Runde mit SPD-Direktkandidat
Versagen in der Flutnacht macht immer noch fassungslos
Unter der Leitung von Renate Strauch (rechts) diskutierten die als Missy Motown bekannte Nicole Schober sowie SPD-Bundestagskandidat Ferdi Akaltin mit Mitgliedern der AG SPD 60plus über Lehren aus der Flut von 2021.
Jochen Tarrach

In Altenburg hatte die Arbeitsgemeinschaft SPD 60plus zu einer Diskussionsrunde mit SPD-Direktkandidat Ferdi Akaltin und Fluthelfern Missy Motown geladen. Das Gespräch kam schnell auf die Flut – und wurde auch emotional.

Die Flut im Juli 2021 ist noch längst nicht bei allen Bürgern aufgearbeitet. Noch immer vergeht kaum ein Gespräch, ohne dass man nach kurzer Zeit beim bedrückenden Thema angekommen ist. So war ein Erfahrungsaustausch mit offener Diskussionsrunde der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft (AG) SPD 60plus für die Vorsitzende Renate Strauch so etwas wie ein Herzensanliegen. Auf ihre Einladung trafen sich knapp 20 Senioren der AG im Container beim Seniorenzentrum Ahrschleife in Altenahr-Altenburg zu einem Gesprächsabend.

Von den eingeladenen Bürgern des Ortes indes war niemand gekommen. Um die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen von mehreren Seiten aus betrachten zu können, war SPD-Bundestagskandidat Ferdi Akaltin kompetenter Gast, denn er war mit dem Dienstgrad Oberst als Kommandeur des Zentrums Operative Kommunikation der Bundeswehr und Standortältester in Mayen in den Tagen und Wochen nach der Flut mit seinen Soldaten zum Hilfseinsatz im Ahrtal. Auf der anderen Seite war als Fachfrau die als Missy Motown bekannte Event-Managerin Nicole Schober als Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Helferstab GmbH vertreten, um aus ihren Erfahrungen zu berichten. Es wurde ein emotional aufgeladenes Gespräch, denn jeder der Anwesenden konnte aus eigenem Erleben etwas beitragen.

Wie Akaltin die Fluttage erlebte

„Das, was hier passiert ist, war ein Supergau“, eröffnete Ferdi Akaltin die Gesprächsrunde. Obwohl im Grundgesetz der Einsatz der Bundeswehr im Inland nicht vorgesehen sei, habe er als Kommandeur sofort nach Erhalt der ersten Katastrophenmeldungen für seine Soldaten vorsorglich eine Urlaubssperre erlassen. Bereits am 15. Juli 2021 gegen 11 Uhr seien alle abmarschbereit gewesen. Doch so einfach sei das bei der Bundeswehr nicht, denn ohne Marschbefehl von höherer Stelle wäre das nicht möglich.

So habe er gleich Kontakt zum zuständigen Landeskommando aufgenommen, aber auch dort sei keine Anforderung zum Katastropheneinsatz bekannt gewesen. So habe er spontan für Mannschaft und Gerät eine Marschübung von Mayen aus in Richtung Trier angeordnet und dann mit mehr als 300 Soldaten in das Ahrtal gekommen. „Man braucht auch als Kommandeur immer jemanden, der einen Einsatzbefehl gibt. Das aber hat in diesem Fall gedauert. Es ist eben nicht immer so einfach, wie es scheint“, so Akaltin. Viele entscheidungsschwache Persönlichkeiten säßen auf für sie nicht geeignete Posten. Auch in einer Demokratie sei es notwendig, klare Regelungen zu schaffen.

Auch Motown schilderte ihre Erfahrungen

Nicht viel einfacher hatte es da oft Spontanhelferin Missy Motwn. Obwohl ihr die freiwilligen Helfer nur so zuströmten und halfen, wo es nur ging, habe auch sie die Bürokratie kennengelernt, und in den ersten Stunden nach der Katastrophe sei sowieso noch nicht alles rundgelaufen. Sie berichtete von der großen Gemeinschaft der Spontanhelfer mit den Bürgern in Krälingen. „Unsere Stadt wird wieder bunt“, zitierte sie das Motto der Kreisstadt. Das sei zwar sehr schön, aber viel mehr müsse die Gemeinschaft und Menschlichkeit untereinander gefördert werden. Das war gleich ein Stichwort für Ferdi Akaltin: „Ich kandidiere für den Bundestag, da ich diese Solidarität weiter erleben möchte“, erklärte er. Vieles, was passiert sei, lasse ihn fassungslos zurück, sagte er mit Blick auf die Verwaltungsstrukturen auch im Kreis Ahrweiler, ohne dabei spezielle Namen zu nennen.

Ein anwesender Mitarbeiter der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) in Bad Neuenahr–Ahrweiler berichtete, dass für alle Landräte und Oberbürgermeister, die ja in ihrem Bezirk für den Katastrophenschutz verantwortlich seien, entsprechende Ausbildungen vorgehalten würden. „Aber sie kommen nicht und können auch nicht gezwungen werden“, sagte er. Das Land könne da nicht eingreifen. „Wir sind heute immer noch an derselben Stelle und müssen die Kompetenzen besser bündeln“, so das Resümee von Missy Motown. Ferdi Akaltin sah dagegen schon viele Verbesserungen, aber noch immer Mängel bei Einzelnen beim Tragen von Verantwortung.

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