zerstört. Was sagen Verantwortliche und involvierte Behörden – darunter das Ministerium, die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, die Deutsche Bahn, der Landesbetrieb Mobilität (LBM), der Kreis Ahrweiler, die Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft (AuEG) Bad Neuenahr-Ahrweiler und nicht zuletzt die Stadt selbst – dazu, dass sich die Grundlagen für sämtliche Berechnungen bei Brücken, Bahnstrecken und anderen Infrastrukturprojekten nun geändert haben? Was bedeutet das für die laufenden Projekte?

„Die Abflusswerte, die den bisherigen Planungen zugrunde liegen, sind nicht falsch oder zu niedrig.“
sagt der Pressesprecher des Ministeriums für für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz

Die Abflusswerte, die den bisherigen Planungen zugrunde liegen, seien nicht falsch oder zu niedrig, antwortet der Pressesprecher des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz auf unsere Anfrage: „Sie basieren auf der vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebietes der Ahr nach dem Hochwasserereignis 2021 durch die SGD Nord. Das musste damals sehr schnell erfolgen, um die Basis für den raschen und rechtssicheren Wiederaufbau zu schaffen.“ Die Werte berücksichtigten Untersuchungen der Universität Bonn zu historischen Hochwasserereignissen an der Ahr und die zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Abschätzungen über den Hochwasserabfluss vom Juli 2021, so der Sprecher weiter.

Der Ausweisung des Überschwemmungsgebiets (ÜSG) habe auch die Geländegeometrie vor dem Hochwasser zugrundegelegen. „Die Randbedingungen wurden immer wieder kommuniziert. Es wurde aber auch immer die Bitte nach einer möglichst frühzeitigen Bereitstellung der neuen Abflusswerte geäußert“, erklärt das Ministerium, das auch im Namen der SGD antwortet.

Ein Marker zeigt den Pegelstand des historischen Hochwassers der Ahr am 13. Juni 1910. Im Hintergrund steht ein Haus, dass bei den Überschwemmungen am 14. Juli 2021 beschädigt wurde. (Archivbild)
dpa

Die seitdem durchgeführten, zeitaufwendigen und komplexen Ermittlungen über den tatsächlichen Hochwasserabfluss vom Juli 2021 sowie eine Bewertung der Untersuchungen der Uni Bonn zu den historischen Hochwasserereignissen seien Grundlage für die Erstellung der neuen Hochwasserstatistik. „Die endgültige Festsetzung des ÜSG wird auf der Grundlage umfassender Modellrechnungen und detaillierter örtlicher Überprüfungen vorgenommen. Dafür werden die erforderlichen Daten erfasst, darunter die präzise Topografie des Ahrtals“, schildert der Sprecher die Hintergründe. Mit diesen Daten werde dann eine zweidimensionale Hochwasserberechnung durchgeführt: „Ergebnisse werden voraussichtlich Ende 2025 erwartet, sodass Anfang 2026 mit dem Verfahren für eine neue Festsetzung begonnen werden kann.“

„Der SGD Nord beziehungsweise der Kreisverwaltung liegen noch nicht alle Planungen für die Brücken vor. Daher lassen sich noch keine Aussagen über den Umfang eventuell erforderlicher Anpassungen der Planungen machen.“
erklärt der Pressesprecher des Ministeriums für für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz weiter.

Es handele sich nicht um eine falsche Planungsgrundlage, betont der Sprecher und stellt klar, dass es sich „um die Planungsgrundlage zur vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebietes“ handele. Gleichzeitig sei auch kommuniziert worden, dass es Aktualisierungen auf Grundlage der neuen Ermittlungen zu den Abflusswerten geben werde: „Der SGD Nord beziehungsweise der Kreisverwaltung liegen noch nicht alle Planungen für die Brücken vor. Daher lassen sich noch keine Aussagen über den Umfang eventuell erforderlicher Anpassungen der Planungen machen.“ Drei Brücken – neben der Landgrafenbrücke in Bad Neuenahr die Bachemer Brücke und die Heppinger Brücke – befinden sich allerdings bereits im Bau.

Kontinuierlicher und enger Austausch aller Beteiligten

Alle Beteiligten stünden in kontinuierlichem und engem Austausch, versichert das Ministerium: „Darüber hinaus bieten die Kreisverwaltung Ahrweiler als Genehmigungsbehörde und die SGD Nord allen Planenden und beauftragten Ingenieurbüros an, durch eine vorlaufende Abstimmung der vorzulegenden Unterlagen den Bearbeitungszeitraum der Genehmigung so kurz wie nötig zu halten.“

Die Deutsche Bahn hält sich auf Anfrage unserer Zeitung zunächst bedeckt. „Inwieweit die Deutsche Bahn (DB) von neuen Hochwasserpegelkennwerten betroffen ist, befindet sich gerade in Abstimmung mit den zuständigen Genehmigungsbehörden“, erklärt eine Bahnsprecherin dazu. „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass eine Beantwortung aller Fragen erst zu Beginn der kommenden Woche möglich sein wird“, vertröstet der LBM.

Auch die Stadt Bad Neuenahr, die ebenfalls für die AuEG spricht, bittet um etwas Zeit. „Eine entsprechende Vorbereitung der Antworten benötigt auch mit Blick auf die Komplexität der Thematik leider einige Tage“, heißt es aus der zuständigen Fachabteilung.

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