Das Ja zum Wiederaufbau ist unüberhörbar: Der Wille dazu ist da, doch die Betroffenen brauchen schnelle Hilfe
Tourismus im Ahrtal: Wie geht es weiter?
Bauschutzzäune zeugen auch vor dem Steigenberger Hotel davon: Es wird saniert. Weitermachen nach der Flut wollen viele Gastronomen. Foto: Vollrath
Vollrath

Ahrtal. Eines der bedeutendsten wirtschaftlichen Standbeine des Ahrtals wurde durch die Flutkatastrophe in der Nacht zum 15. Juli bis ins Mark getroffen: Der Tourismus im Ahrtal hat verheerende Verluste in einem nahezu unvorstellbaren Ausmaß zu beklagen. Der Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler hat nun ein erstes Lagebild zusammengestellt.

Dazu haben die Mitarbeiter in den vergangenen Wochen mehr als 450 Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe sowie Privatunterkünfte im Ahrtal kontaktiert, darunter etwa 300 eigene Mitglieder. Erstes Fazit: Insgesamt rund 60 Prozent der Betriebe sind von der Flutkatastrophe betroffen. Das entspricht 280 Anbietern. „Auch wenn wir hier seit Wochen mittendrin sind im Katastrophengebiet und uns der Ernst der Lage schnell bewusst war, machen die nackten Zahlen doch erneut sprachlos“, fasst der Vorsitzende des Ahrtal-Tourismus, der Hotelier Christian Lindner aus Bad Neuenahr, seine Eindrücke zusammen.

Was die Betroffenheit angeht, stellt sich jedoch die Lage in den einzelnen Gewerbesparten unterschiedlich dar. Während von mehr als 220 Ferienwohnungen rund 50 Prozent von der Flut betroffen sind, hat es die Hotelbetriebe und Pensionen zu über 70 Prozent getroffen, die Gastronomiebetriebe sogar zu 80 Prozent. 11 von 13 Campinglätzen sind darüber hinaus zerstört. „Unfassbare Zahlen, hinter denen Eigentümer, ganze Familien und Hunderte Mitarbeiter stehen, die zu einem Großteil unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind“, betont Christian Lindner.

Doch es gibt in vielerlei Hinsicht große Hoffnung: Der Wille zum Wiederaufbau ist bei rund 80 Prozent der betroffenen Betriebe und Privatquartiere vorhanden. Auch im Bereich der Winzerschaft, die ein so wichtiger Faktor für den Tourismus im Ahrtal ist, wollen mehr als 90 Prozent der betroffenen Weingüter, Genossenschaften und Selbstvermarkter weitermachen. „Dies ist ein klares Ja der Beteiligten dafür, dass Tourismus an der Ahr eine Zukunft hat. Das Ahrtal ist noch da, und wir bauen wieder auf“, so Lindner.

Das Team des Ahrtal-Tourismus sei hoch motiviert, den Tourismusstandort wieder nach vorn zu bringen, auch wenn hier ebenfalls große Schäden vorliegen. Die beiden Touristinformationen in Bad Neuenahr und Ahrweiler sind genauso zerstört wie die Büroräume im Blankartshof sowie im ehemaligen Kurpark-Café mitsamt dem kompletten Inventar. Die Mitarbeiter sind derzeit auf unterschiedliche Ausweichräume aufgeteilt oder arbeiten im Homeoffice.

Laut Lindner gilt es jetzt in einem ersten Schritt, Strategien für die Kommunikation über die Website und die sozialen Medien zu entwickeln. Klar sei laut Lindner anhand der Anfragen, die bereits schon wieder eingehen, dass Gäste das Ahrtal wieder besuchen möchten – auch, um mit ihren Umsätzen zu unterstützen. Hierauf müsse man sich vorbereiten.

Vom Land Rheinland-Pfalz wünscht sich der Ahrtal-Tourismus nun vor allem, dass die zugesagten Gelder für die betroffenen Betriebe und Privatunterkünfte schnell und tatsächlich unbürokratisch fließen. Christian Lindner: „Um wieder wirtschaftsfähig zu werden, müssen die Betriebe jetzt so schnell wie möglich mit den nötigen Arbeiten starten können. Denn hiervon hängt wiederum der Erhalt der Arbeitsplätze ab.“ In einem nächsten Schritt gelte es, gemeinsam mit allen im Tal Beteiligten die gesamte touristische Infrastruktur zu analysieren und auch eventuell in Teilbereichen zu überdenken. „Aus Mainz benötigen wir neben den zugesagten Geldmitteln insbesondere vereinfachte Planungsverfahren für die erarbeiteten Ergebnisse. Ohne eine gut durchdachte Infrastruktur wie Rad- und Wanderwege, Parkplätze, öffentliche Verkehrsmittel, Eventflächen, Kultureinrichtungen und vieles andere ist Tourismus langfristig kaum denkbar. Lange Verfahren, Bedenkenträgertum, Entscheidungen über die Köpfe der Beteiligten hinweg müssen jetzt zugunsten einer echten Zusammenarbeit, konkreten Ansprechpartnern, unbürokratischen Wegen und einem Umdenken von üblichen Verwaltungsstrukturen weichen. Nur dann hat das Ahrtal die Chance, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken“, erklärt Lindner. Abschließend hält er fest: „Für die Umsetzung braucht das Ahrtal dann im letzten Schritt staatliche Unterstützung bei der Beschaffung der Unmengen an benötigtem Baumaterial und auch bei der Vermittlung von Fachunternehmen. Der Staat trägt Mitverantwortung für den gesamten Wiederaufbau von A bis Z, nicht nur für die Bereitstellung der entsprechenden Geldmittel.“ red

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