Um das Angebot stemmen zu können, sind Weingüter meist auf Familie und Freunde angewiesen
Straußwirtschaften im Ahrtal: Wo es sie noch gibt und warum sie wichtig sind für die Winzer
Der Straußwirtschaftsgarten des Weinguts Riske in Dernau gehört zu jenen Oasen, wo Winzer und ihre Kunden ins Gespräch kommen. Straußwirtschaften sind neben aller Romantik immer auch eine Möglichkeit, Absatz zu generieren. Foto: Mechthild Riske
Riske

Straußwirtschaften sind im Ahrtal nach wie vor ein Anlaufpunkt für Wanderer und Weinliebhaber und eine Möglichkeit, mit dem Winzer persönlich ins Gespräch zu kommen. Die RZ war auf der Suche.

Lesezeit 4 Minuten

Straußwirtschaften sind im Ahrtal nach wie vor ein Anlaufpunkt für Wanderer und Weinliebhaber und eine Möglichkeit, mit dem Winzer persönlich ins Gespräch zu kommen. Zum Herbstanfang laden die Winzer dorthin ein, um den selbst produzierten Wein zu verkaufen. Früher saßen die Gäste dann auch schon mal im Wohnzimmer der Winzerfamilie. Doch die alte Tradition hat auch einen ernsten Hintergrund: Sie ist ein wichtiger Vermarktungszweig, um Absatz zu machen in einem Tal, in dem viel an touristischer Infrastruktur nach der Flut weggebrochen ist. Die RZ war auf der Suche nach Weingütern, die trotz der Arbeit im Weinberg auch noch Gastgeber auf Zeit sind.

Kleine Leckereien zum Wein sind typisch

Um das Angebot einer Straußwirtschaft stemmen zu können, sind die meisten Weingüter auf Familie und Freunde angewiesen. Denn Saisonpersonal ist knapp. Davon berichtet auch Mechthild Riske vom gleichnamigen Weingut in Dernau. Seit 1997 gibt es hier die Probierstube für Wanderer, die damals auch schon den Titel „schönste Straußwirtschaft an der Ahr“ eingeheimst hat. Ein Klassiker ist hier die hausgemachte Kartoffel-Lauch-Suppe. „Hier gibt es kein Steak mit Pommes, sondern Kleinigkeiten, die zum Wein passen“, so die 65-jährige Mechthild Riske. „Ich bin der Koch der Bande“, sagt sie. Ihre Rezepte gibt sie gern auch an die Gäste weiter. Die Familie zählt auf sie. „Oma, du machst das doch gern“, bekommt sie dann zu hören.

Hatten wir früher zu 80 Prozent Gäste von außerhalb als Publikum, kommen heute meist Einheimische.

Hubert Pauly betreibt eine Straußwirtschaft

Die Öffnungszeiten reduzieren sich im Gegensatz zu früheren Zeiten auf das Wochenende, und das gilt für fast alle Straußwirtschaften. Mehr ist mangels Hilfskräften nicht zu stemmen. Bis zum 10. November wird die Straußwirtschaft, die im oberen Teil der Wingertstraße vom Hochwasser verschont blieb, in diesem Jahr geöffnet haben, und zwar samstags, sonn- und feiertags sowie vom 27. September bis 18. Oktober zusätzlich freitags.

Heute kommen auch viele Einheimische

Gisbert Ley hatte nach der Flut erst einmal Aufbauarbeit zu leisten für seine Straußwirtschaft im Schlosshof in Dernau. „Die Küche ist noch nicht fertig. Es gibt also noch keinen Flammkuchen, sondern Pfefferbeißer, Brettljause oder Brezel“, erzählt er. Im nächsten Jahr wolle er auch wieder warme Gerichte anbieten. Geöffnet hat er im Mai, Juni sowie von September bis Ende Oktober und zum Martinsmarkt in Dernau jeweils samstags und sonntags. Ob es sich lohnt? Es sei nicht mehr so viel los wie vor der Flut, und auch beim Wanderevent Weinherbst spiele sich vieles in den Weinbergen und nicht im Dorf ab. „Aber es ist eine Werbung für uns. Die Gäste kommen vorbei, können ungezwungen probieren und kommen nächstes Jahr wieder“, so Ley, der damit eine lange Tradition fortsetzt in einem Weingut, das gerade ein 300-jähriges Bestehen gefeiert hat.

Bachem Kathinkas Straußwirtschaft
Oberhalb von Bachem bewirtschaften Doris Hein und der Winzer Stefan Kurth (rechts) ihre Straußwirtschaft, die sie auf den Namen Kathinka getauft haben. Foto: Hans-Jürgen Vollrath
Hans-Jürgen Vollrath

Neben dem Weintürmchen in Dernau als weiterem Anlaufpunkt gibt es seit zwei Wochen auch wieder die Straußwirtschaft Pauly in der Bachstraße. Hubert Pauly, seines Zeichens auch Weinbaupräsident an der Ahr, beobachtet nach dem Wiederaufbau, dass die Menschen nach Pandemie und Flut gesellige Treffpunkte vermissen. „Hatten wir früher zu 80 Prozent Gäste von außerhalb als Publikum, kommen heute meist Einheimische“, so Pauly, zumal die Bahnverbindung fehle, und auch die Parksituation nicht optimal sei. Er habe neues Mobiliar angeschafft und viel Lob für seine neuen Sessel bekommen. Zum Essen reicht er Kleinigkeiten. „Der Avocadoteller ist derzeit der Renner“, so Pauly. Bis Ende Oktober wird er freitags, samstags und sonntags geöffnet haben.

Hier gibt es sogar gehobene Küche

Nach der Flut hat das Weingut Schumacher aus Marienthal einen Neustart seiner Straußwirtschaft auf der Lieblingswiese oberhalb des Ortes geschafft. Hier soll auch das Weingut neu aufgebaut werden. Serviert werden in der Wiesenwirtschaft zum Wein von Freitag bis Sonntag ab Juli bis Ende Oktober Gerichte, die normalerweise nicht in einer Straußwirtschaft anzutreffen sind. Zum Beispiel Trüffel-Kaspressknödel mit Pilzen vom Grill, Burrata in gekühlter Kirschtomatenessenz oder verschiedene Tapas. Das ist der Anspruch von Anna Schumacher, die froh ist, wenn sie die Logistik dafür nicht mehr auf den Berg bringen muss.

In die Weinberge oberhalb von Bachem, in die Bachemer Heide, ist auch Stefan Kurth mit seiner Straußwirtschaft Kathinka gezogen. Idyllisch unter Bäumen mit Blick aufs Tal sitzt man hier oben mitten in der Natur. „Es beflügelt den Absatz“, so Kurth, der sein Weingut in Bachem nach der Flut wiederaufgebaut hat, für die Straußwirtschaft aber einen anderen Standort als den im eigenen Garten gefunden hat. „Es läuft gut. Wir sind zufrieden“, so Kurth. Der hausgemachte Kartoffelsalat nach dem Familienrezept seiner Mutter mit Würstchen ist besonders gefragt. Am 2. November wird er seinen Saisonabschluss feiern nach vier Monaten mit Wochenenden, die von freitags bis sonntags viel Einsatz gefordert haben.

Maibachfarm hat ebenfalls geöffnet

Auch die Straußwirtschaft der Maibachfarm in Ahrweiler ist ein Platz, der bei einer Wanderung gern angesteuert wird. Vom 1. Juli bis zum 27. Oktober wird dort neben Wein, Kaffee und selbst gebackenem Kuchen auch Herzhaftes von einer kleinen Speisekarte angeboten. Kostenlos ist der Blick auf Esel und Schafe im Maibachtal. Das Weingut Adolf Schreiner an der Rotweinstraße bietet in Rech das Erlebnis einer familiären, gemütlichen Straußwirtschaft – immer an den Wochenenden im Mai, September, Oktober, November und zum Luciamarkt in Rech. Auch hier locken edle Tropfen und hausgemachte Leckereien wie zum Beispiel Zwiebelkuchen im Herbst.

Eine sehr lange Tradition hat die Straußwirtschaft des Weinguts Sonnenberg in Bad Neuenahr, die von Ende September bis Mitte Oktober freitags und samstags geöffnet hat. Einst gingen in der Jugendstilvilla die Geschäftskunden und Freunde des Konzerns 4711 ein und aus. Aus dem nahen Köln kamen sie mit Pferdekutschen angereist. Damals war die heutige Straußwirtschaft der Stall für die Rösser.

16 Wochen im Jahr

Straußwirtschaften haben eine lange Tradition. Das Recht, eigenen Wein auszuschenken, wird schon in alten Schriften aus der Zeit Karls des Großen erwähnt. Die Ausschankzeit wird oft durch einen geschmückten Strauß, Besen oder Kranz angezeigt – daher der Name. Für die Dauer von 16 Wochen im Jahr dürfen die Winzer ihren selbst erzeugten Wein ausschenken. Dazu werden einfache regionaltypische Gerichte angeboten. bea

Top-News aus der Region