Nach der Flut von Juli 2021 haben Städte und Gemeinden im Umfeld des Ahrtals Hallen, Sportplätze und andere Flächen für Spendenlager, Hilfseinrichtungen und vieles mehr zur Verfügung gestellt. In der Regel, ohne dafür Geld zu verlangen. Gelebte Solidarität im Kreis Ahrweiler.
Drei Ortsgemeinden im Umfeld des Nürburgrings aber verlangen nach Informationen unserer Zeitung in der Summe 536.500 Euro, weil ihre Parkplätze in Folge der Katastrophe genutzt wurden. Die Kreisverwaltung, so ist es einem Schreiben zu entnehmen, das unserer Redaktion vorliegt, will diese Rechnungen nicht bezahlen – die Forderungen seien zwar rechtlich einwandfrei, aber „moralisch (...) nicht gerechtfertigt“.
Ortsgemeinden verlangen Ausgleich
Schon kurz nach dem Flutgeschehen wurden Parkflächen am Nürburgring durch Einsatz- und Hilfskräfte belegt beziehungsweise als Lager genutzt. Teil einer Vereinbarung zwischen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) als damalige Einsatzleitung in der Katastrophe waren auch Areale von Nürburg, Müllenbach und Welcherath.
Diese Ortsgemeinden haben prinzipiell eine Absprache mit der Nürburgring GmbH, wonach diese die Parkflächen bei Veranstaltungen jederzeit nutzen darf. Nach der Räumung der betreffenden, so heißt es bei der Kreisverwaltung, habe die Nürburgring GmbH entsprechend der Vereinbarung die Nutzung in Rechnung gestellt und dabei auch die Areale der drei Ortsgemeinden „zu einem sehr geringen Anteil mit abgerechnet“.
Andere Kommunen halfen umsonst
Dann aber sind offenbar Anfang des Jahres weitere Forderungen beim Kreis eingetrudelt: Die Ortsgemeinde Nürburg verlangte nun knapp 330.000 Euro, Müllenbach knapp 95.000 und Welcherath 112.000 Euro. Da es jedoch keine Vereinbarung der ADD mit den drei Gemeinden gegeben habe, so drückt sich die Kreisverwaltung aus, seien diese Rechnungen nicht beglichen worden.
Gleichzeitig stellte man im Kreishaus fest, dass die Plätze tatsächlich nach der Flut genutzt wurden – wenn überhaupt müsse eine Inrechnungstellung aber über die Nürburgring GmbH laufen, denn diese habe ja den Vertrag mit der ADD gemacht. Dabei machte der Kreis gegenüber den Ortsgemeinden nach eigener Darstellung aber deutlich, dass sie die „Forderungen letztlich zwar nicht rechtlich, aber doch moralisch für nicht gerechtfertigt hält“.
Kreisverwaltung hat nie eine Rechnung erhalten
Man wolle nicht bezahlen, hieß es zuletzt in einem Dokument für eine nicht öffentliche Gremiensitzung im Kreis, „da es (...) nicht vertretbar ist, dass diese Ortsgemeinden Gewinn aus der Katastrophe ziehen, während gleichzeitig viele andere unentgeltlich geholfen haben“. Und die Verwaltung unterstreicht: Über etliche Wochen und Monate hätten Kommunen etwa Flächen, Räume oder Plätze kostenlos zur Verfügung gestellt, tun dies zum Teil heute noch.
Als Beispiele werden die Rheinhalle Remagen als Spendenlager, der Sportplatz Adenau sowie die vielen Flächen erwähnt, die die Gemeinde Grafschaft anbot und anbietet. „Hier hat die Kreisverwaltung nie auch nur eine Rechnung erhalten“, heißt es in dem Schreiben.
Streit ums Geld
Zudem sei den drei Ortsgemeinden am Ring auch kein Schaden durch die Inanspruchnahme ihrer Flächen entstanden, da diese wieder „ordnungsgemäß hergestellt“ wurden. Da es zudem zu Beginn der Inanspruchnahme keine Veranstaltungen auf dem Nürburgring gegeben habe, sei es auch nicht einem Einnahmeausfall gekommen. Bei späteren Veranstaltungen könne zwar ein Einnahmeausfall möglich sein, allerdings, so der Kreis, wären hier nicht alle aufgeführten Parkplätze genutzt worden.
Da sich Nürburg, Müllenbach und Welcherath zwischenzeitlich mit ihren Forderungen an die Nürburgring GmbH gewandt hatten, die das Ganze wiederum an die Kreisverwaltung weitergab, wurde nun auf den geforderten Betrag von 536.500 Euro auch noch Mehrwertsteuer in Höhe von 101.935 Euro draufgeschlagen. Endsumme: 638.435 Euro. Doch der Kreis bleibt nach Informationen unserer Zeitung bei seiner Haltung: Gewinn aus der Katastrophe ziehen zu wollen, ist unmoralisch. Und letztlich, so ist zu vermuten, hat man die Befürchtung, dass dann auch noch die Grafschaft, Adenau, Remagen und andere kommen und die Hand aufhalten.
Ein Beschluss wurde nicht gefasst
Die Beteiligten an dem bisher im Hintergrund schwelenden Zoff ums Geld wollen dazu bisher lieber schweigen. Auf Anfrage unserer Zeitung heißt es vonseiten der Kreisverwaltung: „Der von Ihnen in Ihrer Anfrage angesprochene Sachverhalt war Gegenstand der Tagesordnung im nicht öffentlichen Teil der Sitzung des Kreis- und Umweltausschusses am 12. Dezember 2022.
Dieser wurde den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis übermittelt. Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Entsprechend bitten wir um Verständnis, dass wir uns dazu nicht öffentlich äußern werden.“ Und die drei Ortsgemeinden ließen ausrichten, dass sie erst Anfang Januar zu der Thematik etwas sagen wollen.