Urban Priol ist sauer. Und resigniert. Sauer, weil sich die Politiker von heute nie ändern und erst recht nicht entschuldigen, und resigniert aus den selben Gründen. Es ändert sich ja nichts, und das seit 42 Jahren. So lange dauert die Kabarett-Karriere des 63-Jährigen inzwischen an, und auch, wenn Priol gern demnächst in Rente gehen würde, scheint daraus auf absehbare Zeit nichts zu werden. „Macht doch einfach mal schöne Politik, dann müsste ich nicht mehr auf die Bühne“, sagt er in der Springmaus, wo er an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor ausverkauftem Haus spielt.
Was für ein unerfüllbarer Wunsch, erst recht angesichts der Namen, die für ein Ministeramt in der Regierung Merz gehandelt werden. Maskenhändler Jens Spahn als Wirtschaftsminister, Alexander Dobrindt als Innenminister, Armin Laschet als Außenminister? Und dann vielleicht noch – Philipp Amthor? Da fühlt sich Priol an die Nacht der lebenden Toten erinnert. Und für die gibt es nur eine Antwort: Schrotflinte rausholen und losfeuern. Ob man trifft oder nicht.
Auch mal positiv an die Sache herangehen
Dabei weiß Priol ganz genau, was uns droht. Er gehört zu den wenigen Kabarettisten in Deutschland, die ihr Programm immer wieder an die neuesten Entwicklungen anpassen, auch wenn die Seiten noch nicht trocken sind, bevor die nächsten Volten geschlagen werden. So wie im Koalitionsvertrag, diesem modernen Antiquariat alter Ideen und drohender Dystopien. Große Ambitionen seien darin nicht zu erkennen, beklagt Priol, der sich eigentlich nicht mehr so viel aufregen will. Das ständige Jammern und Unken geht im ohnehin auf die Nerven. Man muss doch nicht alles schlecht reden, sondern mal positiv an eine Sache herangehen.
Was Priol gern machen würde. Allein, ihm fehlt der Glaube. Beispiel Bundesrepublik: SPD und Grüne haben derzeit so gut wie kein prominentes und populäres Mitglied in der ersten Reihe, die Linke ist nach ihrem eigenen Wahlerfolg sprachlos, und CSU und CSU haben zwar Personal, aber kein gutes. Wie gesagt, Philipp Amthor. Für einen Kabarettisten wie Urban Priol ist das eine Steilvorlage. An ihm kann er sich abarbeiten, ebenso wie an den ganzen alten Granden der alten Garde, an Markus Söder und Hubert Aiwanger, an Dorothee Bär und sogar an Angela Merkel, der Lieblingsfeindin Priols.
Söder und die Angst vor einem Links-Ruck
Gut anderthalb Stunden schwadroniert und räsoniert Urban Priol, was gerade los ist auf der Welt. Sorgen macht er sich da viele, auch angesichts gewisser Signale aus Bayern. Wenn etwa Markus Söder Angst vor einem Links-Ruck in Europa hat und diesen als größte Herausforderung der EU bezeichnet, zweifelt Priol angesichts des Erstarkens von Rechtspopulisten in Österreich, Belgien, Portugal und Italien ernsthaft an so manchem Verstand. Trotz derartiger Aussagen liegt der Schwerpunkt seines Programms jedoch eindeutig im Innern: Die Intelligenz eines Teils der Wählerschaft, Christian Lindners D-Day, die Beschwerden über den Aufstand der Bürgerschaft gegen Rechts die Angstmaschinerie der Wetterfrösche und die grundsätzlichen Klagen der Wirtschaft, die angeblich nie positive Nachrichten zu vermelden hätte.
Und immer wieder kommt Priol dabei auf die CDU (und die CSU) zurück. Das ist trotz durchaus berechtigter Fragen ganz dünnes Eis und grenzt an Populismus, andererseits hat Priol in 42 Dienstjahren letztlich nie etwas anderes gemacht, und in der Regel hat er es stets verstanden, die Balance zwischen Spott und Satire zu wahren. Aber die anderen Parteien haben ja derzeit so gut wie nichts zu bieten. Bleiben nur die Christdemokraten. Und auf die ist Priol nun einmal eingeschossen, aller Resignation zum Trotz. Das Springmaus-Publikum des ersten Abends war auf jeden Fall restlos begeistert. Was will man mehr?