30-Jähriger vor Gericht: Er soll in der Commerzbank-Filiale einen Geldautomaten zur Explosion gebracht haben
Sprengung eines Geldautomaten in Bad Neuenahr-Ahrweiler: 30-Jähriger vor Gericht
Der Tatort: die Commerzbank-Filiale in Bad Neuenahr.
Archiv Christian Koniecki

Koblenz/Bad Neuenahr. In den frühen Morgenstunden am 6. März 2019 machten sich zwei Männer am Geldautomaten in der Filiale der Commerzbank Bad Neuenahr-Ahrweiler zu schaffen. Sie füllten ein Acetylen-Sauerstoffgemisch in den Bankautomaten ein. Gegen 5.15 Uhr knallte es heftig in der Telegrafenstraße. Der Bancomat war explodiert.

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Aus Tätersicht war es dann auch eine gelungene Sprengung. Die Beute: 100.000 Euro. Einen der Männer, einen in den Niederlanden geborenen 30-Jährigen, hat die 12. Strafkammer des Landgerichts Koblenz unter Vorsitz von Richterin Anne Werner wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion angeklagt.

„Ein lauter Rums, ich bin fast aus dem Bett gefallen“

Ein Anwohner, der in der dritten Etage des Hauses lebt, kann sich noch genau an den Knall erinnern, der ihn aus dem Schlaf gerissen hat. „Ein lauter Rums, ich bin fast aus dem Bett gefallen. Die Erschütterung war so groß, dass sogar Bilder von der Wand fielen“, berichtete er jetzt im Zeugenstand. Gesehen habe er von seinem Fenster aus, wie zwei Maskierte in schwarzer Kleidung auf einem Motorroller die Flucht in Richtung Ahr ergriffen hätten. „Einer der Männer, er trug einen großen, schwarzen Rucksack auf dem Rücken, taumelte, als er aus der Bank kam“, konnte sich der Zeuge genau an die dramatischen Momente erinnern. An dem Rucksack habe sich dicker Schlauch befunden, „der sich dann auch noch an der Eingangstür verfangen hat“, ist sich der Zeuge sicher.

Die Aussagen deckten sich mit den Angaben eines 61-jährigen Nachbarn, der ebenfalls unweit der Bankfiliale wohnt. „Ich habe zuerst ein lautes Rumpeln gehört, so als wäre draußen eine Mülltonne umgestoßen worden.“ Erkannt habe er zunächst nur, dass „unmittelbar vor meinem geparktem Auto ein Motorroller mit laufendem Motor stand. Ich habe mich noch gefragt: Was soll denn das – was ist denn hier los?“

Urplötzlich seien sodann aber zwei mit Motorradhauben vermummte Männer aus dem Vorraum der Commerzbank gestürmt. „Die sind auf den Motorroller gesprungen und ganz schnell weggefahren. Dabei haben sie in ihrer Eile auch Geldscheine verloren“, hat er die Szene noch genau vor Augen. Und: „Das Geld lag lose auf der Straße – ich hab es mit dem Fuß zusammengeschoben.“ Teile des Geldautomaten hätten vor der Bank herumgelegen, und der Vorraum der Bankfiliale sei völlig verqualmt gewesen, meinte der Zeuge: „Ich habe dann den Notruf gewählt. Innerhalb von wenigen Minuten waren dann auch die Polizei und die Feuerwehr in der der Telegrafenstraße.“

100.000 Euro erbeutet

Laut Staatsanwaltschaft soll der 30-jährige Angeklagte tatsächlich gewusst haben, wie man Geldautomaten mit einem Gasgemisch sprengt. An jenem Mittwochmorgen gegen 5.15 Uhr habe sich der Mann mit einem Mittäter in die Filiale der Commerzbank begeben. Dort hätten beide mithilfe eines Brecheisens das Bedienmodul des Geldautomaten herausgehebelt, in den hierdurch zugänglich gewordenen Hohlraum ein Acetylen-Sauerstoffgemisch eingefüllt und dieses im Anschluss mit einem Elektroschocker über eine Zündleitung vom Eingangsbereich der Bank aus zur Explosion gebracht. Durch die Druckwelle sei der im Automaten eingebaute Tresor geöffnet worden. Fette Beute sollen der Angeklagte und sein Mittäter gemacht haben: Mit fast 100.000 Euro beziffert die Staatsanwaltschaft die Summe.

Filmreife Flucht

Bei ihrer Flucht haben die beiden Männer auf dem Roller augenscheinlich auch einen Unfall gebaut. Im Morgengrauen stand ihnen auf einem Radweg wohl ein Poller im Weg. Sie stürzten und verloren Tatwerkzeuge und einen Teil der Beute (22.250 Euro). Gegen 7 Uhr stießen die ermittelnden Beamte der Polizeiinspektion Remagen dann auch auf diese heiße Spur: Auf einem Fahrradweg nahe Lohrsdorf finden sie tatsächlich Geldscheine, verteilt auf einer Länge von 25 Metern.

„Die Scheine, die wir eingesammelt haben, lagen im Grünstreifen an der Ahr oder hingen verstreut in den Hecken und Sträuchern. Im Bereich eines Pollers auf dem Radweg war auch eine Blutspur zu erkennen – offensichtlich war das der Fluchtweg der Männer“, erklärte ein Polizeibeamter dem Gericht. Nur wenig später macht eine andere Streifenbesatzung der Polizei die nächste Entdeckung: Das Fluchtfahrzeug wurde gefunden. „Wir haben den Roller unweit vom Ufer in der Ahr liegen gesehen. Den haben wir dann auch geborgen“, erinnerte sich eine Polizistin.

Mitnichten ließen sich die Flüchtigen aufhalten. Für sie ging es zu Fuß ahrabwärts in Richtung Bad Bodendorf weiter. Ihr Ziel: die Materiallagergarage des SC Bad Bodendorf. Hier hielten sie sich dann auch für kurze Zeit versteckt – bis der Platzwart, der eigentlich nur nach dem Rechten sehen wollte, unvermittelt auftauchte. Als er sich der Bad Bodendorfer Sportsmann dem Garagentor näherte, hätten die beiden und ein zwischenzeitlich hinzugekommener dritter Täter den Platzwart in die Garage hineingezogen und ihn eine Zeit lang festgehalten, befand die Anklage. Währenddessen gaben die mutmaßlichen Verbrecher ihm unmissverständlich zu verstehen: „Wenn du ruhig bist, passiert dir nichts.“ Kurzum: Die drei Männer lassen den Mann in der Garage zurück und suchen das Weite. Unterdessen kommt der Platzwart nach wenigen Minuten aus der Garage frei. Im nächsten Moment sah er sein Mobiltelefon auf einer Bank liegen. Er alarmierte die Polizei.

Die Verhandlung wird fortgesetzt. Ein vermeintlicher Mittäter wurde bereits in einem abgetrennten Verfahren zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.

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