Ein großer Boxring ist das Erste, was man sieht, wenn man die Halle betritt, in der Luisa Riehl trainiert. Drei- oder viermal in der Woche ist die Gelsdorferin beim Verein Tomburg Boxing in Wormersdorf. Zusätzlich macht sie noch Kraft- und Konditionstraining daheim. Der Trainingsplan der elfjährigen Kickboxerin ist voll. Und in den nächsten Wochen wird er noch mal weiter anziehen. Im Oktober will sie an der Weltmeisterschaft der World Kickboxing and Karate Union (WKU World) teilnehmen. In zwei Disziplinen, Leichtkontakt und Kick Light wird sie sich mit Athletinnen aus verschieden Ländern messen.
Konzentration ist wichtig
Auf einem sieben Mal sieben Meter großen Mattenfeld wird sie ihren Kontrahentinnen gegenüberstehen. In der zweiminütigen Runde versuchen beide Kämpfer durch leichte, saubere Kicks Treffer zu erzielen. Danach entscheiden die Punktrichter über die Siegerin. Zwar hat Luisa mittlerweile an einigen Turnieren teilgenommen, doch bei jedem Kampf ist sie wieder aufgeregt. Vor allem versucht sie, sich darauf zu konzentrieren, was direkt vor ihr ist. Zu viele Gedanken macht sie sich nicht dabei. „Meistens denke ich eher zu wenig nach“, sagt sie lachend. Dann muss Trainer Willi Zinken vom Mattenrand unterstützen und anweisen: „Ich habe sie auf meine Stimme gedrillt“, erklärt er.
Vater brachte sie früh zum Kickboxen
Auf der Suche nach einem Sport, den Luisa vor der ersten Klasse machen konnte, schlug ihr Vater, selbst Hobbykickboxer, den Kampfsport vor. Ein Bekannter empfahl ihnen die Schule in Wormersdorf. Erst mal ging es nur um Kindertraining. Der Wunsch, an Turnieren teilzunehmen, kam aber von Luisa selbst, wie ihre Mutter Anna Riehl erklärt. Sie hatte die Wettkämpfe als Zuschauerin mitbekommen. Vor rund zwei Jahren hing dann in der Trainingshalle eine Anmeldungsliste für ein Newcomerturnier aus, an dem Luisa teilnehmen wollte. Als ihre Tochter zum ersten Mal auf der Matte kämpfte, war Anna Riehl noch nervös. „Ein Treffer tut einem da mehr weh als dem Kind.“ Jetzt sei es irgendwie normal. „Keiner hat gewusst, worauf man sich da einlässt.“ Denn Luisa blieb dabei, und seit dem vergangenen Jahr nimmt sie an regulären Turnieren in ganz Deutschland teil. Ihre Eltern sind immer dabei.
Mittlerweile hätte Luisa sogar ihren Vater mit dem Wettkampffieber angesteckt, der sich nun selbst für Turniere anmelden will. Das Kickboxen macht ihr einfach Spaß, erklärt Luisa Riehl. „Weil ich mich messen kann und ich das, was ich im Training gelernt habe, anwenden kann.“
Schnelle Erfolge
Dabei wächst sie immer wieder über sich heraus. So bei einem Kampf gegen eine deutlich größere Engländerin, den sie glaubte, nicht gewinnen zu können. Wäre Luisa auf Distanz geblieben, hätte ihre Gegnerin sie mit ihrer größeren Reichweite vermutlich besiegt. Doch hielt die Gelsdorferin ihre Deckung oben, ging rein und konnte sich im Nahkampf den Sieg sichern. Auf eine andere Gegnerin war sie wiederholt bei Wettkämpfen getroffen. Jedes Mal endeten die Kämpfe in Niederlagen für Luisa. Doch nachdem sie weiter trainiert hatte, gelang es ihr schließlich, auch diese Kontrahentin bei einem Turnier zu schlagen.
Dann die Verletzung
Das nächste Aufeinandertreffen der Beiden endete jedoch schlecht für Luisa. Ein sauberer Tritt traf sie an der Schulter. Zwar wollte sie weiterkämpfen, aber ihr Trainer brach ab. Wie sich im Krankenhaus zeigte, war ihr Schlüsselbein angebrochen. Angst davor, zu kämpfen oder getroffen zu werden habe Luisa nicht. „Ich habe eher Angst, den Kampf zu verlieren und ohne Erfolg heimzugehen.“ Na gut, ein bisschen habe sie Angst, sich erneut zu verletzen. Einen gesunden Respekt nennt es ihre Mutter.
Luisa freut sich auf die Meisterschaft. Ob sie den Titel holen wird? Sie hofft es, sicher ist sie sich nicht. „Ich kann es schaffen, wenn ich gut trainiere“, sagt sie. Dabei klingt sie nicht unsicher, sondern trotz ihres Alters sehr überlegt. Bei der ersten Weltmeisterschaft solle man sich nicht auf den Sieg fokussieren, sagt ihr Trainer. Wichtiger sei eine solide Ausbildung und Grundlagen. Und die Dinge, die der Kampfsport mit sich bringt wie Selbstvertrauen und Disziplin.
Erfolgreicher Verein
Außer Luisa treten sieben andere junge Kämpfer aus dem Verein bei der WKU-Weltmeisterschaft an. „Nicht schlecht für einen Dorfverein“, sagt Zinken. Vor allem sei es aber ein großes Abenteuer als Team. Die Wenigsten würden den Schritt zum Profi machen. Nicht, dass es unmöglich ist. Die Profiboxerin Sarah Liegmann, eins von Luisa Vorbildern, begann ihre Kampfsportkarriere in der Kampfschule in Wormersdorf.
Disziplinen der WKU-World Kickbox-Weltmeisterschaft
Bei der Weltmeisterschaft auf Rhodos treten Kickboxer in den Disziplinen Pointfighting (auch Semikontakt), Leichtkontakt, Kick Light, Vollkontakt und K1. Bei allen geht es darum, durch erlaubte Treffer Punkte zu erzielen. Beim Pointfighting sind saubere Treffer, mit Faust- und Fußtechniken über der Gürtellinie und mit leichtem Kontakt erlaubt. Punktet ein Sportler, wird der Kampf unterbrochen und von der Startposition fortgesetzt. Im Leichtkontakt wird stattdessen über die gesamte Rundenzeit durchgekämpft. Bei der Disziplin Kick Light sind zusätzlich Tritte gegen die Oberschenkel erlaubt. Diese drei Disziplinen werden auf Matten ausgetragen und ein Knock-out führt zur Disqualifikation.
Vollkontaktkämpfe werden im Ring ausgetragen. Die Punkte werden so gezählt wie im Leichtkontakt, mit dem Unterschied, dass hier nur Wirkungstreffer zählen, also wenn sie den Gegner körperlich oder geistig sichtlich beeinträchtigen. Im Vollkontakt ist auch ein vorzeitiger Sieg durch Knock-out möglich. Bei der Disziplin K1 dürfen zusätzlich die Knie eingesetzt werden und Tritte gegen die Oberschenkel sind erlaubt.