Dass schon 18 Jahre vergangen sind, seit Kerstin Laubmann als evangelische Pfarrerin in Sinzig ankam, kann sie selbst kaum glauben. So erfüllt war diese Zeit, in der sich vieles ereignete und es jede Menge zu tun gab und gibt. „Es war oftmals sehr viel mehr zu tun, als es meine Stelle, die ich mir nach einer gewissen Zeit aus privaten Gründen mit Pfarrerin Johanna Kuhn nach ihrer Elternzeit teilte, hergab“, sinniert Kerstin Laubmann, die ihren Ehemann Hans-Dietrich Laubmann während ihrer Zeit in Sinzig kennenlernte. „Das war alles nur machbar, weil ich selbst keine Kinder habe und einen sehr geduldigen Ehemann“, sagt sie lächelnd. Nun aber wird es Zeit, Abschied von der Pfarrerin zu nehmen.
Zwei Pfarrerinnen werden sich kümmern
Sowohl Kerstin Laubmann als auch ihr Oberwinterer Kollege Michael Schankweiler gehen in den Ruhestand, und es wird niemand für sie nachrücken. „Die evangelische Kirche im Rheinland hat bis zum Jahr 2030 einen Stellenplan entsprechend der Anzahl der Gemeindemitglieder erstellt. Bei uns wird der Plan eben schon jetzt umgesetzt. Dieser klare Schnitt muss es mit sich bringen, dass von Anfang an ehrlich gerechnet wird“, so die 63-jährige Pfarrerin, die klar für sich sagt: „Ich bin dann raus.“
So werden sich künftig auch bei der Zusammenlegung mit der evangelischen Kirchengemeinde Oberwinter die Pfarrerinnen Johanna Karcher mit einer Vollzeitstelle und Johanna Kuhn mit einer halben Stelle um die Gemeindearbeit kümmern. Das entspricht laut errechneter Wochenarbeitszeit der Landeskirche 61,5 Stunden. „Da muss man dann mal sehen, was da so alles reinpasst und realistisch ist, die beiden sollen auch noch Zeit für sich haben können, damit sie die Freude an ihrer Arbeit nicht verlieren“, betont Kerstin Laubmann. Aber sie sei zuversichtlich, denn gemeinsam mit verschiedenen Arbeitskreisen hätten die Haupt- und Ehrenamtlichen bereits einen genialen Gottesdienstplan erarbeitet.
„Viele sagen, sie hätten mit Kirche nichts mehr zu tun.“
Pfarrerin Kerstin Laubmann zum Schwund der Gemeindemitglieder
„Es wird dann vielleicht auch weiterhin Gottesdienste in den Seniorenheimen geben, bei denen immer rund 40 Besucher gern dabei waren. Aber eben nicht jeden Monat“, stellt die Pfarrerin in Aussicht. Unterstützt werden Karcher und Kuhn außerdem von Jugendleiterin Nadine Huss, die die Nachfolge von Bianca Linden angetreten hatte. „Sie haben eine sehr gute und engagierte Jugendarbeit aufgebaut unter anderem mit tollen Konfirmandenfreizeiten“, ist Laubmann voll des Lobes.
Viele Faktoren führen zu sinkender Zahl der Gemeindemitglieder
Vor ihrer Zeit in Sinzig hatte Kerstin Laubmann 15 Jahre lang die Gemeinde in Andernach betreut. Als sie den Gemeindebezirk Sinzig übernahm, hatte dieser 2700 Mitglieder. Jetzt sind es mit rund 2100 einige weniger. Woran das liegen könnte? „Viele sagen, sie hätten mit Kirche nichts mehr zu tun. Junge Menschen, die ihr erstes Geld verdienen, und andere, die jeden Cent umdrehen müssen, überlegen sich, ob sie in der Gemeinde bleiben“, so die Seelsorgerin. Man hätte aber auch mit Austritten aufgrund von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche zu tun gehabt.

Und dann kommt noch Corona hinzu. Die Pandemie habe bei einigen Menschen den Eindruck erweckt, dass die Kirchen einfach zugemacht hätten. „Das stimmt aber so nicht. Wir haben uns alle ein Bein ausgerissen, um Kontakt zu unseren Mitgliedern zu halten. Haben täglich über 210 Tage lang neue Texte verschickt, sie an Wäscheleinen vor unseren Kirchen und Gemeindehäusern gehängt“, betont Kerstin Laubmann.
Und nach Corona kam die Flut. Davon war auch die Remagener Pfarrerin Elisabeth Reuter betroffen, die nach ihrem Wegzug nicht mehr wieder zurückkam. Unterstützung hatte die Kirchengemeinde von dem evangelischen Pfarrer Stefan Bergner aus Aegidienberg, der nach seinen Einsätzen als Fahrer des Helfershuttles schließlich eine auf zwei Jahre befristete Stelle in Sinzig antrat und heute noch mit Wolfgang Henn, Pastoralreferent im Ruhestand, das Café Solidahrität betreut. „Wolfgang Henn ist unser ökumenischer Fels in der Brandung“, sagt die Pfarrerin lächelnd. Noch immer würden von der Flut betroffene Menschen Hilfen des Diakonischen Werks annehmen, weil sie darauf angewiesen sind.
Kirche kann ein Fels in der Brandung in Lebenskrisen sein
Wichtig ist es Kerstin Laubmann, darauf hinzuweisen, dass Kirche immer noch Stabilität und Raum zum Sein gibt oder um Fragen zu stellen. Und dass sie insbesondere bei Lebenskrisen helfen kann, dass es verlässliche Gruppen gibt, etwa für Ältere, die allein leben. Veranstaltungen wie literarische Gottesdienste, Familiengottesdienste oder musikalische und kulinarische Angebote und das Gemeindefest als „Fest des guten Lebens“ kamen sehr gut an.
„Die vielen Eindrücke aus anderen Ländern haben mich immer sehr inspiriert.“
Kerstin Laubmann über den Frauen-Weltgebetstag
Was sie sich wünschen würde, wäre etwa eine eigene Jugendband in der Gemeinde. „Träumen darf man ja mal“, sagt sie lächelnd. Auf ihren Ruhestand freut sich die 63-Jährige. „Ich habe mich immer verantwortlich gefühlt. Ich werde genießen, dass ich diese Verantwortung dann nicht mehr spüre“, sagt Kerstin Laubmann.
Was sie allerdings nach wie vor mitgestalten wird, ist der Frauen-Weltgebetstag. „Die vielen Eindrücke aus anderen Ländern haben mich immer sehr inspiriert. Es ist ein Tag, an dem alle Sinne angesprochen werden“, freut sie sich.
Die offizielle Verabschiedung der Pfarrerin findet statt am Samstag, 14. Juni, ab 14 Uhr in der Adventskirche. Anschließend geht es im Gemeindehaus weiter.