Gleichstrom-Trasse 
Ultranet im Ahrkreis: Warum man auf Klagen verzichtet 
Nahe Löhndorf (rechts) verläuft die Stromtrasse, die mit Ultranet ausgestattet werden soll. Eine Erdverkabelung wurde abgelehnt.
Judith Schumacher

Auch in der Grafschaft, in Sinzig und Bad Breisig ist die Gleichstrom-Trasse ein heiß diskutiertes Thema. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen nach wie vor gesundheitliche Bedenken. Trotzdem wollen die Gemeinden auf eine Klage verzichten. 

Mit der oberirdischen Verkabelung für das Projekt Ultranet des Unternehmens Amprion haben sich in jüngster Zeit auch die betroffenen Gemeinden Grafschaft, Sinzig und Bad Breisig beschäftigt. Nun mit dem Ergebnis, dass auch sie wie die Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler keine Klage dagegen erheben werden.

Das Thema Ultranet beschäftigt die Gemeinde Grafschaft laut deren Bürgermeister Achim Juchem schon rund zehn Jahre. Sie ist von den Planungen der Trasse E 1 von Rommerskirchen bis Grafschaft und der Trasse E2 von Grafschaft bis Koblenz betroffen. Auch die Gemeinde Grafschaft hat umfangreiche Bedenken gegen die oberirdische Trasse geäußert. Unter anderem auch wegen des laut Immissionsgutachten prognostizierten Wertes der elektrischen Feldstärke für Drehstrom von 4,9 Kilovolt, der den Grenzwert von 5 Kilovolt pro Meter nur geringfügig unterschreitet. Die Gemeinde forderte daher, die elektrische Feldstärke bei Drehstrom in den Bereichen, die näher als 400 Meter zur Leitungstrasse liegen, also die Ortschaften Beller, Bengen und die Container des Are-Gymnasiums, durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. So etwa durch das Optimieren der Pol- und Leiteranordnung.

Keine Unterschreitung des Mindestabstands

Im Grafschafter Bauausschuss vom September 2024 wurde grundsätzlich erörtert, dass neue Höchstspannungsfreileitungen auf neuen Trassen so zu planen sind, dass ein Abstand von 400 Metern zu Wohngebäuden im Innenbereich eingehalten wird. Diese Regel gilt jedoch nur für neue Höchstspannungsleitungen auf neuen Trassen und damit nicht für Bestandsleitungen und -trassen. Obwohl es sich im Abschnitt der Gemeinde Grafschaft um eine Bestandsleitung auf einer bestehenden Trasse handelt, wird der empfohlene Abstand von 400 Metern nicht unterschritten. Der Abstand zu Wohnsiedlungsflächen in Eckendorf beträgt 500 Meter.

Bürgermeister Achim Juchem erläutert: „In beiden Verfahren (E1 und E2) schlägt das deutsche Recht mit der Besonderheit zu, dass viele Regularien, die jetzt in der Prüfung sind, nur für neue Stromtrassen gelten. Der Umbau von Bestandstrassen, wie bei uns in der Grafschaft und den benachbarten Kommunen, wird hiervon also – wenn überhaupt – nur eingeschränkt erfasst. Soweit wir dies in Erfahrung bringen konnten, sind die ersten Leitungen auf der jetzt diskutierten Gesamttrasse wohl Ende der 1920er-Jahre gebaut und bis in die 1990er-Jahre ausgebaut worden.“ Hier greife also zumindest ein Stück weit der sogenannte Bestandsschutz für bestehende Anlagen.

„Im Verfahren E 1 haben wir uns sehr intensiv mit möglichen Folgen auseinandergesetzt und auch – wie bei einer Neubautrasse – umfangreich Stellung bezogen - im Ergebnis wurden unsere Bedenken überwiegend entkräftet oder ausgeräumt. Unter dem Strich blieben keine – im weiteren Verfahren auch gegebenenfalls gerichtlich – belastbaren Einwände mehr übrig“, erklärt der Bürgermeister der Gemeinde Grafschaft.

Keine Erdverkabelung

Mit Schreiben vom 19. August 2024 hatte die Stadt Sinzig sich wiederholt an die Bundesnetzagentur gewendet. Dies erfolgte erstmals in der Sache Ende April 2020. Auch die Stadt Sinzig hatte sich für eine Erdverkabelung ausgesprochen oder alternativ die Einhaltung des Mindestabstands von 400 Metern zu den Ortslagen Franken und Löhndorf für Leitungen zur Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung eingefordert. Im Juli 2024 wurde die Stadt Sinzig im Rahmen der Konferenz von Trägern öffentlicher Belange darüber informiert, dass die Änderung von vier Bestandsleitungen vorgesehen sei, einhergehend mit Veränderungen der Masten. „Daraus schossen wir, dass die Erdverkabelung nicht durchgeführt werden soll, was das zweite Schreiben der Stadt in der Sache nach sich zog“, heißt es auf RZ-Anfrage seitens der Verwaltung.

Kein Erörterungstermin

Im Weiteren hatte sich die Stadt kritisch zu den Planungen im Hinblick auf etwaige Umweltauswirkungen geäußert, insbesondere zu den Schutzgütern Mensch, menschliche Gesundheit sowie Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt. Abschließend hat die Stadt angeregt, die Auswirkungen der Umstellung von Drehstrom auf Gleichstrom für die betroffenen Ortsbezirke im Stadtgebiet dezidiert darzustellen. Die Antwort, die die Stadt darauf erhielt, liest sich schlicht. „Die Bundesnetzagentur hat nunmehr nach Würdigung der eingegangenen Stellungnahmen/Eingaben folgendes mitgeteilt: Die Bundesnetzagentur hat alle eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen sowie die dazugehörigen Erwiderungen des Vorhabenträgers gesichtet und intensiv geprüft. Dabei wurde kein Bedarf einer näheren Erörterung festgestellt. Die Bundesnetzagentur hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, auf die Durchführung des Erörterungstermins zu verzichten.“

Keine Klage

Inzwischen sind auch die Beratungen mit den im Gebiet der Verbandsgemeinde Bad Breisig betroffenen Kommunen erfolgt. Dazu heißt es aus dem Rathaus der Stadt Bad Breisig, dass für die Belange der Ortsgemeinde Brohl-Lützing sowie der Ortsgemeinde Gönnersdorf keine Klage gegen den zwischenzeitlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss zum Vorhaben Ultranet vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben wird. Die Ortsgemeinde Waldorf ist vorliegend nicht betroffen. Wie Frank Gondert, Ortsbürgermeister von Brohl-Lützing erläutert, hatte auch die Quellenstadt sich im Planfeststellungsverfahren für die Erdverkabelung ausgesprochen. „Dies wurde jedoch im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages abgelehnt, damit war das politisch entschieden, das Verwaltungsverfahren ist nun im Planfeststellungsbeschluss gemündet mit dem Ergebnis, dass betroffene Gemeinden Klage erheben können – hier müsste eigenes Recht hergestellt werden, damit die Kommunen Planungshoheit hätten. In Anbetracht der Kosten wurde hiervon Abstand genommen“, erläutert Gondert die Sachlage.

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