„Insgesamt ist die Stimmung gut und hoffnungsvoll“, beschreibt Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus die Lage. „Die Saison 2023 ist für die geöffneten Betriebe erfreulich gelaufen. Unsere wichtigste Erkenntnis: Das Ahrtal ist nach wie vor attraktiv als Tourismusdestination. Es kommen sowohl Stammgäste als auch viele neue Gäste, die durch oder nach der Flut auf das Ahrtal aufmerksam geworden sind. Die Region punktet auch mit ihren Kernkompetenzen Wandern, Wein, Gastfreundschaft und Kulinarik.“
Das belegen die Statistiken: Lagen die Übernachtungszahlen 2022 noch bei 434.000, konnte das Ahrtal für das Jahr 2023 schon rund 624.000 Übernachtungen verbuchen, eine Steigerung um rund 40 Prozent. „Dies liegt zum einen daran, dass 2023 mehr Übernachtungsbetriebe wieder geöffnet hatten, zum anderen konnte das Ahrtal mehr Leute für einen Besuch gewinnen“, erläutert Meike Carll, Referentin Tourismus.
Doch die reinen Zahlen verraten mehr: Von den Übernachtungszahlen in Höhe von 1,4 Millionen im Jahr 2019 – vor Corona und der Flut – ist das Ahrtal noch weit entfernt. Laut Carll fehlen vor allem noch Bettenkapazitäten. „Hier liegt das Ahrtal aktuell erst bei 5600 von zuvor knapp 8400 Betten, also bei rund 65 Prozent.“ Das führe dazu, dass für Gäste in der Hochsaison im Herbst häufig gar keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. „Diese Gäste fehlen auch in anderen Bereichen des Tourismus, beispielsweise in der Gastronomie.“
Bettenkapazitäten wachsen
Positiv sei, dass durch weitere Wiedereröffnungen, zum Beispiel durch das Steigenberger Hotel Bad Neuenahr, die Zahl in diesem Jahr auf über 6000 Betten anwachsen werde. „Es geht voran, aber zu langsam“, beschreibt auch Christian Lindner die Situation. „Manche Häuser haben immer noch keine adäquate Internetverbindung“, so sein Beispiel, mit welchen Problemen die Gastgeber knapp drei Jahre nach der Flut noch konfrontiert sind.
Das Ahrtal ist nach wie vor attraktiv als Tourismusdestination. Die Region punktet mit ihren Kernkompetenzen Wandern, Wein, Gastfreundschaft und Kulinarik.“
Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus
Weitere Krux bei den Übernachtungen: Die meisten Gäste kommen für Kurzaufenthalte an den Wochenenden und maximal für vier bis fünf Übernachtungen ins Ahrtal. Wochenweise Buchungen gebe es laut Meike Carll fast gar nicht. Der neue Geschäftsführer Andreas Lambeck, der zum April im Ahrtal startet, sieht im Bereich Übernachtungen noch Potenzial: „Das Ahrtal hat alle Voraussetzungen, um sein Ziel, die innovative und nachhaltige Weinregion in Deutschland zu werden, zu erreichen. Jetzt gilt es, auf der einen Seite das Ahrtal durch Leuchtturmprojekte aus dem Tourismuskonzept attraktiver zu machen – insbesondere für längere Aufenthalte.“
Ende Februar wurde der Endbericht zum nachhaltigen Tourismuskonzept Ahrtal 2025 vorgestellt. Oben auf der Wunschliste stehen die Hängebrücke als Verbindung von Rotweinwanderweg und Ahrsteig, ein Skywalk, ein Flutmuseum sowie eine Seilbahn. „Jetzt startet die eigentliche Arbeit: Machbarkeiten prüfen, Finanzierungsmöglichkeiten finden, Umsetzungen planen“, so Lambeck.
Derzeit steigt die Nachfrage vor allem im Bereich Tagestourismus. Ersichtlich ist dies anhand der stetig steigenden Buchungen von Gästeführungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler. So lagen 2023 sowohl die Anzahl der Termine als auch die Besucherzahlen fast wieder auf Vor-Corona-Niveau.
Im gesamten Ahrtal sind Veranstaltungen ein wichtiger Zugbringer im Tourismus. Die Saison 2023, in der Formate wie beispielsweise der Weinmarkt der Ahr oder das Ahrtaler Gipfelfest erstmals seit vier Jahren wieder stattfinden konnten, hat laut Carll Hunderttausende Besucher angezogen. „Und die Tendenz steigt weiter“, sagt Carll und nennt Beispiele: Der Tag der offenen Weinkeller war zum ersten Mal bereits Wochen vor dem Termin ausverkauft, und die Jubiläumsshow der Klangwelle läuft als Dauerbrenner im Vorverkauf.
Problem: Fehlende Infrastruktur
Trotz der positiven Entwicklungen gibt es laut Ahrtal-Tourismus nach wie vor viele Einschränkungen für die Besucher, vor allem im Bereich Infrastruktur. „Zwischen Walporzheim und Ahrbrück fehlen noch die Bahnstrecke und der zu einem großen Teil parallel verlaufende Ahr-Radweg. Beides enorm wichtige Verbindungen, um die Mittelahr zu erkunden“, so Carll, die hofft, dass beides zum Frühjahr 2026 wieder zur Verfügung steht. Immerhin seien die Teile des Ahr-Radweges zwischen Blankenheim und Ahrbrück sowie zwischen Walporzheim und Sinzig wieder befahrbar, wenn auch abschnittsweise über Umleitungen.
Weiteres Dauerproblem: ausreichende Parkmöglichkeiten, da nach wie vor einige Parkplätze und Tiefgaragen noch nicht wieder zur Verfügung stehen. Hier arbeiten die Kommunen am Wiederaufbau und an Alternativen. Lindner, selbst Hotelier, sagt abschließend: „Es gibt im Ahrtal viele gleichzeitige Herausforderungen. Zum einen muss der Wiederaufbau der Betriebe und der Infrastruktur vorangetrieben werden. Zum anderen müssen neue Projekte auf den Weg gebracht und Investoren fürs Ahrtal begeistert werden.“ red