Polizei und Verbraucherzentrale warnen vor Abzocke - Täter werden fast nie gefasst - Vor allem Senioren sind im Visier der Kriminellen
Täter werden fast nie gefasst: Telefonbetrug ist häufigste Masche im Kreis Ahrweiler
„Oma, weißt du nicht, wer hier ist?“: Mit diesen oder ähnlichen Worten verstricken Betrüger ihre Opfer am Telefon in ein Gespräch. Neben diesem sogenannten Enkeltrick gibt es noch weitere Maschen, mit denen Bürger um ihr Geld gebracht werden sollen. Symbolbild: dpa
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Kreis Ahrweiler. Trickbetrüger wenden in den vergangenen Jahren immer häufiger Maschen an, bei denen Smartphones und Telefone eine Rolle spielen. Ob sie sich als falsche Polizisten oder Enkelkind ihrer Opfer ausgeben - die Betrugsversuche haben oft Erfolg. Und frustrieren die Polizei.

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„Hallo, mein Name ist Kriminalhauptkommissar Müller. Ich bin von der örtlichen Kriminalpolizei. Ich rufe Sie nicht ohne Grund an. Denn wir haben die Information, dass sich in Ihrer Gegend eine Einbrecherbande herumtreibt. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich schlage Ihnen Folgendes vor ...“ Der ältere Herr am anderen Ende der Leitung ist alarmiert. Er willigt ein auf den Vorschlag des Polizisten, einen Beamten vorbeizuschicken, damit dieser Bargeld, Schmuck und Wertgegenstände einsammelt, um es im Polizeirevier sicher zu verstauen. Damit geht der Senior jedoch Betrügern auf den Leim.

Die Szene, die hier beschrieben wird, ist der Einstieg eines Informationsvideos des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz. So möchte die Behörde ältere Mitmenschen für die Vorgehensweisen von Betrügern sensibilisieren. Denn in Rheinland-Pfalz häufen sich laut Polizei die Fälle, in denen vorwiegend ältere Menschen Opfer von Trickbetrügern werden.

Viele Fälle enden erfolgreich – für die Täter

Allein im Bereich der Polizeiinspektion (PI) Mayen, zu dem auch der Kreis Ahrweiler zählt, hat es seit Januar 500 Fälle von versuchtem Telefonbetrug gegeben. Rund 50 waren erfolgreich. Heißt: In etwa 50 Fällen haben die Täter Geld oder Wertgegenstände erbeuten können. Die Beamten der PI Mayen unterscheiden bei dem sogenannten „Legendenbetrug am Telefon“ zwischen zwei Maschen. Die erste Masche ist die, dass sich die Betrüger am Telefon als Polizeibeamte, Enkel oder als Verwandte des Opfers oder Amtsperson ausgeben und „unter dem Eindruck einer Legende versuchen, bei ihren Opfern einen Zahlungswillen herzustellen“, erklärt Hans-Georg Jäger, Leiter des Kriminalkommissariats 4 der Kriminalinspektion Mayen. Dieses Kommissariat ist für Vermögens- und Umweltdelikte und den Verbraucherschutz zuständig.

„Diese Masche begleitet uns seit vielen Jahren“, stellt Jäger fest. Darunter falle auch die Gewinnspielmasche, bei der die Betrüger vorgeben, das Opfer habe einen Geldbetrag gewonnen. Um den auszahlen zu können, brauche es aber erst eine Anzahlung.

Recht neu ist die zweite Masche der Betrüger: Der sogenannte „Enkeltrick“ wird oft über den Nachrichtendienst WhatsApp abgewickelt. „Mit dieser Variante haben wir hier im Bereich der Polizei Mayen erst seit Februar dieses Jahres zu tun“, berichtet Jäger. Die Täter schreiben ihren Opfern eine Nachricht, in der sie sich als naher Verwandter ausgeben. Sie schreiben, ihr Handy sei kaputt, dies sei die neue Nummer, die ihr Opfer sich abspeichern könne. Sobald dies geschehen ist, folgt eine Geldforderung. Die ist meist getarnt. Die Nachricht kann lauten: „Ich musste mir einen neuen Laptop kaufen, bin aber gerade nicht flüssig, mein altes Handy ist ja kaputt. Kannst du das Geld für mich überweisen?“

Perfide Vorgehensweise

Die Täter zielen hier auf die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer ab und auch auf die emotionale Bindung. Prinzipiell seien vor allem ältere Menschen im Visier der Täter, sagt Jäger. Aber auch in anderen Altersgruppen hat es schon vollendete Betrugsfälle gegeben. „Das Problem ist die Emotionalität. Da ist man vielleicht abgelenkt, denkt gerade mal nicht nach. Die Täter gehen geschickt vor“, meint Jäger. „Beim Telefonbetrug etwa ist es auch so: Haben sie ihr Opfer einmal am Telefon, legen sie nicht mehr auf. Die kommen dann einfach manchmal auch gar nicht dazu, die Polizei zu verständigen.“

Laut Jäger läuft die erste Variante, bei der sich die Täter zum Beispiel als Polizisten ausgeben, vor allem über Callcenter mit Sitz in der Türkei oder den Niederlanden. Die WhatsApp-Betrugsmasche sei im Milieu der Clankriminalität zu verorten. Obwohl die Vorgehensweise der Betrüger der Polizei inzwischen sehr gut bekannt ist, gibt es kaum Fälle, in denen Betrüger gefasst wurden. „Ich würde sogar sagen, dass im Bereich der WhatsApp-Betrugsmasche bundesweit noch kein Täter gefasst worden ist“, sagt Jäger. Mehrere Umstände würden die Arbeit der Polizei erschweren.

Unser Problem ist, dass es keine europaweite Ermittlungsgruppe für diese Fälle von Betrug gibt.

Hans-Georg Jäger, Leiter des Kriminalkommissariats 4 der Kriminalinspektion Mayen

Die Telefonnummern, mit denen die Täter ihr Opfer kontaktieren, müssen zwar nach deutschem Recht eigentlich auf eine reale Person zugelassen sein. In der Realität wird deren Identität aber oftmals nicht überprüft, berichtet Jäger. Die Täter geben Personalien an, ohne sie verifizieren zu müssen. Die Spur führt also nahezu immer ins Leere. Und auch die Kontonummer, auf die das Opfer Geld überweisen soll, ist meistens kein Erfolg für die Polizei.

Denn die Konten sind oft entweder im Ausland angemeldet, wo man sich zu diesem Zweck häufig ebenfalls nicht ausreichend identifizieren muss, oder sie sind hierzulande mit falschen Personalien eröffnet worden. Heißt: Es wurden beispielsweise Ausweisnummern aus dem Darknet verwendet. Das ist ein Teil des Internets, der unter anderem über normale Browser nicht zugänglich ist und häufig von Kriminellen genutzt wird. Die Person, die dann angeblich das Konto eröffnet hat, weiß gar nichts von ihrem Glück. Auch da laufen die Ermittlungen ins Leere.

Ermittlungsnetzwerk fehlt

„Unser Problem ist allerdings, dass es keine europaweite Ermittlungsgruppe für diese Fälle von Betrug gibt“, spricht Jäger einen weiteren Umstand an. „Das wissen die Täter natürlich auch und agieren teilweise sicherlich international.“ Grundsätzlich, so Jäger, seien Telefonbetrugsfälle mit falschen Polizisten oder Amtspersonen heikler für die Täter als die Masche via WhatsApp. Denn sie müssen mit ihren Opfern eine Geld- oder Wertgegenstandsübergabe ausmachen. In solchen Fällen kann die Polizei zugreifen, wenn sie alarmiert wird.

Wie verhält man sich also richtig, wenn man erkennt, dass ein möglicher Betrüger am anderen Ende der Telefonleitung sitzt? Bei Anrufen legt man am besten auf und verständigt die Polizei. Nach Möglichkeit sollten sich Namen und Nummer des Anrufers gemerkt werden. Beides kann für die Ermittlungen wichtig werden. Bei WhatsApp-Nachrichten sei ein Foto des Bildschirms mit der Nummer und der Kontoverbindung für die Polizei hilfreich, so Jäger. „Sagen wir so: Wenn Sie kein Geld überweisen, kann Ihnen auch nicht viel passieren“, führt er aus. „Sollte das aber bereits geschehen sein, und Sie bemerken den Betrug danach, kontaktieren Sie umgehend die Polizei und Ihre Bank, um die Überweisung möglicherweise noch zu stoppen.“

Auch wenn die Ermittlungen bei Fällen von Telefon- oder WhatsApp-Betrug oft keinen Erfolg bringen, so können die Polizisten doch anhand der Daten möglicherweise nachvollziehen, in welchen Fällen es einen Zusammenhang gibt. „Merken Sie sich: Die Polizei verlangt von Ihnen niemals Informationen über Wertgegenstände oder Geld oder die Herausgabe von beidem. Wenn das passiert, ist es immer ein Betrugsversuch“, macht Jäger deutlich. Er könne über die Maschen der Täter nicht oft genug aufklären. Denn die aktuellen Zahlen – auch im Bereich der PI Mayen – zeigen: Nahezu jeder Zehnte dieser Betrugsversuche ist erfolgreich.

Bankmitarbeiter warnen Opfer

Um dem vorzubeugen, warnen zum Beispiel die Mitarbeiter der Sparkasse Köln-Bonn und die Polizei Bonn seit 2021 in den Bankfilialen mögliche Betrugsopfer mit Geldausgabeumschlägen. Die mit Warnhinweisen versehenen Kuverts händigen Bankangestellte an Kunden aus, wenn sie um die Ausgabe verdächtig hoher Geldsummen gebeten werden. Präventiv wird am Mittwoch, 7. Dezember, ein kostenloses Webseminar angeboten, in dem die Verbraucherzentrale zeigt, wie man sich vor Abzocke schützen kann. Beginn ist um 14.30 Uhr, es dauert 60 Minuten.

Anmeldung unter http://www.verbraucher zentrale-rlp.de/webseminare-rlp

Von Celina de Cuveland

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