Sternekoch Hans Stefan Steinheuer hat klare Vorstellungen davon, welche Chancen sich dem Tourismus im Ahrtal nach der Flut bieten
Sternekoch Hans Stefan Steinheuer: „Es braucht einen roten Faden für den Tourismus im Ahrtal“
Sternekoch Hans Stefan Steinheuer in der Küche seines Restaurants in Heppingen Archivfoto: Vollrath
Hans-Jürgen Vollrath

Kreis Ahrweiler/Heppingen. Hans Stefan Steinheuer muss nicht lang überlegen, wenn er nach der Zukunft des Tourismus im Ahrtal gefragt wird. „Wir brauchen ein einheitliches Tourismuskonzept für den ganzen Landkreis Ahrweiler“, bringt es der Gastronom auf den Punkt. Ein Konzept mit neuen Ideen, das auch für junge Menschen attraktiv ist. Wie das aussehen könnte? Der Sternekoch hat konkrete Ideen – über die man zumindest mal gesprochen haben sollte.

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Mit seiner Idee eines einheitlichen Konzepts stößt Steinheuer zwar in dasselbe Horn, wie der Ahrtal-Tourismus mit seinem „Nachhaltigen Tourismuskonzept 2025“ und das Wirtschaftsministerium des Landes, das sich ebenfalls ein Konzept für das ganze Tal wünscht (die RZ berichtete). Aber er wird schon sehr viel konkreter, als es die Planungen bisher sind.

Südtirol und Steiermark als Vorbild

„Wir können uns ein Beispiel an den Regionen Südtirol und der Steiermark nehmen. Alle touristischen Organisationen hier müssen auf Augenhöhe laufen. Es darf nicht die einzelnen Destinationen im Kreis geben wie den Laacher See, den Nürburgring oder die Rheinschiene. Wir sind alle der Kreis Ahrweiler. Wir brauchen unsere ganze Vielfalt – organisiert unter einem Dach.“

Bereits Anfang des Jahres hatte sich eine Initiative um den Sternekoch aus Heppingen zusammengetan, um die Entwicklung des Tourismus anzustoßen, zu planen und ein einheitliches Konzept anzudenken. Mit dabei Vertreter aus Architektur, Handel, Tourismus, Politik und Verwaltung. Inzwischen sind die Ideen weiter gediehen. Steinheuer sagt, gerade im Ahrtal habe es bislang ein Problem mit Hotelkapazitäten gegeben. Bisher seien vor allem Ferienwohnungen in den Ortsgemeinden angeboten worden, es habe kaum Hotelbetriebe gegeben. Ein zusammenhängendes Übernachtungskonzept für die Orte im Ahrtal? Fehlanzeige.

Tiny Houses als Hostel

Die Flut hat die Lage nun noch einmal verändert: Viele Gebäude sind nach wie vor zerstört, Betriebe noch geschlossen, manche werden nicht wieder öffnen. Doch für diejenigen, die weitermachen wollen oder gar neu ins Ahrtal kommen, sieht Steinheuer Möglichkeiten. Er regt an, die Tiny Houses nach ihrer Nutzung durch Flutbetroffene als Hostel in der Kategorie von ein bis zwei Sternen beizubehalten. Das schaffe weitere Übernachtungskapazitäten und spreche vor allem eine Zielgruppe an, für die im Ahrtal vor der Flut nicht unbedingt etwas geboten wurde: junge Leute mit kleinem bis mittlerem Budget, die gern wandern gehen, Rad fahren und das Naturerlebnis schätzen.

Auch die Hütten entlang des Rotweinwanderwegs böten bislang ungenutztes Potenzial. Dort würden bisher einzelne Betreiber und Vereine ihre eigenen Konzepte umsetzen, die Hütten seien nicht dauerhaft geöffnet, damit sei auch nicht immer eine Nutzung der WC-Anlagen möglich. Umstände, die verbesserungswürdig seien. Auch da brauche es einen roten Faden, so Steinheuer. „Man könnte die Hütten zu Weinhöfen umfunktionieren. Dabei steht die regionalspezifische Ausrichtung bei der Gastronomie im Fokus, das ist elementar. Es gibt Ahr-Weine und regionale Produkte. Man könnte die Höfe auch optisch vernetzen, etwa durch Schieferbruchsteinelemente, die für die Architektur hier typisch sind.“ Dass solche Ideen sich nicht immer umsetzen lassen, ist dem Sternekoch klar. Dennoch sei es sinnvoll, sie zu überdenken.

Seilbahn in Dernau

Beim Tourismus, gerade mit Blick auf junge Leute, spielt der ÖPNV eine wesentliche Rolle. Dass die Deutsche Bahn die Ahrtalbahn so wieder aufbauen will, wie sie war, hält Steinheuer für eine Fehlentscheidung. Es brauche eine moderne, ökologische Lösung. „Ich stelle mir eine wasserstoffbetriebene Tram vor, die im Zehnminutentakt von Walporzheim ins Ahrtal fährt“, meint er. „Die wäre wesentlich leichter als die schweren Regionalbahnen und nachhaltiger. Das wäre auch mit der Bodenbeschaffenheit im Ahrtal besser zu vereinbaren. Man könnte auch über eine Seilbahn in Dernau nachdenken, die die Grafschaft mit dem Tal verbindet. Nur mit Konzepten wie diesen bekommen wir die Blechlawinen aus dem Tal.“

Natürlich brauche es dann auch ausreichend Parkplätze an den „Eingängen zum Tal“, also in Walporzheim und auf der Grafschaft. „Wenn wir es schaffen, die nötigen Hebel – etwa für EU-Fördergelder zur Entwicklung der Region – in Bewegung zu setzen, dann sind wir bei den touristischen Vorbildregionen in Europa ganz vorn mit dabei“, ist sich Steinheuer sicher.

Gemeinsamer Ansprechpartner fehlt

Bei innovativen Pop-up-Konzepten, die aktuell vermehrt in der Kreisstadt entstehen, vermisst Steinheuer ebenfalls einen Zusammenhang. „Das ist klasse, dass es die Angebote gibt“, sagt er. „Aber: Da macht wieder jeder irgendwas.“ Potenzial würde verschenkt. Doch es fehle den Akteuren ein gemeinsamer Ansprechpartner für die Koordination. Die Kommunen würden zum Teil die Landesregierung schlichtweg nicht erreichen. „Es braucht aber einen Verantwortlichen“, beharrt Steinheuer auf diesem Punkt. „Und die Landrätin hat es offenbar bis jetzt nicht geschafft, das zu koordinieren.“ Es fehle ganz einfach eine Ebene bei der Kommunikation zwischen Bundesregierung, Landesregierung, Kommunalpolitikern und Akteuren am Ort. „Es braucht jemanden, der immer wieder neu anspricht, was hier nicht läuft, was wir brauchen und wo wir hin wollen“, bringt es Steinheuer auf den Punkt.

Von Celina de Cuveland

Podiumsdiskussion der RZ und Radio RPR1: Wie geht es weiter mit dem Tourismus im Ahrtal?
Der Tourismus hatte vor Corona und der Flut im Kreis Ahrweiler durchaus zugelegt. Im Jahr 2018 konnte man im Kreis (ohne Campingplätze) laut Statistischem Landesamt 558 232 Gäste begrüßen. Ein Jahr später waren es 567 540 – ein Plus von 1,7 Prozent. Übernachtungen wurden 2018 (wiederum ohne Campingplätze) 1 421 912 gemeldet. Ein Jahr später waren es 1 490 741 – ein Plus von 4,8 Prozent. Zum Vergleich: Andere Tourismusregionen wie das Rheintal oder Mosel-Saar mussten im selben Zeitraum bei den Gästezahlen ein Minus verdauen. Durch die Corona-Pandemie hatten sich die Gäste- und Übernachtungszahlen schon im Jahr 2020 erheblich reduziert. 2021 konnten nach der Flutkatastrophe laut Statistischem Landesamt im Kreis noch 173 361 Gästeankünfte und 538 167 Übernachtungen gezählt werden. Zahlen, die laut Landesamt mit Vorsicht zu genießen sind, da ihnen „ein über das übliche Maß hinausgehender Schätzanteil zugrunde liegt“. Für das Jahr 2022 belegt die Statistik eine langsame Erholung: Stand August – also noch ohne den Herbst – wurden bereits 173 106 Gästeankünfte und rund 480 000 Übernachtungen errechnet. Alles in allem ist das noch weit entfernt von früheren Zahlen. Bei den Gästen aus dem Ausland etwa weisen die Statistiker im Kreis für das Jahr 2019 rund 109 000 aus, 2021 waren es knapp 22 000; bis August 2022 werden allerdings schon wieder rund 28 250 ausländische Gäste angegeben. Ein Funken Hoffnung also. Wie geht es nun weiter mit dem Wirtschaftsfaktor Tourismus? Wie gewinnt das Tal genug Attraktivität für Tagestouristen und Übernachtungsgäste? Den Stand der Dinge und wie es weitergeht, diskutieren die Rhein-Zeitung und Radio RPR1 mit einem prominent besetzten Podium: Innenminister Michael Ebling, Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt, Christian Lindner, Vorsitzender der Ahrtal-Tourismus, Benjamin Vrijdaghs, Ortsbürgermeister von Rech, und Buchautor Andy Neumann. Antje Körtgen aus Ahrweiler und Lukas Sermann aus Altenahr vertreten die junge Generation von Winzern, Gastronomen und Hoteliers, die ihre private und berufliche Zukunft in der noch arg geschundenen Region sieht. Die Runde, moderiert von Chefredakteur Lars Hennemann und RPR1-Moderator Jens Baumgart, findet statt am Dienstag, 22. November, 19 Uhr, in der Festhalle Landkrone im Bad Neuenahrer Stadtteil Heimersheim. red/ms

Wer teilnehmen möchte, sollte sich bitte anmelden per E-Mail an veranstaltungen@rhein-zeitung.net oder unter Tel. 0261/983 620 00. Den Livestream können Sie am Dienstag, 11. November, ab 19 Uhr hier verfolgen.

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